Wer verdient wie viel am WM-Trikot?
Knapp 90 Euro kostet das Fan-Shirt in diesem Jahr. Vom Verkauf profitieren aber nur wenige. Großer Verlierer ist der Handel
Berlin. Na, haben Sie das WMTrikot für seinen ersten Einsatz am Sonntagnachmittag schon bereitgelegt? Vielleicht gehören Sie auch zu der Gruppe von Fans, die beim Blick auf das Preisschild ins Grübeln gekommen sind: knapp 90 Euro für ein T-Shirt? Sicher, hier geht es um mehr als um ein Hemdchen zum Durchschwitzen, hier geht es um Emotionen, darum, ein Statement abzugeben. Dennoch scheint die Bereitschaft der Fans, derlei Summen auszugeben, mittlerweile an ihre Grenze gekommen zu sein.
Mit 89,95 Euro, so die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers Adidas, kostet das Originalmodell „Replica“des Deutschen Fußballbundes (DFB) so viel wie noch nie zuvor bei einer Weltmeisterschaft. Wer im echten Trikot der Nationalelf mitfiebern will, muss noch mehr zahlen: Das „Authentic“-Trikot, jenes, mit dem die Spieler auf dem Platz auflaufen, kostet 129,95 Euro. Es ist aufwendiger genäht und besteht aus anderem Stoff. 2006, zur WM im eigenen Land, hat das Replica-Modell knapp 65 Euro gekostet. Die Inflation allein erklärt die Kostensteigerung nicht. Die Preise sind in diesem Zeitraum um etwa 16 Prozent gestiegen – ein Shirt müsste 2018 also etwas über 75 Euro kosten. Wer sich bei Adidas zu den Gründen für den Betrag erkundigt, der bekommt eine spärliche Antwort. Dazu äußere man sich nicht. Ein Sprecher fügt hinzu: „Wesentliche Kosten des DFBTrikots liegen in Herstellung, Vertrieb und Lizenzgebühren.“Stimmt das? – Nachfrage bei einem Händler, der das Trikot in sein Sortiment aufgenommen hat. Auch er will sich nicht zu Umsatz oder Gewinn äußern.
Einer, der das Geschäft seit Jahren beobachtet und Kontakte zu Herstellern und Händlern pflegt, ist Sportmarketing-Experte Peter Rohlmann. Er hat ausgerechnet, wie sich der Preis zusammensetzen könnte. Anders als Adidas behauptet, verursachen Material und Produktion des Nationaltrikots kaum Kosten. Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) wies schon 2014 darauf hin, dass eine Näherin für das damalige WM-Trikot nur etwa 15 Cent bekäme. Damals betonte Adidas, der Konzern lasse, anders als von Müller behauptet, das Trikot in China und nicht in Bangladesch produzieren – was tatsächlich auf einen etwas höheren Lohn hinweist.
Dennoch: „Der Verbraucher zahlt das Zehnfache von dem, was das Trikot in der Herstellung kostet“, sagt Rohlmann. Seinen Berechnungen zufolge machen Produktion und Transport gerade mal 8,60 Euro aus: sechs bis acht Euro für das Material, 30 Cent für den Lohn der Arbeiterinnen und 30 Cent für den Transport per Schiff.
Ein wichtiger Posten in der Rechnung ist die Umsatzsteuer. 14,36 Euro kassiert der Staat pro verkauftes Shirt. Der Vertrieb schlägt mit 2,25 Euro zu Buche. Die von Adidas angeführten Lizenzgebühren machen 5,50 Euro aus. Das ist der Betrag, den der DFB einstreicht – allein dafür, dass Adidas das DFB-Logo auf das Shirt drucken darf.
Der Handel erhält pro verkauftes Shirt einen Deckungsbeitrag von 39,65 Euro. Hiervon bleibt für die Einzelhändler in der Regel allerdings nicht viel übrig. Von den rund 40 Euro muss der Handel seine Ladenfläche finanzieren, Löhne bezahlen, Werbung schalten und so weiter. Unterm Strich bleiben nach Berechnungen des Marketingexperten etwa drei Euro Reingewinn pro Trikot. Sollte ein Händler zusätzlich einen Rabatt vergeben, verdient er fast gar nichts mehr.
Preisnachlässe sind keine Seltenheit. Die Gründe dafür liegen in einer weiteren Spezialität des Trikotverkaufs: Die Händler müssen die Trikots ein Jahr im Voraus bestellen – und also schon zu diesem Zeitpunkt abschätzen, welche Mengen sie verkaufen werden. Entpuppt sich das Trikot allerdings als Ladenhüter, etwa weil das DFBTeam schon früh aus dem Turnier in Russland ausscheidet, bleiben wohl viele Händler auf den Kosten sitzen. „Der Einzelhandel ist der gebissene Hund in der Rechnung“, kritisiert Rohlmann.
Hersteller Adidas hingegen geht kaum Risiken ein. „Adidas macht pro Trikot in jedem Fall rund 40 Euro Umsatz, denn der Preis, zu dem der Einzelhandel die Trikots bei Adidas einkauft, bleibt immer gleich“, erklärt der Marketingexperte. In seiner Rechnung bleiben dem Sportkonzern 17 Euro Rohgewinn (Umsatz minus Herstellungskosten). Zwar hat Adidas auch Kosten für die Forschung und Verwaltung zu tragen. Dennoch dürfte am Ende ein deutlicher Gewinn bleiben. Das Weltmeistertrikot von Brasilien hat sich rund drei Millionen Mal verkauft. Sollte sich das wiederholen, würde Adidas in Deutschland rund 51 Millionen Euro verdienen.
Experten bezweifeln hohe Produktionskosten
Adidas definiert sich über den Fußball
Doch der Konzern aus dem bayerischen Herzogenaurach sei mit seiner Preissetzung an „eine Grenze gekommen“, beobachten Branchenkenner. Fans weichen aus, der Handel mit gefälschter, preiswerter Ware floriert. Jährlich nimmt Adidas gefälschte Sportware im Umfang von rund zwölf Millionen Artikeln vom Markt. Das sollte auch dem DFB zu denken geben, immerhin ist er ein wesentlicher Preistreiber. Etwa 15 Prozent des Großhandelspreises gehen an den Fußballbund, das gilt auch für Artikel in der Bundesliga. Adidas muss auch einen so hohen Preis ansetzen, weil die Verbände mitverdienen wollen.
Damit der Sportartikelhersteller überhaupt bei der WM mitspielen darf, zahlt der Konzern dem DFB eine hohe Summe. Nach der jüngsten Vertragsverlängerung bis 2022 sind das mindestens 50 Millionen Euro pro Jahr, um offizieller Ausrüster zu bleiben. Der ehemalige AdidasChef Herbert Heiner dürfte bei Vertragsunterzeichnung kaum eine Wahl gehabt haben. Für Adidas ist Fußball die mit Abstand bedeutendste Sportart. Zwölf Mannschaften stattet das Unternehmen bei der WM aus. Damit liegt der Hersteller vor dem Rivalen Nike, der zehn Mannschaften einkleidet.
Für den größten Sportartikelhersteller der Welt ist Fußball nicht die wichtigste Sportart. Nike verdient gut an amerikanischen Sportligen. Sollte Adidas im Fußball die Führerschaft verlieren, hätte der Konzern „ein großes Problem“, schätzt Rohlmann. Der Preis für Fan-Trikots dürfte dabei eine Rolle spielen.