Ein Bekenntnis im Nachhinein: Bauhaus-Revue erscheint als Hörbuch
Autor und Komponist Frieder W. Bergner bereitet das Werk für den Herbst vor. Neben Peter Sodann sprechen viele Ehrenamtliche mit
Weimar. Munter springt’s, lustig hüpft’s Rehlein durch grünen Wald: „dort wo die Drossel singt, Drossel singt.“Hinterm Baum aber steht ein Jäger und zielt und trifft und spricht: „Das Leben ist ja nur ein Traum.“
Mit den alten Volkslied gewordenen Zeilen „Im grünen Wald“aus dem 19. Jahrhundert begannen Frieder W. Bergner und Silke Gonska eine Bauhaus-Revue, 2009 in Jena.
Bergner, heute 64 Jahre alt, kannte das Lied, seit er Abiturient in Saalfeld war; der Alt-Direktor sang es einst gelegentlich. Mit Gonska machte er nun daraus eine Parodie auf heimatselige Gemütlichkeit, die von Volksin Punkmusik kippt; das Rehlein wurde dabei zum Bauhaussymbol.
Was er noch nicht ahnte: Der alte Direktor muss das Lied in Schützengräben des Ersten Weltkrieges gelernt haben, wo es allgegenwärtig war. Aus dem Volks- war ein Soldatenlied geworden, und ein Marsch.
Darauf stieß Bergner, als er „Der liebe Unhold“las, die erst 2011 erschienene Übersetzung des Buches „The Dear Monster“von 1939. René Halkett, der eigentlich ein Freiherr von Fritsch aus Weimar gewesen war sowie dort ein Schüler am Bauhaus, schrieb dieses autobiografische Zeitporträt im englischen Exil.
Nun hört man „Im grünen Wald“also Weltkriegsgranaten; die Einschläge kommen immer näher. Vor diesem historischen wie akustischen Hintergrund entwickelt sich die Geschichte des Weimarer Bauhauses: auf dem auf der Performance basierenden Hörbuch, an dem Frieder W. Bergner seit zwei Jahren arbeitet.
„Mein grundlegendster Eindruck“, erzählt der Autor, Komponist und Posaunist in seiner Wohnküche in Ottstedt am Berge, „war von Anfang an, dass es ein eigenartiges Anziehungsund Abstoßungsgebaren gegenüber dem Bauhaus und seinen Protagonisten in Weimar gab.“ Davon wollen er und seine Partnerin, die Sängerin Silke Gonska, erzählen, musikalisch-lyrisch ebenso wie dokumentarisch. Und sie wollen so dazu verführen, über das alte Bauhaus neu nachzudenken. Beim Erzähler könnte das schon mal gelungen sein. Der Schauspieler Peter Sodann interessierte sich fürs Bauhaus eigentlich gar nicht. Während Bergner mit ihm drei Tage lang im sächsischen Staucha Texte aufnahm, habe Sodann seinen Begriff vom Flachdach-Bauhaus allerdings revidiert.
Sodanns Stimme ist die des alten Mannes, der zurückgelehnt, oft auch spitzbübisch von gestern spricht. Das beginnt märchenhaft: „Im milden Glanz der goldenen Sonne, des silbernen Mondes und einer prallen, würzigen Wohlgeruch verbreitenden Bratwurst, lag einmal ein Land, und dieses Land hieß Thüringen.“
So hatte Bergner es aufgeschrieben. „Im milden Glanz der Bratwurst“nannte er schon die Performance 2009, mit Sprecher, Band und Pantomimen. Das Hörbuch, welches im Oktober erscheinen soll, heißt nun „Im milden Glanz der Bratwurst. 6 Jahre Utopia in Weimar – Die Bauhaus-Revue“.
Die Bratwurst ist ihm Sinnbild fürs Gemütliche, Heimelige, Gegenbild zum großen Chaos, für das Weltkrieg, Revolution und Inflation standen – und das Walter Gropius’ Bauhäusler auf ihre Art in Weimar neu ordnen wollten. Das vollzieht sich, im auf zweieinhalb Stunden angelegten Hörbuch, in drei Akten: Gründung, Errichtung, Vertreibung des Bauhauses. Dessen Ideen, hören wir, inspirierten spätere Generationen. „Heute“, spricht Sodann, „sind sie zumeist ganz normal und aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Klassiker der Moderne eben.“
Das galt in einer Textfassung auch für „die Theorie der Verbindung von Kunst und Bau im Dienst eines menschenfreundlichen Lebens“. Doch einer widersprach: Michael Siebenbrodt, langjähriger Bauhaus-Kustos in Weimar, der das Hörbuchprojekt wissenschaftlich beriet. Nun heißt es, dass jene Idee „in ihrer radikalen Klugheit“zwar viele Menschen überzeugte, sie „wurde jedoch bislang noch viel zu wenig, oder besser gesagt viel zu selten umgesetzt. Sie bleibt uns als Herausforderung für kommende Generationen erhalten.“
Dieses „uns“betrifft insbesondere Kunst und Kultur in Weimar. Deren Protagonisten, fand Bergner, müssten nach 100 Jahren mal „ein Statement abgeben, dass diese Art der kulturellen Erneuerung, die ja permanent stattfinden sollte, in unserem Sinne ist.“Ein Bekenntnis im Nachhinein soll’s sein: Tolle Typen waren das, auf die man stolz sein kann!
Und schließlich habe Weimar „eine kleine Schuld abzutragen“. Im milden Glanz der Bratwurst spiegelte sich ein kulturkonservatives Bürgertum, das von Erneuerung nichts wissen wollte; sie wurde verstanden als Angriff auf seine Existenz. Rund zwanzig Protagonisten der Kulturszene hat Bergner letztlich als „ehrenamtlich mitwirkende Sprecher“verpflichten können. So sind hier der Kabarettist Uli Masuth sowie seine Frau und Managerin Almut als Walter und Ise Gropius zu hören. Der Musiker Michael von Hintzenstern spricht Oskar Schlemmer, der Bildhauer Walter Sachs Johannes Itten, der Galerist Frank Motz René Halkett, der Autor und Verleger JensFietje Dwars Gerhard Marcks.
Der Architekturtheoretiker Gerd Zimmermann, langjähriger Rektor der Bauhaus-Universität, liest einen Text des Kunsthistorikers, Verlegers und Itten-Herausgebers Bruno Adler, Kulturminister Benjamin-Immanuel Hoff einen des Architekturhistorikers Siegfried Giedion.
Drei Akte: Gründung, Errichtung, Vertreibung
Briefe und Berichte treffen auf Gedichte
So werden im dokumentarischen Teil dieser im Stil der Zwanziger angelegten musikalisch-literarischen Revue Briefe, Protokolle und Zeitungsberichte zitiert. Sie berichten von Kämpfen und Streit außerhalb und innerhalb des Bauhauses.
Auf welches gesellschaftliche Umfeld das traf, verdichtet Lyrik jener Jahre, die Bergner mit Silke Gonska und dem Perkussionisten Wolfram Dix vertonte: von Hugo Ball, Erich Mühsam, Max Ernst oder Rose Ausländer. Auch von Kurt Schwitters, der „Die Welt“so beschreibt: „Häuser fallen, Himmel stürzen ein. Bäume ragen über Bäume. Himmel grünt rot. Silberne Fische schwimmen in der Luft. Sie verbrennen sich nicht.“
Noch arbeitet Frieder W. Bergner an der Produktion – und an deren Finanzierung auch noch ein bisschen; bislang vier Firmen aus Weimar und Erfurt beteiligten sich als Sponsoren. Die Jazzmeile Thüringen präsentiert die Hörbuch-Premiere am 11. November im Mon Ami in Weimar.
Dass das kein Weihe- und Huldigungsprojekt wird, belegt etwa eine im Wortsinn bezeichnende Anekdote, die hier vorkommt. Gesprochen vom Grafiker Michael Geyersbach, berichtet Alfred Arndt aus einem Vorkurs bei Johannes Itten 1921.
„Wir wollen heute mal den Krieg zeichnen“, dekretierte der Meister demnach. Später urteilte er über die hingeworfene Kreidezeichnung Walter Menzels: „Das hat ein Mann gemacht, der den Krieg in seiner Unerbittlichkeit und Härte wirklich erlebt hat.“Als romantisches Blatt urteilte er indes die Arbeit Erich Dieckmanns ab: „Dieser Zeichner hat den Krieg nicht erlebt.“Es war aber genau umgekehrt. Menzel war zu jung gewesen für die Schützengräben, aus denen Dieckmann mit zerschossener Hand heimgekehrt war.
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