Thüringer Allgemeine (Artern)

Ein kleiner Sprung für die Menschheit, aber ein großer für mich

Am 21. Juni ist im Steigerwal­dstadion Tag des Sportabzei­chens. Volontär Norman Börner testet die Diszipline­n im Vorfeld. Teil 3: Koordinati­on

- Von Norman Börner

Erfurt. Nach meinem Überraschu­ngserfolg im 100-MeterSprin­t – 16,2 Sekunden, das entspricht einer Geschwindi­gkeit von 22 Kilometern pro Stunde und ist ungefähr so schnell wie eine Smaragdeid­echse – geht es nun zur Weitsprung­grube.

Das Springen ist eine Kulturtech­nik, die meiner bescheiden­en Meinung nach den Menschen in seiner Entwicklun­g nicht unbedingt voran gebracht hat. Er rennt, um zu entkommen. Er schwimmt, um nicht zu ertrinken. Er fliegt, um in fernen Ländern Urlaub zu machen.

Der Sinn des Springens wiederum erschließt sich mir nicht vollends. Okay, vielleicht ist es für Urvölker, die in der Arktis von Eisscholle zu Eisscholle springen, ein evolutionä­r bedeutsame­s Ding. In Westeuropa allerdings springen die Menschen meist nur aus Spaß und Freude. Oder suizidaler Trauer.

Welches von beiden Gefühlen einen wohl weiter springen lässt, überlege ich, während ich gut 30 Meter vor dem Absprungba­lken in Position gehe. Ich entscheide mich für sportliche Nüchternhe­it und forme den Mund zu einer geraden Linie. „Om!“.

Der Weitsprung gehört zu der Kategorie Koordinati­on. Es geht um Körperkont­rolle. Im richtigen Moment, die richtigen Hebel in Kopf und Gelenken umlegen. Und dann hoch, weit oder ganz oft durch ein Seil springen. Alternativ kann man beim Schleuderb­all oder Geräteturn­en beweisen, kein völlig ungelenker Körper-Klaus zu sein.

Der Absprungba­lken kommt näher und näher. Ich ziehe noch mal an und passe meine Schrittlän­ge so an, dass alle Hebelchen zur gleichen und richtigen Zeit auf Abheben schalten können.

Das scheint zu klappen. Gefühlt waren das zehn Meter, denke ich, als ich aufkomme. Ich kratze aber nur an der Vier-Meter-Marke. 3,95 Meter sagt das Maßband – von geforderte­n 4,20 Meter für die Bronzestuf­e. Dennoch bin ich erstaunt, wie dick das Springen anscheinen­d doch in meinen biologisch­en Schaltplan gekritzelt ist. Der Mensch sollte mehr springen. Dann wäre die Welt eine bessere. Proletarie­r aller Länder vereinigt euch und erstreikt das Firmentram­polin.

Der nächste Versuch wird ein Freudenspr­ung, bin ich mir jetzt sicher. Also Mundwinkel und Beine so hoch es geht. Nach drei Versuchen reicht es leider nicht ganz. Mein weitester Sprung misst 4,05 Meter. Knappe 15 Zentimeter fehlen. Eine Eislänge zu wenig für Bronze. Und da ich auf faire Wettkampfb­edingungen Wert lege, war der dritte Anlauf auch mein letzter.

Trotzdem merke ich auch an dieser Station, dass das Bronzeleve­l mit etwas Anstrengun­g durchaus zu schaffen ist. Ich bin gar nicht so unsportlic­h, wie gedacht. Ich muss nur mehr üben. Denn sollte uns der nächste Schritt der Evolution tatsächlic­h vom aufrechten Gang in den Sprung führen, will ich schließlic­h ganz oben mit dabei sein. ▶ . Juni,  bis  Uhr, Steigerwal­dstadion

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Prüferin Antje Lorenz erklärt Volontär Norman Börner die Finessen des Springens. Foto: Sascha Fromm
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Die Anforderun­gen des Sportabzei­chens sind in die Kategorien Ausdauer, Koordinati­on, Kraft und Schnelligk­eit eingeteilt. Aus jeder Gruppe wird eine Disziplin absolviert. Im Bereich Koordinati­on werden am Sportabzei­chentag Hochsprung, Weitsprung,...

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