Vorsicht, wir werden manipuliert!
Bei der Ringvorlesung von Mediengruppe, Landtag und Universität Erfurt spricht IT-Expertin Tabea Wilke über Meinungsmache durch Social Bots
Erfurt. Sie geben vor, echte Nutzer bei Sozialen Netzwerken wie Twitter oder Facebook zu sein, sind am Ende aber nur Computerprogramme, die ihre Informationen automatisiert und massenhaft streuen. Einige dieser Accounts treten sogar mit anderen Nutzern in Kontakt, ohne dass diese merken, dass kein Mensch, sondern ein Code dahintersteckt. Manipulationen durch Social Bots sind Thema der vierten Ringvorlesung der Mediengruppe Thüringen, des Thüringer Landtags und der Universität Erfurt. Unter dem Motto „Wahrheiten in postfaktischer Zeit – über Social Bots und Fakenews“spricht die Berliner Daten-Analystin Tabea Wilke über Auswirkungen und Gefahren automatisierter Meinungsmache. Wilke ist Gründerin und Geschäftsführerin der aus einer ehrenamtlichen Initiative hervorgegangenen botswatch GmbH. Knapp zehn Beschäftigte entwickeln hier Routinen, mit denen Social Bots erkannt sowie ihr Ursprung und ihre Ziele analysiert werden können. Am Nachmittag traf sich die IT-Expertin zum Redaktionsgespräch mit Journalisten der Mediengruppe.
Die Möglichkeit, Tausende Tweets in kürzester Zeit zu verbreiten und so Meinungen als wichtig erscheinen zu lassen, die es ohne die Unterstützung der Maschine nicht wären, machen Social Bots zu einem relevanten Thema für die Öffentlichkeit. Vor allem beim Nachrichtennetzwerk Twitter, wo unter den rund 4 Millionen deutschen Nutzern viele Politiker, Journalisten und andere Meinungsmacher unterwegs seien, könnten Propaganda-Bots Sachverhalte und Positionen gezielt forcieren und so den Eindruck erwecken, dass es sich um Mehrheitsmeinungen handelt, sagt Wilke. Eine Gefahr bestehe darin, dass sie von Medien aufgegriffen und verbreitet würden. Je unklarer die Nachrichtenlage, etwa bei Terror, Naturkatastrophen oder Flugzeugabstürzen, desto größer die Chance, dass sich Nachrichten verbreiten, die nicht stimmen. Zur Bedrohung für die Demokratie könne das nicht zuletzt bei besonders hoher Nachrichtenfrequenz werden, zum Beispiel während Landtags- oder Bundestagswahlen, wenn wenig Zeit für Nachrecherchen bleibt.
Den Begriff Fakenews mag Tabea Wilke nicht. Vielmehr gehe es darum, zu ergründen, wer und welche Interessen hinter solchen Falschinformationen stecken. Vor allem zwei Gruppen habe botswatch als Urheber von Social Bots ausgemacht: zum einen staatsähnliche Akteure und zum anderen Vertreter mit wirtschaftlichen Interessen.
Dabei seien Bots nicht per se gut oder böse. Entscheidend sei, wofür sie eingesetzt würden. Bot komme von Roboter, Automatisierung sei Teil der Digitalisierung. In sozialen Netzwerken gebe es die Technologien schon lange, etwa um einen neuen Nutzer zu begrüßen oder Anmelderoutinen zu vereinfachen. Auch Menschenrechts- oder Nichtregierungsorganisationen (NGO) würden sich solcher Möglichkeiten bedienen. Zu unterscheiden sei aber zwischen diesen einfachen Bots auf der einen und Sozial- oder PropagandaBots auf der anderen Seite. „Jeder, der Social Bots einsetzt, will manipulieren“, sagt die Expertin. Sie beobachte die Szene schon seit gut sieben Jahren, sagt Wilke, habe gerade bei Journalisten aber lange kaum Gehör mit ihren Warnungen gefunden. Auch die Informationen über die Beeinflussung der Brexit-Entscheidung oder des US-Wahlkampfes änderten daran wenig. Als 2016 die Bundestagswahl anstand, sei für sie als überzeugte Demokratin ein Punkt erreicht gewesen, an dem sie Handlungsbedarf gesehen habe. Seitdem konzentriert sich botswatch vor allem auf die Analyse von Twitter.
Zur Erkennung von Bots greift botswatch auf einen umfangreichen Kriterienkatalog zurück.
Allerdings verändern sich Bots ständig. Sogenannte Hybride würden mal maschinell, mal händisch gepflegt. Einerseits werde die Analyse immer besser, andererseits versuchten die Bot-Architekten mittlerweile, möglichst unter dem Radar von botswatch zu agieren. Nachdem Wilke und ihre Mitstreiter im Dezember 2016 erste Analysen veröffentlichten, blieb eine nachweisbare Menge an Bots unter der 50-Tweets-Grenze.
Insgesamt bescheinigt Wilke deutschen Nutzern eine höhere Skepsis. Bots seien hier deshalb smarter und intelligenter. Die Routinen funktionierten nach dem Prinzip der schon früher beschriebenen „Schweigespirale“, wonach Menschen unter dem Eindruck einer vorherrschenden öffentlichen Meinung eigene Ansichten zurücknehmen.
„Bots werden in den kommenden Jahren nicht weniger. Schauen wir mit Abstand oder mit den Augen von Astro-Alex darauf, sehen wir, dass wir uns in einer Zeitenwende befinden. Völlig neue politische Machtverhältnisse bescheren uns eine spannende, aber auch anstrengende Zeit, weil wir noch nicht wissen, wo die Reise hingeht. Um so wichtiger ist es nicht zuletzt für die Medien, Manipulationen aufmerksam und wachsam zu erkennen“, so Tabea Wilke.