Aus eigenem Anbau
Oba us dem Garten, vom Balkon oder vom Fel d– selb sth erangezogene Lebensmittel erleben ein Revival
Unübertroffen ist der Geschmack von süßen Erdbeeren, knackigem Salat und schmackhaften Tomaten, wenn sie aus eigenem Anbau stammen. Doch es gibt einiges zu beachten, damit die Selbstversorgung gelingt.
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Vom Sammler zur Gartenstadt
Seit ihrer Entstehung versorgt sich die Menschheit selbst mit den lebensnotwendigen Gütern, um ihr Überleben zu sichern. Das begann in alter Vorzeit mit der Kultur der Jäger und Sammler und mündete in sesshafte Gesellschaften, die ihre eigenen landwirtschaftlichen Produkte anbauten und Viehwirtschaft betrieben. Mit Beginn des Tauschhandels, der später zur Geldwirtschaft wurde, verlor die Selbstversorgung zunächst an Bedeutung, und spätestens seit der industriellen Revolution hatte die Stadtbevölkerung häufig nicht einmal mehr den Platz, um selbst Obst und Gemüse anzubauen oder gar Tiere zu züchten. Doch durch die geringen Löhne der damaligen Zeit führten diese Zustände vielfach zu Armut und Hunger. Um dem entgegenzuwirken, entstanden im 19. Jahrhundert erste Kleingartenanlagen und deutschlandweit sogar ganze Siedlungen, wie etwa die 1906 gegründete Margaretenhöhe bei Essen oder die seit 1913 bestehende Erfurter Gartenstadt. Damals aus der Not wiedergeboren, erfolgt die heutige Wiederbelegung der Selbstversorgungsidee aus ganz anderen Gründen.
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Das Feld als Sehnsuchtsort
Warum ist die Selbstversorgung in Zeiten gut gefüllter Supermärkte in Deutschland überhaupt noch ein Thema? Es ist zum einen der Wunsch nach einer größeren Nähe zur Natur, mehr Selbstbestimmung und Unabhängigkeit. Die Agrarwissenschaftlerin Andrea Heistinger spricht in ihrem Buch „Basiswissen Selbstversorgung aus Biogärten“von der Sehnsucht nach einem Gegenentwurf zum urbanen, von Hektik und Terminen bestimmten Lebensalltag. Wer sich mit selbst herangezogenen Lebensmitteln versorgt, weiß außerdem genau, woher seine Produkte kommen, und erhält oft auch eine bessere Qualität als die der im Kühlregal gelagerten, anonymen Ware. Darüber hinaus wird das Familienbudget geschont. Im Jahr 2017 kam die Arbeitsgruppe „Fachberatung“des Bundesverbands Deutscher Gartenfreunde in einer Konzeptstudie mit einem 312 Quadratmeter großen Garten nach Abzug der Kosten auf eine jährliche Ersparnis von über 700 Euro.
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Gemeinschaftliche Projekte
Die autonome Versorgung wurde bereits früh nicht nur individuell, sondern auch in Gemeinschaften gelebt. So gründete zum Beispiel der Lebensreformer Bruno Wilhelmi im Jahr 1893 die (nach wie vor bestehende) genossenschaftliche Eden Gemeinnützige Obstbau-Siedlung eG im brandenburgischen Oranienburg. Sein Ziel: ein einfaches, naturnahes Leben in der Gemeinschaft und die Bedarfsdeckung mit Obst und Gemüse aus dem Eigenanbau. Dieser nachhaltige Lebensstil wird auch heute noch von großstadtmüden Naturliebhabern in sogenannten Ökodörfern gelebt. Im städtischen Bereich wiederum boomen sogenannte „Urban Gardening“-Initiativen: In gemeinsamen Bürger- oder Nachbarschaftsgärten bauen dabei Hobbygärtner Obst und Gemüse zur Selbstversorgung an. Manche Städte sollen sogar in weiten Flächen „essbar“werden. Die Initiative „Essbare Stadt Jena“zum Beispiel setzt sich dafür ein, im gesamten Stadtraum Naturerzeugnisse anzubauen, die dann von jedermann geerntet werden können.
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Balkon, Kleingarten oder Feld?
Wer die Selbstversorgung einmal ausprobieren möchte, hat – neben der Beteiligung an einer Selbstversorger-Community – auch ohne eigenen Garten viele Möglichkeiten. Damit loslegen kann man sogar auf dem eigenen Balkon, etwa mit Kräutern in einem Vertikalbeet oder dem Obst- und Gemüseanbau in Kübeln, Kästen und Hochbeeten. Im Handel sind dafür mittlerweile zahlreiche kompakte Sorten erhältlich, von der Klettererdbeere über die Hängetomate bis hin zum Säulenobstbaum. Eine Nummer größer geht es im Kleingarten zur Sache. Wer einen solchen besitzt oder gepachtet hat, ist dem Bundeskleingartengesetz zufolge sogar dazu verpflichtet, ein Drittel der Fläche kleingärtnerisch zu nutzen. Die Erholung kommt dabei aber auch nicht zu kurz. Sie ist ebenso im genannten Gesetz verankert. Noch mehr Ertrag liefert ein eigenes Stück Feld. Dieses kann über Projekte, wie „meine ernte“, in vielen Teilen Deutschlands günstig gemietet werden. Ein kleiner Gemüsegarten mit 45 Quadratmetern, der bereits vorab mit über 20 Gemüsesorten bepflanzt wird, kostet bei dieser Initiative etwas mehr als 200 Euro im Jahr. Bequem von zu Hause aus lässt sich der Nutzgarten für den Eigenbedarf mit digitalen Systemen wie dem des Start-ups IP Garten bewirtschaften: Über das Internet kann hier ausgewählt werden, was angebaut werden soll, das Feld via Webcam beobachtet und per Mausklick gewässert werden.
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Selbstversorgung – so klappt’s
Es könnte so schön einfach sein: Samen in die Erde gesteckt, Wasser dazu, Sonne drauf – und die Ernte kann kommen. So leicht geht es häufig aber leider nicht vonstatten. Grundlage ist laut Gartenexpertin Heistinger zufolge fruchtbarer Boden sowie die Bereitschaft, darauf zu arbeiten und Zeit mitzubringen. Wer Obst und Gemüse anbauen möchte, sollte sich vorab gut informieren, wie dieses am liebsten wächst, welche Pflege es benötigt und mit welchen anderen Arten es sich verträgt. Darüber hinaus stellt sich bei großen Erträgen die Frage nach der richtigen Lagerung, zum Beispiel von Kartoffeln oder Äpfeln, und der geeigneten Konservierung – man denke nur an leckere Marmeladen, Kompotte und eingelegtes Gemüse. Wenn dann noch das Wetter mitspielt und nicht zu viele hungrige Nacktschnecken oder andere Fraßschädlinge vorbeikommen, steht dem Genuss der leckeren, gesunden und vor allem frischen Eigenerzeugnisse nichts mehr im Weg.
„Bei uns ist alles Gemüse reif. Meinst Du, dass ich das allein esse? Kommt gar nicht in Frage.“Joachim Ringelnatz, deutscher Lyriker