Was ist für Si eZ uhause, Michael Wagner?
Ich hege keine sentimentalen Gefühle, wenn ich an das ärmli- che Zuhause meiner K ndheit in Leipzig zurückdenke. Aber als K nd einer alleinstehenden Frau aus einfachen Verhältnissen, die kaum Zeit für so etwas wie Erziehung hatte, w chs ich sehr frei auf. Diese Freiheit habe ich schon damals sehr genossen, und dieser Freiheitsdrang ist es wahrscheinlich auch, der mich heute mit der Idee der Bakuninhütte verbindet. Hier, zwischen Thüringer Wald und Rhön, trafen sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts Anarcho-Syndikalisten, um mit ihren Familien in einem herrschaftsfreien Raum beieinander zu sein, gemeinsam Spaß zu haben, zu lernen und die Natur zu genießen. Heute pf egen wir als Verein dieses Kulturdenkmal, das so gar nicht museal, sondern äußerst lebendig ist. Ich w rde die Hütte aber nicht als mein zweites Zuhause bezeichnen. Ich besitze ein erstes Zuhause, das mir sehr gefällt. Nach meiner Pensionierung als Pfarrer in Meiningen überlegte ich zwar kurz, zurück in meine Heimatstadt Leipzig zu ziehen, aber dann fiel mir auf, dass ich dort nur noch eine Person gut kannte. Das ist in Meiningen an- ders. Hier habe ich einen großen, aber nicht zu großen Bekanntenkreis, darunter auch vie- le junge Menschen. Ich finde es ideal, in dieser Stadt alt zu werden. Auch wenn ich gerne Gäste habe, ist meine geräumige Wohnung eher mein persönliches Refugium. Das Mobiliar besteht in einem ausgewogenen Verhältnis aus alten und neuen Dingen. Erbstücke sind keine darunter, die besaß meine Mutter einfach nicht. Aber es gibt durchaus Dinge, an denen ich hänge. Meine Lieblingskarikatur von Mordillo gehört dazu. Die Zeichnung zeigt einen Mann, der in einer langweiligen, gleichförmigen Reihenhaussiedlung eines der Häuserdächer mit Wellen bemalt hat und daraufhin von der Polizei abgeführt wird. Darüber kann ich mich immer wieder amüsieren.
„Über meinen Mordillo kann ich mich immer wieder amüsieren.“