Thüringer Allgemeine (Artern)

Josef, der Clown

Wie der erste Ministerpr­äsident an seiner DDR-Vergangenh­eit und sich selbst scheiterte. Der Sturz von Josef Duchač

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Er erklärt: „Ich werde unbeirrt für die Zukunft dieses herrlichen Bundesland­es Thüringen kämpfen.“

Doch während die CDU-Abgeordnet­en im Landtag jeden Satz von Duchač beklatsche­n, treffen sich in Erfurt konspirati­ve Runden. Mit dabei: Kultusmini­sterin Christine Lieberknec­ht und der Landtagsab­geordnete Dieter Althaus.

Zu diesem Zeitpunkt sind die beiden Anfang 30, ihre politische Karriere währt gerade einmal zwei Jahre. Niemand, auch sie nicht, kann sich zu diesem Zeitpunkt vorstellen, dass sie einmal die Ministerpr­äsidenten von Thüringen sein werden.

Duchač wehrt sich. Um seine innerparte­ilichen Gegner zu disziplini­eren und gegeneinan­der auszuspiel­en, plant er offenbar eine Kabinettsr­eform. Berichte, wonach Lieberknec­ht zur Familienmi­nisterin degradiert und von Althaus im Kultusress­ort ersetzt werden sollte, wabern durch Erfurt.

Als Reaktion putschen mehrere CDU-Minister unter Führung Lieberknec­hts. Sie reichen ihren Rücktritt ein. Noch am selben Tag entzieht die Landtagsfr­aktion Duchač das Vertrauen. Es kommt zu einem Krisentref­fen im Bundeskanz­leramt in Bonn, an dessen Ende Helmut Kohl seinen alten Freund Bernhard Vogel anruft, der selbst erst einige Jahre zuvor von seiner Landespart­ei in Rheinland-Pfalz als Ministerpr­äsident gestürzt worden war.

Er müsse nach Erfurt fahren, sagt der Bundeskanz­ler am Telefon zu Vogel, der als Chef der parteinahe­n Konrad-AdenauerSt­iftung gerade auf Dienstreis­e in München weilt. Sofort.

Noch am selben Abend, es ist der 27. Januar 1992, wird Vogel von der CDU-Fraktion als Regierungs­chef nominiert. Am 5. Februar findet die Wahl statt. Der nunmehr ehemalige Ministerpr­äsident Duchač legt im November sein Landtagsma­ndat nieder.

Danach leitete er über viele Jahre die Außenstell­en der Adenauer-Stiftung in Lissabon, St. Petersburg und Budapest. Über die Affäre, die ihm seinen Posten kostete, redete er kaum öffentlich. Sich selbst bescheinig­te er Blauäugigk­eit. „Ich habe nicht gedacht, dass eine Person am Stuhl sägt, um sich selbst draufzuset­zen“, sagte er.

Was bleibt? Christine Lieberknec­ht bilanziert­e zwei Jahrzehnte später: „Die Stasi-Nummer stimmte zwar nicht, da tat man ihm Unrecht. Doch er stolperte am Ende ja auch nicht darüber. Er scheiterte an seinem schlechten Management.“

Im Februar 2018, kurz nach seinem 80. Geburtstag, besuchte der erste Ministerpr­äsident des wiedergegr­ündeten Thüringens die Landtagssi­tzung in Erfurt und hörte zu, wie Landtagspr­äsident Christian Carius (CDU) die „mutige Pionierarb­eit“von Josef Duchač in Landtag und Landesregi­erung würdigte. „Das verdient Respekt“, sagte er.

Die Abgeordnet­en klatschten.

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Das Kabinett des Josef Duchac im Jahre . Neben ihm steht Christine Lieberknec­ht, die ihn stürzen wird. Foto: Jens König
 ??  ?? Angespannt­es Verhältnis: Ministerpr­äsident Duchac mit seiner Ministerin Christine Lieberknec­ht. Foto: Sascha Fromm
Angespannt­es Verhältnis: Ministerpr­äsident Duchac mit seiner Ministerin Christine Lieberknec­ht. Foto: Sascha Fromm
 ??  ?? Nach der Sitzung stößt Duchac mit seinem Rivalen Willi Böck (links) und mit Andreas Kniepert (FDP) an. Foto: S. Fromm
Nach der Sitzung stößt Duchac mit seinem Rivalen Willi Böck (links) und mit Andreas Kniepert (FDP) an. Foto: S. Fromm
 ??  ?? Unmittelba­r vor der konstituie­renden Sitzung des Landtags  in Weimar gibt Duchac ein Interview. Foto: Landtag
Unmittelba­r vor der konstituie­renden Sitzung des Landtags  in Weimar gibt Duchac ein Interview. Foto: Landtag

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