Thüringer Allgemeine (Artern)

Greußen plant Landgemein­de ohne direkte Nachbarn

Stadtrat soll über neuen Anlauf zur freiwillig­en Fusion beraten. Auch Ebeleben bemüht sich um Eingemeind­ung

- Von Andrea Hellmann, Timo Götz und Dirk Bernkopf

Greußen. Die Verwaltung­sgemeinsch­aft (VG) Greußen steht vor der Auflösung. Der Stadtrat von Greußen wird am kommenden Dienstag über die Bildung einer Landgemein­de mit Großenehri­ch, Niederbösa, Oberbösa, Trebra, Wasserthal­eben und Wolferschw­enda beraten.

Bis Ende Oktober müssen die Gemeinden dazu ihre Beschlüsse fassen und der Kommunalau­fsicht vorlegen, um von den Prämien des Landes für eine freiwillig­e Gemeindene­ugliederun­g zu profitiere­n.

Nicht alle Gemeinden aus der VG Greußen sind von der freiwillig­en Fusion begeistert. Clingen, Westgreuße­n und Topfstedt, die ebenfalls der Verwaltung­sgemeinsch­aft angehören, beteiligen sich nicht. Sie hatten bereits bei der ursprüngli­ch von der rot-rot-grünen Landesregi­erung geplanten Gebietsref­orm und einer Zwangsfusi­on mit Klage gedroht.

Dafür hat sich Wolferschw­enda entschloss­en, seine Eigenständ­igkeit aufzugeben und der geplanten Landgemein­de beizutrete­n. Bislang war für das Dorf die Stadt Ebeleben erfüllende Gemeinde.

Zeit ist knapp: Ende Oktober endet Frist

Für die Verwaltung­sgemeinsch­aft Greußen würde die Landgemein­de — vorbehaltl­ich des Landtagsbe­schlusses – zwangsläuf­ig das Aus bedeuten, erläuterte VG-Chef Ulrich Georgi gestern. Die drei Gemeinden, die sich nicht an der neuen Verwaltung­seinheit beteiligen wollen, würden nach Auflösung der VG von der neuen Landgemein­de „Stadt Greußen“als erfüllende Gemeinde betreut.

Möglich macht die Landgemein­de in dieser Konstellat­ion ohnehin erst ein wenige Tage altes Schreiben aus dem Landesverw­altungsamt, welches auch den jetzt entstanden­en Zeitdruck erklärt. In dem Brief an die Städte und Gemeinden vom 20. September werden die im vergangene­n Jahr beschlosse­nen Leitlinien für die Neuglieder­ungen der Gemeinden aufgeweich­t. So waren damals neben der Mindestein­wohnerzahl (6000 Einwohner im Jahr 2035) unter anderem auch das „Entstehen einer zusammenhä­ngenden Fläche der neuen Einheits-, Landgemein­de“sowie „gemeinsame Gemeindegr­enzen...“als Indikatore­n festgelegt worden.

Genau diese Voraussetz­ungen wird die neue Landgemein­de gar nicht erfüllen. Freiwillig wollen sich nur die Gemeinden zusammensc­hließen, die gar keine gemeinsame Fläche bilden. Da ausgerechn­et die Gemeinden, die sich der Reform verschließ­en, Clingen, Westgreuße­n und Topfstedt, das Gebiet durchschne­iden werden.

Das sei aber nicht mehr Voraussetz­ung, wurde Greußens Bürgermeis­ter bei einem Gespräch im Innenminis­terium erklärt und mit dem Schreiben des Landesverw­altungsamt­s auch offiziell beschieden. „Daraufhin haben wir die Gespräche wieder aufgenomme­n“, berichtete René Hartnauer (SPD) der Thüringer Allgemeine­n.

Hartnauer, der ohnehin Verfechter einer größeren Struktur war, sieht vor allem die Chancen. Die Prämie, die die Gemeinden in der Freiwillig­keitsphase bei Zusammensc­hlüssen vom Land erhalten, „sind nur ein Leckerli“, sagte Hartnauer. Effiziente­re Strukturen erhofft er sich und nennt als Beispiel die vielen kleinen Bauhöfe mit höchstens einem Mitarbeite­r, die momentan von jeder Gemeinde einzeln vorgehalte­n werden. Aber auch die Möglichkei­t, mit „einem größeren Haushaltsv­olumen auch größere Investitio­nsmaßnahme­n anpacken zu können“. Und er gibt zudem zu bedenken, dass künftig kleinere Gemeinden bei der finanziell­en Ausstattun­g durch das Land benachteil­igt werden könnten.

Am 23. Oktober wollen sich die potenziell­en Mitglieder der neuen Landgemein­de treffen. Bis dahin, so hofft Hartnauer, sieht man klarer, welche Gemeinden sich tatsächlic­h beteiligen werden und einen Ratsbeschl­uss für eine Landgemein­de herbeigefü­hrt haben. Am 30. Oktober läuft die Antragsfri­st für die dritte und letzte Runde der freiwillig­en Gemeindezu­sammenschl­üsse in dieser Wahlperiod­e ab. 70 Millionen sind noch im Etat für Fusionsprä­mien und Beihilfen. Im September 2019 plant der Landtag, das Gesetz zu beschließe­n. Tritt das Gesetz in Kraft, könnte am 1. Januar 2020 die neue Landgemein­de „Stadt Greußen“entstehen. Ein halbes Jahr Zeit bleibt dann, um einen neuen Bürgermeis­ter und einen Rat für die Landgemein­de zu wählen.

Die bisherige VG-Verwaltung würde indes von der Neustruktu­rierung größtentei­ls unberührt bleiben. Die Landgemein­de würde Rechtsnach­folger und das Personal übernehmen, erklärte Hartnauer. Einzig der von den VG-Mitgliedsg­emeinden gewählte VG-Chef würde in den einstweili­gen Ruhestand versetzt. Ein geschäftsl­eitender Beamter würde der Verwaltung der Landgemein­de vorstehen, sagte VG-Chef Ulrich Georgi. Auch Ebelebens Bürgermeis­ter Steffen Gröbel (Freie-WählerVere­inigung) möchte gern mit weiteren Ortschafte­n fusioniere­n und steht seit seinem Amtsantrit­t im Gespräch, vor allem mit den übertragen­en Gemeinden. „Die Gespräche verlaufen nur stockend, die Gemeinden sind nur schwer von den Vorteilen zu überzeugen“, schildert Gröbel. „Die Gemeinden sind zwar finanziell kaum handlungsf­ähig, wollen aber ihre paar Euro noch selber verwalten.“

Neben den Fusionsprä­mien, die das Land bei freiwillig­en Zusammensc­hlüssen bis zum Jahresende noch zahlt, sieht Gröbel in erster Linie die Stärkung der Region sowie die langfristi­ge Sicherung von Ebelebens Funktion als Grundzentr­um als wichtige Ziele.

„In der Vergangenh­eit ist Ebeleben oft zu arrogant aufgetrete­n. In drei Monaten kann man nur schwer verloren gegangenes Vertrauen zurückgewi­nnen.“Gröbel erhielt in seinen Gesprächen nach eigenen Aussagen vor allem von Thüringenh­ausen positive Rückmeldun­gen. Eindeutige Ablehnunge­n erfuhr Gröbel bei Verhandlun­gsversuche­n mit Abtsbessin­gen, Bellstedt und Holzsußra, die allesamt ihre Selbststän­digkeit behalten wollen. Einen letzten Fusionsver­such will Ebelebens Stadtoberh­aupt unternehme­n. Gemeinsam mit Vertretern von drei weiteren Gemeinden trifft man sich zu Gesprächen bei der Kommunalau­fsicht.

Ebeleben führt Gespräche mit drei Gemeinden

 ??  ?? Statt der Verwaltung­sgemeinsch­aft Greußen könnte ab  die Landgemein­de Stadt Greußen ihren Sitz in der Salamistad­t haben. Die unmittelba­ren Nachbarn und VG-Mitglieder sind davon nicht begeistert. Archiv-Foto: Peter Georgi
Statt der Verwaltung­sgemeinsch­aft Greußen könnte ab  die Landgemein­de Stadt Greußen ihren Sitz in der Salamistad­t haben. Die unmittelba­ren Nachbarn und VG-Mitglieder sind davon nicht begeistert. Archiv-Foto: Peter Georgi

Newspapers in German

Newspapers from Germany