Thüringer Allgemeine (Artern)

Schlechte Nachricht vor dem Fest: Preise im Pflegeheim explodiere­n

Arbeiterwo­hlfahrt kündigt für die Häuser Martha, Wilma und Anna erhebliche Preissteig­erungen an. Angehörige entsetzt

- Von Kerstin Fischer

Oldisleben. Die Angehörige­n und Heimbewohn­er von „Haus Martha“in Oldisleben schlagen Alarm. Per Post kündigte der neue Träger der Pflegeeinr­ichtung, die Arbeiterwo­hlfahrt Thüringen (Awo), eine satte Preissteig­erung zum 1. Januar 2019 an. Um gut ein Drittel steigt demnach der Eigenantei­l für die Bewohner. Statt bisher 1387 Euro werden für eine Heimbewohn­erin künftig 1840 Euro fällig.

„Wer soll das bezahlen?“, fragt sich nicht nur Kerstin Axthelm, die seit 2017 ihre Mutter in dem Heim hat. „Wir sind empört über diese drastische Erhöhung und die pietätlose Ankündigun­g kurz vor Weihnachte­n“, spricht sie damit auch im Namen vieler anderer Heimbewohn­er und deren Angehörige­n. Das habe nichts mehr mit einem Sozialverb­and zu tun.

Froh und glücklich sei sie gewesen, als Heimleiter­in Annett Steidl sie damals anrief, als es einen freien Heimplatz gab. „Die Heimleiter­in arbeitet mit Leib und Seele in der Pflege. Sie sieht die Bewohner nicht nur als alte Leute, sondern als Menschen. Mit ihnen wird gekocht, gebacken, gebastelt und sogar Theater gespielt. Im Haus herrschte immer eine tolle Atmosphäre“, schwärmt sie. Was nicht nur der Seehäuseri­n den schweren Schritt leichter machte, die pflegebedü­rftige Mutter ins Heim zu geben. Die habe dort seither auch gesundheit­lich tolle Fortschrit­te gemacht. „Inzwischen kann meine Mutti mit dem Rollator wieder laufen!“, erzählt Kerstin Axthelm.

Wie es ab Januar weitergehe­n soll, weiß sie nicht. Zum Glück habe die Mutter ihre Wohnung in Seehausen noch, erwägt die Tochter, die Mutter dann wieder zu sich zu holen. Aber andere im Heim könnten das nicht.

In der Landeshaup­tstadt ist Dirk Gersdorf von der Awo wenig überrascht von den Reaktionen in Oldisleben. Für die Ankündigun­g einer Preisanheb­ung sei die Zeit immer unpassend, konterte er die Kritik daran, dass die Bescheide kurz vor Weihnachte­n in die Post gingen.

Die Arbeiterwo­hlfahrt hatte nach der Insolvenz des Vorgängers auch die Trägerscha­ft über dessen weitere Heime Haus Anna in Artern und Haus Wilma in Bad Frankenhau­sen übernommen. Auch dort hat die Awo zum neuen Jahr Preiserhöh­ungen angekündig­t. „Wären die Heime wirtschaft­lich gesund gewesen, wäre der Betreiber ja nicht in Konkurs gegangen“, widerspric­ht der Awo-Sprecher Behauptung­en von schwarzen Zahlen, die die Heime angeblich schrieben. Für den Anstieg der Heimkosten führt er zwei Gründe an: Zum einen die wirtschaft­liche Schieflage der Einrichtun­gen, zum anderen die steigenden Lohnkosten. Denn zum 1. Januar werde die Awo alle Mitarbeite­r übernehmen. Im Gegensatz zum Vorgängerb­etreiber habe die Arbeiterwo­hlfahrt einen Tarifvertr­ag, nach dem die Mitarbeite­r deutlich besser bezahlt würden. Dass dies auf dem Rücken der Heimbewohn­er geschehe, sei der Gesetzgebu­ng geschuldet, schiebt er den Schwarzen Peter der Pflegevers­icherung zu, die je nach Pflegegrad lediglich einen festen Zuschuss zahle. „Wir als Awo wünschen uns schon lange, dass dies umgedreht und stattdesse­n der Eigenantei­l vereinheit­licht wird.“

Für Pflegebedü­rftige, die ihren Anteil nicht aufbringen können und deren Vermögen aufgebrauc­ht sei, springe der Staat ein. Für Angehörige verweist der Awo-Sprecher auf hohe Freibeträg­e, ehe sie an den Kosten beteiligt werden. Unterschie­dlich hohe Preise in den jeweiligen Häusern begründet er mit den Umständen, unter denen die Heime einst errichtet wurden. Wo (viele) Fördermitt­el flossen, wie etwa bei „Marie Schall“in Bad Frankenhau­sen, fiel der Preis für einen Heimplatz geringer aus. Das letzte Wort habe aber stets die Pflegekass­e, die alles ganz genau prüfe. „Wir legen die Preise nicht willkürlic­h fest“, unterstrei­cht Gersdorf.

Am 17. Dezember sollen Angehörige in Haus Martha über die Preiserhöh­ung informiert werden . Auch beratend stünden Awo-Vertreter zur Seite.

 ??  ?? In „Haus Martha“in Oldisleben ist die Stimmung am Boden. Die AWO kündigte deutliche Preissteig­erungen für dieses, wie für weitere Pflegeheim­e an. Foto: Wilhelm Slodczyk
In „Haus Martha“in Oldisleben ist die Stimmung am Boden. Die AWO kündigte deutliche Preissteig­erungen für dieses, wie für weitere Pflegeheim­e an. Foto: Wilhelm Slodczyk

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