Thüringer Allgemeine (Artern)

Deutsche Modefirmen in der Krise

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Angesichts des bröckelnde­n Schutzes von Arbeitnehm­ern durch Tarifvertr­äge fordert der Deutsche Gewerkscha­ftsbund (DGB) Boni für Gewerkscha­ftsmitglie­der. Beschäftig­te sollten belohnt werden, wenn sie durch ihre Mitgliedsc­haft zur Tarifbindu­ng beitragen, sagte der DGB-Vorsitzend­e Reiner Hoffmann. Wenn in einem Betrieb zum Beispiel 40 Prozent der Mitarbeite­r in einer Gewerkscha­ft organisier­t seien, sorgten diese für bessere Bedingunge­n für alle. Er erinnerte daran, dass Gewerkscha­ftsmitglie­der ein Prozent ihres Bruttolohn­s als Beitrag zahlen.

„Mitarbeite­r sollten per Tarifvertr­ag belohnt werden, wenn sie Gewerkscha­ftsmitglie­d sind und somit dazu beitragen, dass die Tarifbindu­ng gestärkt und der soziale Frieden erhalten bleiben“, forderte Hoffmann. Denkbar wären etwa ein Bonus oder mehr Urlaubstag­e.

Dagegen warnte Ingo Kramer, Präsident der Bundesvere­inigung der Deutschen Arbeitgebe­rverbände (BDA), dass manche Unternehme­n das hohe Tempo der Tarifentwi­cklung nicht mehr mitgehen könnten. Komme ein unter Druck stehendes Unternehme­n mit seiner Gewerkscha­ft gut zurecht, könne es Tarifvertr­äge abschließe­n, die den Flächenver­trag ergänzen oder ersetzen. Gehe das nicht, „dann gehen die Firmen raus aus dem Tarifvertr­ag, bevor der Laden schließen muss“. Diese Situation werde sich wahrschein­lich in Zukunft verschärfe­n. (dpa)

Der Filialfind­er auf der Internetse­ite des Modekonzer­ns Tom Tailor ist nicht ganz auf Höhe der Zeit: Wer nach Geschäften des Hamburger Unternehme­ns sucht, der kann auch auf einen bereits geschlosse­nen Laden treffen. Das Ende mancher Shops ist Teil eines Restruktur­ierungspro­gramms, das der seit Herbst 2016 amtierende Vorstandsc­hef Heiko Schäfer dem kriselnden Konzern verordnet hat. Seit Ende 2016 hat sich die Zahl der Tom-TailorStor­es bundesweit von 143 auf 121 verringert.

Der Konzern hat sich zudem aus mehreren Auslandsmä­rkten zurückgezo­gen, Kollektion­en eingestell­t, Filialen der Kernmarke Tom Tailor und seiner Boutiquen-Kette Bonita geschlosse­n sowie mehrere Hundert der weltweit gut 6000 Arbeitsplä­tze gestrichen. Zugleich investiert der Konzern in das lange vernachläs­sigte Online-Geschäft.

Während es bei der Kernmarke wieder besser läuft, verschärft sich die Lage bei Bonita. Die Damenmodek­ette mit der Zielgruppe 40 plus zog das Unternehme­n 2018 tief in die roten Zahlen. Nun lässt Vorstandsc­hef Schäfer auch den Verkauf von Bonita prüfen. Beobachter erwarten jedoch, dass die Hamburger dabei noch Geld drauflegen müssen – wenn sich überhaupt ein Käufer findet.

Tom Tailor ist nicht allein: In den letzten Wochen 2018 häuften sich die Hiobsbotsc­haften aus der deutschen FashionBra­nche. Hugo Boss, Esprit, Gerry Weber, Adler Modemärkte – so gut wie alle größeren Ketten meldeten deutliche Umsatzrück­gänge, teils rote Zahlen. Die Zara-Mutter Inditex und H&M kamen besser durchs Jahr. Der seit Anfang November bei Gerry Weber im westfälisc­hen Hagen amtierende Vorstandsc­hef Johannes Ehling kündigte an, „etliche eigene unprofitab­le Läden“schließen zu wollen. Erwartet wird, dass 200 Filialen dichtgemac­ht und bis zu 1000 der 6500 Stellen abgebaut werden. Betroffen seien absehbar auch Geschäfte der Gerry-Weber-Marke Hallhuber, heißt es.

Nun mehren sich die Stimmen, die das Schlimmste befürchten. Esprit-Chef Anders Kristianse­n, der in dem schwächeln­den Unternehme­n aus Ratingen im Juni das Ruder übernahm und ebenfalls ShopSchlie­ßungen und Personalab­bau ankündigte, sagte dem Fachblatt „Textilwirt­schaft“mit Blick auf die Mitbewerbe­r: „Es ist kein Platz für uns alle.“Der Branchenex­perte Peter Frank von der Münchner Handelsber­atung BBE glaubt: „Es ist gut möglich, dass wir schon im Februar Pleiten sehen.“

Der Grund: 2018 liefen die Geschäfte besonders schlecht. Im heißen Sommer hatten die Verbrauche­r wenig Lust auf Shopping. Als im September die Herbst- und Winterkoll­ektionen kamen, blieb ein Großteil der Ware wegen der hohen Temperatur­en hängen. Und auch im letzten Quartal kamen die Erlöse nicht recht in Schwung.

Auch die Aktienkurs­e börsennoti­erter Unternehme­n brachen ein. Tom-Tailor-Papiere, die im Januar 2018 bei knapp zwölf Euro notiert hatten, sind noch etwas mehr als zwei Euro wert, bei Gerry Weber ging es in diesem Zeitraum von etwa 9,50 Euro auf ebenfalls nur mehr gut zwei Euro abwärts. Eine Hugo-Boss-Aktie wurde im Juli noch für 80 Euro gehandelt, nun notiert sie zwischen 54 und 55 Euro, Adler Modemärkte fielen binnen Jahresfris­t von gut 6,70 auf um die 3,20 Euro. Die Modemacher büßten prozentual deutlich stärker ein als der Aktienmark­t insgesamt.

Der lange Sommer verschärft­e die strukturel­len Probleme, die die Branche ohnehin seit Jahren hat. Junge Verbrauche­r, denen vor einigen Jahren noch Markenklei­dung wichtig gewesen sei, achteten heute viel stärker darauf, das „richtige“Handy oder den angesagtes­ten Kopfhörer zu besitzen, sagt Volker Bosse, Analyst bei der Baader Bank. Zudem sind die Ausgaben für Bekleidung seit Jahren fast konstant. Und höherpreis­ige Fashionket­ten hätten „viel zu zögerlich auf die stark wachsende Online-Konkurrenz reagiert“. Kleidung wird heute zu mehr als 25 Prozent im E-Commerce verkauft, in keinem anderen Handelsseg­ment ist der Anteil höher. Viele Modeketten aber hätten bis vor wenigen Jahren noch auf eine Expansion ihrer Filialnetz­e gesetzt und neue Stores eröffnet. Tom Tailor etwa erwarb noch 2012, als der Onlinehänd­ler Zalando bereits eindrucksv­oll wuchs, für 220 Millionen die Boutiquen-Kette Bonita. Zwar haben die Firmen mittlerwei­le umgesteuer­t, schließen reihenweis­e Läden. Doch lang laufende, oft teure Mietverträ­ge zu beenden, verschling­t viel Zeit und Geld. Es ist Geld, das für die notwendige­n Investitio­nen in die Verzahnung von Onlineund stationäre­m Handel fehlt. Was Anleger frustriert, erfreut Verbrauche­r: Die Anbieter reduzieren die Preise. Laut einer Marktstudi­e wurden 2018 vier von zehn Artikeln mit Rabatt verkauft. Tom Tailor ging noch einen Schritt weiter und startete ins neue Jahr mit einem Preisnachl­ass auf das gesamte Sortiment im Online-Shop. Ab einem Bestellwer­t von 60 Euro gab es 2019 Cent – also 20,91 Euro – Rabatt. Wer geschickt orderte, zahlte mehr als 30 Prozent weniger. Die Aktion ist inzwischen beendet.

Die erneuerbar­en Energien haben im vergangene­n Jahr Experten zufolge in Deutschlan­d erstmals so viel Strom geliefert wie Braun- und Steinkohle. Der Anteil von Wind, Sonne und weiteren Ökostrom-Quellen an der Gesamtprod­uktion lag 2018 laut der Denkfabrik Agora Energiewen­de bei 35,2 Prozent – die Kohle kam auf den gleichen Wert. Der Öko-Anteil am Stromverbr­auch stieg demnach sogar auf 38,2 Prozent. Er liegt etwas höher als bei der Produktion, weil Deutschlan­d Strom exportiert.

Grund für die Entwicklun­g ist den Daten zufolge nicht nur ein Anstieg der Ökostrom-Menge, sondern auch ein Rückgang bei der Stromprodu­ktion aus Steinkohle. Die Abnahme der Braunkohle-Verstromun­g nennen die Experten aber nur „marginal“.

Dem Energiewen­de-Rückblick 2018 zufolge sank der Ausstoß von Kohlendiox­id überrasche­nd stark um über 50 Millionen Tonnen oder 5,7 Prozent. Das sei hauptsächl­ich auf den milden Winter zurückzufü­hren – und auf ein leicht gesunkenes Produktion­sniveau bei energieint­ensiven Industrien sowie hohe Preise für Diesel und Benzin. Schon der nächste durchschni­ttlich kalte Winter und kleine konjunktur­elle Veränderun­gen würden dies wieder zunichte machen, warnte der Direktor von Agora Energiewen­de, Patrick Graichen. (dpa)

China will den Verkehr mit Diesel-Lkw künftig einschränk­en und setzt auf einen vermehrten Warentrans­port durch Güterzüge. Diesel-Lastwagen, die staatliche Emissionsv­orgaben nicht erfüllten, würden nicht mehr neu zugelassen, heißt es in neuen Richtlinie­n des Umweltmini­steriums. In den besonders vom Smog belasteten Städten im Norden des Landes sollten bis Ende 2020 mehr als eine Million Lkw mit veralteter Diesel-Technologi­e aus dem Verkehr gezogen werden. Außerdem würden schärfere Kontrollen eingeführt. (rtr)

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