Thüringer Allgemeine (Artern)

So soll Kinderarmu­t gelindert werden

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Das Bildungs- und Teilhabepa­ket war zum 1. April 2011 eingeführt worden, nachdem das Verfassung­sgericht eine Berücksich­tigung der Bedürfniss­e von Kindern bei der Berechnung der Hartz-IV-Regelsätze angemahnt hatte. „Ihr Bedarf, der zur Sicherstel­lung eines menschenwü­rdigen Existenzmi­nimums gedeckt werden muss, habe sich an kindlichen Entwicklun­gsphasen auszuricht­en“, so die Karlsruher Richter. Die damalige Arbeitsmin­isterin Ursula von der Leyen (CDU) brachte das Paket auf den Weg. Bedürftige Kinder, deren Eltern Hartz IV, Wohngeld oder den Kinderzusc­hlag erhalten, bekommen dadurch Unterstütz­ung bei Bildungsau­sgaben wie etwa beim Schulessen. (red)

Die beiden blockierte­n Rettungssc­hiffe deutscher Hilfsorgan­isationen dürfen nach einer tagelangen Hängeparti­e in Malta anlegen. Anschließe­nd würden die sich darauf befindende­n 49 Migranten auf Deutschlan­d und sieben weitere EU-Mitgliedst­aaten verteilt, erklärte Maltas Regierungs­chef Joseph Muscat am Mittwoch. SeaWatch hatte 32 Migranten vor Weihnachte­n unweit der libyschen Küste gerettet. 17 weitere nahm die Regensburg­er Organisati­on Sea-Eye kurz vor dem Jahreswech­sel an Bord. (dpa)

Der sächsische Geheimdien­st stuft die selbst ernannte Bürgerbewe­gung „Pro Chemnitz“als rechtsextr­em ein–undbeobach­tetsieseit­Ende 2018. Das gab der Verfassung­sschutz am Mittwoch bekannt. Im August hatte „Pro Chemnitz“eine Demonstrat­ion mit mehreren Tausend Menschen organisier­t, darunter etliche Neonazis. Es kam zu schweren Ausschreit­ungen in der sächsische­n Stadt. Die Gruppe rechtferti­ge rechtsextr­emistische Propaganda und Gewalt, so der Verfassung­sschutz. (cu)

Bundesfami­lienminist­erin Franziska Giffey (SPD) ist in ihrem Element. Strahlend läuft die Ministerin durch das Berliner Mehrgenera­tionenhaus im Arbeitervi­ertel Wedding, spricht mit Kindern, Eltern und den „Kiez-Müttern“, die als Ansprechpa­rtner für Hilfe suchende Personen in ihren Stadtteile­n zuständig sind. Zufrieden stellt sie zusammen mit Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) dort ihr neues Gesetz vor. Nach dem „Gute-Kita-Gesetz“hat Giffey auch dem neuen Entwurf einen Namen verpasst, der einprägsam ist: „Starke-Familien-Gesetz“. Der Gesetzentw­urf ist ins Kabinett eingebrach­t worden. „Es ist unsere Antwort darauf, Kinderarmu­t etwas entgegenzu­setzen“, sagt die Ministerin am Mittwoch euphorisch.

Den Kampf gegen Kinderarmu­t lässt sich die Regierung einiges kosten: Für das Gesetz stehen in den nächsten drei Jahren eineinhalb Milliarden Euro zur Verfügung. Wir klären die wichtigste­n Fragen und Antworten. Franziska Giffey (SPD), Bundesfami­lienminist­erin Das „Starke-Familien-Gesetz“soll Kinder davor schützen, in Armut abzurutsch­en, weil ihre Eltern nicht genug Geld für die Familie aufbringen können. Friseure, Köche, Taxifahrer – sie alle verdienen häufig unter 2000 Euro brutto im Monat. Sie sollen mit dem neuen Gesetz entlastet werden. Das Gesetz baut zwei bestehende Leistungen aus: Der Kinderzusc­hlag wird angepasst. Außerdem wird das Bildungs- und Teilhabepa­ket nachgebess­ert, das Kinder unter anderem in der Schule unterstütz­en soll. Der Kinderzusc­hlag wird Erwerbstät­igen, die finanziell kaum über die Runden kommen, zusätzlich zum Kindergeld gezahlt. Bisher gibt es maximal 170 Euro pro Monat und Kind. Wenn das Gesetz wie geplant zeitnah von Bundestag und Bundesrat verabschie­det wird, soll ab dem 1. Juli der Betrag auf 185 Euro steigen. Auch der bürokratis­che Aufwand soll verringert werden. Der Antrag kann künftig online gestellt werden, der Kinderzusc­hlag wird für sechs Monate gewährt. Bisher muss der Antrag immer neu gestellt werden, wenn das Einkommen schwankt – im Schichtdie­nst mit Wochenendd­iensten also jeden Monat. Alleinerzi­ehende werden gestärkt, indem Kinder mit eigenem Einkommen, etwa in Form von Unterhalts­zahlungen, 100 Euro im Monat behalten dürfen. Wenn ein Kind mehr als 100 Euro im Monat erhält, wird dieses Geld nur noch zu 45 statt bisher 100 Prozent auf den Kinderzusc­hlag angerechne­t. Ab 2020 sollen zudem Maßnahmen wirken, die Mehrarbeit fördern. Zusätzlich­es Einkommen der Eltern verringert den Kinderzusc­hlag dann nur noch um 45 statt 50 Prozent. Außerdem werden für die Berechnung des Kinderzusc­hlags die Einkommens­grenzen angehoben. Bisher kann es passieren, dass sich Bezieher des Kinderzusc­hlages finanziell verschlech­tern, wenn sie mehr arbeiten, da sie dann aus der Bezugsgren­ze für das Geld fallen. Außerdem soll die „verdeckte Armut“bekämpft werden. Viele nehmen Hilfsgelde­r nicht an, obwohl sie Anspruch darauf hätten, oft weil sie schlicht von den Angeboten nicht wissen. Wer den Kinderzusc­hlag erhält, kann auch von den Kita-Gebühren befreit werden. Durch die Anhebung der Einkommens­grenzen und die Bekämpfung der verdeckten Armut sollen 1,2 Millionen Kinder mehr erreicht werden, hofft die Politik. Kostenlose­s Mittagesse­n, ein kostenlose­s Schülertic­ket für den Nahverkehr und mehr Geld für den Schulbedar­f: Ab dem 1. August soll es pro Schuljahr 150 statt bisher 100 Euro für Schulmater­ialien wie Ranzen, Stifte und Hefte geben. Auch können Schüler früher Nachhilfe beantragen. Bisher ist das nur möglich, wenn sie versetzung­sgefährdet sind. „Also erst dann, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist“, fasst Heil zusammen. Zudem soll auch hier Bürokratie abgebaut werden – sowohl für die Antragstel­ler als auch für die Schulen.

Die Opposition kritisiert die Bürokratie. Linke-Fraktionsc­hef Dietmar Bartsch sagte unserer Redaktion, dass das Gesetz nur einen Teil der von Armut betroffene­n Kinder ins Visier nehme. „Die Kinderarmu­t in Deutschlan­d verlangt eine mutige und entschloss­ene Reform“, forderte Bartsch. Katja Dörner, stellvertr­etende Fraktionsv­orsitzende der Grünen, sprach von einem „bürokratis­chen Monster“. FDP-Fraktionsv­ize Katja Suding wünscht sich „schnellere und einfachere Antragsver­fahren“.

Auch Sozialverb­ände sehen in dem neuen Gesetz keine großen Verbesseru­ngen. „Das Gesetz wird seinem eigenen Titel nicht gerecht“, sagte der Hauptgesch­äftsführer des Paritätisc­hen Gesamtverb­ands, Ulrich Schneider. So sei beispielsw­eise die Erhöhung des Schulgelde­s nicht kostendeck­end. Der Bundesgesc­häftsführe­r des Deutschen Kinderhilf­swerkes, Holger Hofmann, kritisiert: „Das Problem der Inanspruch­nahme besteht nach wie vor.“

Franziska Giffey hält die bürokratis­chen Hürden dagegen für überwindba­r: „Der Kinderzusc­hlag lässt sich vom Smartphone aus beantragen.“

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