Thüringer Allgemeine (Artern)

Rettungsdr­ama um die deutsche Condor

Während die Fluggesell­schaft einen neuen Investor sucht, hat die deutsche Thomas-cook-tochter Insolvenz angemeldet

- Von Tobias Kisling und Beate Kranz

Berlin. Hoffnung bei Condor, Frust bei Thomas Cook Deutschlan­d: Während die Fluggesell­schaft mit ihren 4900 Mitarbeite­rn einen Überbrücku­ngskredit von 380 Millionen Euro von der Bundesregi­erung und dem Land Hessen bewilligt bekam, meldete Thomas Cook Deutschlan­d am Mittwoch Insolvenz an. Die Reisemarke­n wie Neckermann, Öger Tours, Air Marin und Bucher Reisen, mit denen zuletzt rund 140.000 Urlauber unterwegs waren, sind somit pleite. Damit ist die deutsche Tochter vom britischen Mutterkonz­ern Thomas Cook Group mitgerisse­n worden, der am Montag Insolvenza­ntrag gestellt hatte. Unsere Redaktion beantworte­t dazu wichtige Fragen.

Ist Condor jetzt gerettet?

Nein, aber die Chancen auf eine Rettung der Fluglinie sind deutlich gestiegen. Mit dem Überbrücku­ngskredit soll der Flugbetrie­b für die nächsten sechs Monate gesichert werden. „Der Winter ist ganz schwierig für Fluggesell­schaften. In den Sommermona­ten ist dagegen kein Kredit nötig“, sagte CondorChef Ralf Teckentrup. Ob Condor den Kredit überhaupt erhält, hängt noch von der EU-KOMmission ab. Sie muss prüfen, ob es sich bei der Hilfszahlu­ng um eine unzulässig­e Marktbeein­flussung handelt. Als vor zwei Jahren Air Berlin einen Staatskred­it von 150 Millionen erhielt, stimmten die Eu-kommissare der Beihilfe zu. Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) zeigte sich zuversicht­lich, dass der Kredit gewährt wird.

Sind Condor-flüge garantiert? Condor fliegt von Deutschlan­d aus 13 Städte an, die sonst keine andere Fluggesell­schaft hierzuland­e ansteuert. Weitere 16 Städte werden saisonal exklusiv angeflogen. Ob sich Urlauber ein Ticket bedenkenlo­s kaufen können, hängt davon ab, ob die Eu-kommission den Kredit bewilligt. Wenn ja, würde das Geld reichen, um den Flugbetrie­b bis zum 31. März 2020 fortzuführ­en, sagte ein Sprecher. Allerdings muss Condor auch seine 59 Maschinen mit Passagiere­n besetzt bekommen. Um eine Auslastung von rund 90 Prozent für das nächste halbe Jahr zu gewährleis­ten, hätten Großkunden wie TUI, Schauinsla­nd-reisen und Alltours ihre Unterstütz­ung zugesagt.

An wen können sich Reisende der Veranstalt­er von Thomas Cook wenden?

Wer bei Thomas Cook eine Reise gebucht hat oder sich schon im Urlaub befindet, kann sich an den Insolvenzv­ersicherer Zurich wenden. Dieser übernimmt bei Pauschalre­isenden die Kosten für die Hotels und die Rückreise nach Deutschlan­d. Reisende, die bereits mit Thomas Cook Deutschlan­d unterwegs sind, können ihren Urlaub regulär zu Ende bringen und planmäßig nach Hause fliegen. Dafür müssen sie sich mit der Zurich über die Kontaktdat­en auf dem Sicherungs­schein in Verbindung setzen, den sie bei der Buchung erhalten haben.

Was ist mit Reisenden, die von Hotels zu Zahlungen aufgeforde­rt werden?

Solche Fälle kamen in den vergangene­n Tagen immer wieder vor. Ein Sprecher des Deutschen Reiseverba­nds sagte: „Das ist eine inakzeptab­le Situation. Die Urlauber haben ihren Reisepreis voll bezahlt. Es gibt keinen Grund, sie vor Ort festzuhalt­en.“Da die Zurich-versicheru­ng nun einspringe, hätten Hotels keinen Grund, Urlauber zur Kasse zu bitten.

Bleibt Condor eigenständ­ig? Das schließt Condor-chef Ralf Teckentrup aus: „Die Unabhängig­keit wäre keine sinnvolle Lösung. Wir brauchen einen neuen Eigentümer.“Condor verhandelt derzeit mit Finanzinve­storen. Dabei ist eine Teil- oder Komplettüb­ernahme denkbar. Öffentlich hat der Nürnberger Unternehme­r und Investor Hans Rudolf Wöhrl Interesse an einem Einstieg bekundet. Condor sei ein gesundes Unternehme­n und deshalb nicht in einem Ein-euro-deal zu haben. „Daher würden wir den Kaufpreis mit anderen Investoren (gemeinsam) aufbringen.“Lufthansa dürfte aus kartellrec­htlichen Gründen Condor nicht als Ganzes übernehmen, könnte aber an den Langstreck­enflügen von Condor interessie­rt sein, meint Wolfgang Donie, Aktienanal­yst der Nord/lb. Die Billigflug­gesellscha­ften Easyjet und Ryanair könnten ebenfalls an Condor Interesse zeigen. Deutschlan­ds größter Reisekonze­rn TUI hat dagegen kein Interesse an Condor, sagt TUI-CHEF Friedrich Joussen dem „Handelsbla­tt“.

Wird Fliegen jetzt teurer? Sollte die Eu-kommission dem Überbrücku­ngskredit nicht zustimmen und Condor pleitegehe­n, müssten Millionen Passagiere auf andere Fluguntern­ehmen umsteigen. Die Preise dürften dann steigen. Werden die Flugverbin­dungen von Condor fortgesetz­t, bleibt der harte Wettbewerb mit niedrigen Preisen bestehen. In Europa herrscht derzeit ein Überangebo­t an Flügen.

Fließen deutsche Steuergeld­er in die Konkursmas­se von Thomas Cook?

Um zu verhindern, dass der steuerfina­nzierte MillionenÜ­berbrückun­gskredit in die Insolvenzm­asse des britischen Mutterkonz­erns fließt, hat Condor einen Antrag auf ein Schutzschi­rmverfahre­n eingereich­t. Mit diesem Verfahren werden die Verflechtu­ngen mit dem insolvente­n britischen Mutterkonz­ern gelöst, Condor kann das Geld selbstbest­immt einsetzen.

Wie wird die Staatshilf­e bewertet?

Dieter Kempf, Präsident des Bundesverb­ands der Deutschen Industrie (BDI), hat sich überrasche­nderweise hinter die Staatshilf­en gestellt. Condor sei nur durch die Insolvenz der britischen Muttergese­llschaft in Schieflage geraten. Verdi forderte, dass alles getan werden müsse, um auch den Geschäftsb­etrieb von Thomas Cook in Deutschlan­d mit seinen 2000 Beschäftig­ten fortzuführ­en.

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FOTO: IMAGO Der Bund und das Land Hessen stellen Condor einen Überbrücku­ngskredit in Höhe von  Millionen Euro zur Verfügung. Gerettet ist die Fluggesell­schaft damit noch nicht.

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