Thüringer Allgemeine (Artern)

Drei Frauen, ein Mörder und kein Inspektor

Einsamkeit, Sehnsucht, Grausamkei­t: Daraus hat Israels Krimi-star Dror Mishani einen Bestseller gemixt

- Von Thomas Burmeister

Warum gibt es nur vergleichs­weise wenige Krimis aus Israel? Als Dror Mishani 2011 seinen ersten Detektivro­man „Vermisst“veröffentl­ichte, legte er seinem Inspektor Avi Avraham diese Antwort in den Mund: „Es gibt bei uns keine Serienmörd­er, keine Entführung­en und so gut wie keine Sexualstra­ftäter, die auf der Straße über Frauen herfallen.“

Schon damals war rasch klar, dass diese Behauptung in die Abteilung „große Irrtümer von Detektiven“gehörte. Drei Avraham-krimis später hat Literaturp­rofessor Mishani – er lehrt Geschichte der Kriminalli­teratur an der Universitä­t Tel Aviv – einen Thriller vorgelegt, der es an gnadenlose­r Mordlust mit jedem Skandinavi­en-schocker aufnehmen kann.

Monatelang hielt sich Mishanis „Drei“2018 auf dem Spitzenpla­tz der israelisch­en Bestseller­liste. „Es gibt einen Hype rings um ,Drei’ als wäre das die sechste Staffel von ,Game of Thrones’“, konstatier­te die Zeitung „Yedioth Ahronot“und fügte hinzu: „Dieser Hype ist wohlverdie­nt.“

Ist das dann überhaupt noch ein Krimi oder eher eine Art Gesellscha­ftsdrama, in man viel über das Leben in Tel Aviv erfährt und in dem halt auch getötet wird? Erklärungs­versuche bergen hier das Problem, dass man leicht zu viel verraten und den unerwartet­en Schluss vorwegnehm­en könnte, was schade wäre.

Geschriebe­n hat er sein Werk weitestgeh­end aus der Perspektiv­e der Frauen, die alle demselben Mann begegnen. Orna sucht Trost, vielleicht gar eine neue Liebe auf einer Dating-plattform für Geschieden­e. Emilia sucht die Hilfe eines mitfühlend­en Anwalts, als ihr Strafverfo­lgung und Abschiebun­g nach Lettland drohen. Und Ella sucht ein wenig Abwechslun­g vom Familienle­ben ihrem mit Mann und den drei Kindern – jedenfalls scheint es lange so. Drei Frauen und ein Mann. Ein gerüttelt Maß an emotionale­r Grausamkei­t. Und diesmal weit und breit kein Inspektor Avraham. Auch ohne ihn schafft es Mishani, die Spannung bis zum Finale aufrechtzu­halten. Brauchte er eine Pause von seinem Detektiv? Nein, sagt Mishani. Er habe einfach mal ein literarisc­hes Abenteuer und zugleich ein literarisc­hes Experiment gebraucht. Soviel steht fest: Es ist gelungen. (dpa)

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