Drei Frauen, ein Mörder und kein Inspektor
Einsamkeit, Sehnsucht, Grausamkeit: Daraus hat Israels Krimi-star Dror Mishani einen Bestseller gemixt
Warum gibt es nur vergleichsweise wenige Krimis aus Israel? Als Dror Mishani 2011 seinen ersten Detektivroman „Vermisst“veröffentlichte, legte er seinem Inspektor Avi Avraham diese Antwort in den Mund: „Es gibt bei uns keine Serienmörder, keine Entführungen und so gut wie keine Sexualstraftäter, die auf der Straße über Frauen herfallen.“
Schon damals war rasch klar, dass diese Behauptung in die Abteilung „große Irrtümer von Detektiven“gehörte. Drei Avraham-krimis später hat Literaturprofessor Mishani – er lehrt Geschichte der Kriminalliteratur an der Universität Tel Aviv – einen Thriller vorgelegt, der es an gnadenloser Mordlust mit jedem Skandinavien-schocker aufnehmen kann.
Monatelang hielt sich Mishanis „Drei“2018 auf dem Spitzenplatz der israelischen Bestsellerliste. „Es gibt einen Hype rings um ,Drei’ als wäre das die sechste Staffel von ,Game of Thrones’“, konstatierte die Zeitung „Yedioth Ahronot“und fügte hinzu: „Dieser Hype ist wohlverdient.“
Ist das dann überhaupt noch ein Krimi oder eher eine Art Gesellschaftsdrama, in man viel über das Leben in Tel Aviv erfährt und in dem halt auch getötet wird? Erklärungsversuche bergen hier das Problem, dass man leicht zu viel verraten und den unerwarteten Schluss vorwegnehmen könnte, was schade wäre.
Geschrieben hat er sein Werk weitestgehend aus der Perspektive der Frauen, die alle demselben Mann begegnen. Orna sucht Trost, vielleicht gar eine neue Liebe auf einer Dating-plattform für Geschiedene. Emilia sucht die Hilfe eines mitfühlenden Anwalts, als ihr Strafverfolgung und Abschiebung nach Lettland drohen. Und Ella sucht ein wenig Abwechslung vom Familienleben ihrem mit Mann und den drei Kindern – jedenfalls scheint es lange so. Drei Frauen und ein Mann. Ein gerüttelt Maß an emotionaler Grausamkeit. Und diesmal weit und breit kein Inspektor Avraham. Auch ohne ihn schafft es Mishani, die Spannung bis zum Finale aufrechtzuhalten. Brauchte er eine Pause von seinem Detektiv? Nein, sagt Mishani. Er habe einfach mal ein literarisches Abenteuer und zugleich ein literarisches Experiment gebraucht. Soviel steht fest: Es ist gelungen. (dpa)