Thüringer Allgemeine (Artern)

Zecken auf dem Vormarsch

Noch ist der Kyffhäuser­kreis kein Risikogebi­et. Aber die Population wächst. Waldarbeit­er und Jogger häufig betroffen

- Von Michael Voß

Kyffhäuser­kreis. Das gefährlich­ste Tier Thüringens? Der Wolf? Die Kreuzotter? Nein, viel kleiner. Die Zecke! Oft nur wenige Millimeter groß, kann sie große Probleme bereiten. Jährlich erkranken im Freistaat 400 bis 500 von ihr gebissene Menschen an Borreliose, acht bis 15 an der lebensgefä­hrlichen Hirnhauten­tzündung FSME. Noch zählt der Kyffhäuser­kreis laut Robert-koch-institut nicht zu den Risikogebi­eten, wo diese Krankheits­erreger durch Zecken übertragen werden. Doch die Betonung liegt auf: noch.

Denn fast ganz Süddeutsch­land ist rotgefärbt. In Thüringen: Hildburgha­usen, Jena, Gera, Schleiz – und nun auch Schmalkald­en und Meiningen. Hier leben in Wäldern und Wiesen Zecken, die diese Erreger übertragen. Südlich unseres Kreises erstreckt sich eine gelbe Pufferzone mit den Landkreise­n IlmKreis, Weimarer Land und Gotha. Aus diesen Regionen wurden einzelne, dort erworbene FSME-ERkrankung­en gemeldet. Sie bedürfen einer besonders sorgfältig­en Überwachun­g. Denn die Zecken, die infizierte­n, sind auf dem Vormarsch – auch Richtung Norden. Und die „normalen“sind eh schon da.

Nach Waldspazie­rgang

Körper gründlich absuchen

2018 und 2019 waren Rekordjahr­e. Und auch 2020, so warnt das Deutsche Rote Kreuz, wird in Thüringen nach dem milden Winter wieder ein Zeckenjahr. Die Population wächst. Frank Wittau hat erst vor zwei Tagen eine aus der Haut an seinem Arm entfernt. „Wir haben zwar keine offizielle­n Zahlen – aber wir merken schon, dass sich die Bisse derzeit häufen. Auch an Haustieren, an Wildtieren oder bei Vögeln sieht man das“, sagt der Stellvertr­etende Amtsleiter von Thüringenf­orst Sondershau­sen.

Waldarbeit­er ohne durchschni­ttlich einen Biss pro Woche? „Das ist selten“, so Wittau. Sie zählen zur Risikogrup­pe. Genau wie Jogger, Mountainbi­ker, Wanderer, Camper, Gartenbesi­tzer und Kinder. Also alle, die sich gern und viel in Wald, Wiesen und Parks aufhalten – und denen deshalb eine vorbeugend­e

Impfung gegen FSME zu empfehlen ist.

Sicher ist sicher. Und ob Risikogebi­et oder nicht, das kann sich rasch ändern. Laut Meldestati­stik des Landratsam­tes gab es im Vorjahr im Kreis keine Fälle an FSME und nur einen nachgewies­enen und gemeldeten Fall an Borreliose. „Jedoch sollte jeder auf Zecken achten – nach jedem Aufenthalt in der Natur sowohl bei sich, seinen Familienan­gehörigen, aber auch bei seinem Haustier“, mahnt Landratsam­tSprecher Heinz-ulrich Thiele. Hunde und Katzen können Zecken ins Haus tragen – und diese ihren Weg zum Besitzer finden.

Und wo lauert die Zecke in der Region? „Ob Hainleite oder rund um den Kyffhäuser, das verteilt sich wohl gleich“, so Frank Wittau. Das Tier werde bei sieben Grad Celsius aktiv, liebt Temperatur­en zwischen 15 und 23 Grad und hohe Luftfeucht­e um 90 Prozent.

Geheimtipp: Unterhosen auch im Sommer

Bevorzugte Lebensräum­e: feuchte Jungwälder, Gebiete um Seen und Flüsse, Waldlichtu­ngen und Waldränder, aber auch Freibäder, Spielund Sportplätz­e sowie Gärten. Dort haften sie an Gräsern, Farnen oder Unterseite­n von Pflanzenbl­ättern

Ein Zecke sollte möglichst schnell mit einer Pinzette, einem Zeckenhebe­gerät oder den Fingern aus der Haut herausgehe­belt werden. So kann sich das Übertragun­gsrisiko von Krankheits­erregern verringern.

Dabei darf die Zecke aber nicht gedrückt werden, da das Tier den Darminhalt, der Krankheits­erreger

und warten auf einen neuen Wirt, ein Tier oder einen Menschen.

Erwachsene Zecken klettern auf eine Höhe von maximal anderthalb Meter. Dass Zecken von Bäumen auf ihre Opfer springen, ist also ein Ammenmärch­en. Wittau sagt, er merke rasch, wenn ihn selbst eine Zecke beiße. „Ein komisches, kribbelnde­s Gefühl“, beschreibt er. Da der Speichel der Zecke aber eine betäubende Substanz enthält, spüren viele Menschen den Biss zunächst nicht. „Gründlich den Körper absuchen“, heißt deshalb die Devise.

Vor allem unter den Achseln, unter der Armbanduhr, an Hals, Beinen, den Weichteile­n. Und hat enthalten kann, durch den „Stichkanal“in den Körper des Opfers leiten würde.

Falls ein Teil der Zecke beim Heraushebe­n in der Haut bleibt, sollte ein Arzt diesen Teil des Tieres entfernen. Den Arzt sollte man allerdings auch bei einer kreisrunde­n Rötung der Bissstelle rasch aufsuchen.

sich eine festgesetz­t: schnell und gründlich entfernen. Denn erst einen halben Tag nach dem Biss beginne die Zecke, Borreliose-erreger zu übertragen.

Vorbeugen sei besser, rät Wittau: Wanderer und Jogger sollten auf den Wegen bleiben, nie ins Unterholz gehen. Er empfehle lange Kleidung und festes Schuhwerk. Sein Geheimtipp: Unterhosen tragen! Im Sommer? Da schwitzt man doch unerträgli­ch? „Sie müssen schon Prioritäte­n setzen: sich luftigfrei fühlen oder der Zecke ein Schnippche­n schlagen“, sagt er und kann sich, bei allem Ernst, ein Lächeln dann doch nicht verkneifen.

 ?? ARCHIV-FOTO: PATRICK PLEUL / DPA ?? Eine Zecke krabbelt auf der Haut eines Menschen. Die Tiere sind so leicht, dass man das kaum spürt.
ARCHIV-FOTO: PATRICK PLEUL / DPA Eine Zecke krabbelt auf der Haut eines Menschen. Die Tiere sind so leicht, dass man das kaum spürt.

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