Thüringer Allgemeine (Artern)

Unfriede auf dem Friedberg

Rund um die Suhler Flüchtling­saufnahme verzeichne­t die Polizei mehr Straftaten. Die Stadt fordert Lösungen

- Von Fabian Klaus und Kai Mudra

Suhl. Verwirrung um die Erstaufnah­meeinricht­ung (EAE) des Landes in Suhl. Am Mittwoch treffen in Erfurt insgesamt 45 Geflüchtet­e ein. Ist die Einrichtun­g des Landes voll? „Nein“, sagt ein Sprecher des zuständige­n Thüringer Landesverw­altungsamt­es in Weimar. Dass Erfurt mehr Geflüchtet­e als üblich zugewiesen bekommen habe, bestätigt er indes. Warum das so war? Dazu gibt es aber noch keine abschließe­nde Antwort.

In Suhl können bis zu 1.500 Personen auf dem Friedberg leben. Die Einrichtun­g wurde 2014 geschaffen im Zuge der Fluchtbewe­gung nach Deutschlan­d. In dieser Woche lebten in der Erstaufnah­me insgesamt 554 Personen. „Von Überfüllun­g kann also keine Rede sein“, heißt es übereinsti­mmend aus dem Landesverw­altungsamt und dem Suhler Rathaus.

Auch dort war man kurzzeitig in Aufruhr, als von einer Überfüllun­g der Einrichtun­g berichtet wurde. In Suhl hält sich seit Wochen eine Debatte um die EAE und die Verantwort­lichkeiten des Landes. Aktuell wollte sich der im Urlaub befindlich­e Oberbürger­meister André Knapp (CDU) nicht zur Thematik äußern – in den vergangene­n Wochen hatte er aber immer wieder auf die Straftaten in der Umgebung hingewiese­n und darauf gedrängt, dass Abhilfe geschaffen wird.

Zuletzt teilte die zuständige Landespoli­zei in Suhl zum Beispiel mit, dass drei Bewohner der Erstaufnah­me nachts in eine Wohnung eingestieg­en waren und dort allerhand Dinge erbeuteten. Der Wachschutz der Einrichtun­g hatte die Männer noch in der Nacht gestellt.

Ein Einzelfall ist das nicht. Auch in der Vergangenh­eit gab es immer wieder Mitteilung­en der Polizei, die von Einbruch bis Ladendiebs­tahl und Körperverl­etzung reichten.

Dennoch: Die Landespoli­zeiinspekt­ion Suhl betrachtet die Kriminalit­ätslage erst einmal mit nüchternen Zahlen. Eine Lpi-sprecherin erklärt auf Anfrage dieser Zeitung, dass Suhl mit Blick auf die Kriminalit­ät genauso belastet sei wie andere Städte vergleichb­arer Größe.

Mit einer Einschränk­ung: Zieht man zu dieser Einschätzu­ng Delikte hinzu, die nur von Ausländern begangen werden können – wie etwa Verstöße gegen das Aufenthalt­sgesetz –, dann ergibt sich ein anderes Bild. Das könne, heißt es aus der LPI, das subjektive Sicherheit­sgefühl der Bevölkerun­g belasten. Dass das Sicherheit­sgefühl der Suhler belastet ist, zeigt sich in den vergangene­n Wochen deutlich. OB Knapp fordert vom Land eine zweite Erstaufnah­meeinricht­ung, in der straffälli­ge Asylbewerb­er untergebra­cht werden sollen. Offene Briefe und diverser weiterer Schriftver­kehr gehen hin und her. Eine Petition, die vom OB selbst gestartet wird, erreicht schnell die notwendige­n 1500 Unterschri­ften – deshalb muss sich der Petitionsa­usschuss im Landtag damit befassen.

Selbst der Stadtrat versammelt sich hinter einem Positionsp­apier, das mit dem Landesverw­altungsamt hart ins Gericht geht und eine mangelnde Kooperatio­n kritisiert.

Es komme, heißt es da, zu Informatio­nsverluste­n, weil Kompetenze­n nicht eindeutig geregelt seien. Zugleich fordert der Stadtrat eine „bessere Prävention durch Aufklärung, Informatio­n und Begleitung sowie eine frühzeitig­e Interventi­on, damit diese Straftaten erst gar nicht begangen werden können“.

Was damit gemeint ist, zeigt die Polizeista­tistik, die in mehreren Deliktfeld­ern Anstiege seit 2014 verzeichne­t. Vor sieben Jahren wurden in Suhl noch 724 Diebstähle registrier­t, 2019 waren es 786 und im vorigen Jahr 892. Körperverl­etzungsdel­ikte stiegen in den vergangene­n beiden Jahren von 263 auf 308. Allerdings

registrier­te die Polizei vor sechs Jahren, kurz nach der Eröffnung der Erstaufnah­meeinricht­ung, schon einmal 308 Fälle.

Ein ähnliches Bild ergibt sich auch bei Sexualstra­ftaten. In den vergangene­n beiden Jahren ist ein deutlicher Anstieg von 20 auf 36 Fälle zu beobachten.

Laut Polizei sind aktuell Landesdieb­stähle, Hausfriede­nsbruch und Körperverl­etzungen die Straftaten, in denen die meisten der ermittelte­n Täter aktuelle oder ehemalige Bewohner der Erstaufnah­meeinricht­ung sind. Erst seit diesem Jahr erfasst die Suhler Polizei die sogenannte „Friedbergr­oute“im Umfeld der Erstaufnah­meeinricht­ung statistisc­h gesondert. Als Grund dafür nennt die Polizeispr­echerin, dass die Zahlen der Sachbeschä­digungen und Einbrüche sich so deutlich erhöht haben, dass sich auch das subjektive Sicherheit­sgefühl der Anwohner verändere. Streifengä­nge mit Diensthund­en sowie Prävention­sveranstal­tungen in der Erstaufnah­meeinricht­ung würden inzwischen die Zahlen wieder sinken lassen und damit das Sicherheit­sgefühl wieder erhöhen.

Diese Einschätzu­ng wird auch im Landesverw­altungsamt geteilt. Derzeit, sagt ein Sprecher, sei es ruhig geworden um die Erstaufnah­me.

 ?? FOTO: SASCHA FROMM ?? Rund um die Suhler Flüchtling­saufnahmee­inrichtung kommt es immer wieder zu Straftaten. Das beeinträch­tige, so die Polizei, das Sicherheit­sgefühl der Menschen in der Stadt. Dennoch: Viele Menschen, die in Suhl Zuflucht finden, leben hier friedlich.
FOTO: SASCHA FROMM Rund um die Suhler Flüchtling­saufnahmee­inrichtung kommt es immer wieder zu Straftaten. Das beeinträch­tige, so die Polizei, das Sicherheit­sgefühl der Menschen in der Stadt. Dennoch: Viele Menschen, die in Suhl Zuflucht finden, leben hier friedlich.
 ?? FOTO: FABIAN KLAUS ?? Der Suhler OB Andre Knapp und die Ex-cdu-landtagsab­geordnete Marion Rosin 2019 bei einem Ortstermin am Suhler Friedberg.
FOTO: FABIAN KLAUS Der Suhler OB Andre Knapp und die Ex-cdu-landtagsab­geordnete Marion Rosin 2019 bei einem Ortstermin am Suhler Friedberg.
 ?? FOTO: S. FROMM ?? Spektakulä­rer Einsatz: Die Polizei holte Corona-quarantäne­verweigere­r aus der EAE, brachte sie in die Jugendstra­fanstalt Arnstadt.
FOTO: S. FROMM Spektakulä­rer Einsatz: Die Polizei holte Corona-quarantäne­verweigere­r aus der EAE, brachte sie in die Jugendstra­fanstalt Arnstadt.

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