Unfriede auf dem Friedberg
Rund um die Suhler Flüchtlingsaufnahme verzeichnet die Polizei mehr Straftaten. Die Stadt fordert Lösungen
Suhl. Verwirrung um die Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) des Landes in Suhl. Am Mittwoch treffen in Erfurt insgesamt 45 Geflüchtete ein. Ist die Einrichtung des Landes voll? „Nein“, sagt ein Sprecher des zuständigen Thüringer Landesverwaltungsamtes in Weimar. Dass Erfurt mehr Geflüchtete als üblich zugewiesen bekommen habe, bestätigt er indes. Warum das so war? Dazu gibt es aber noch keine abschließende Antwort.
In Suhl können bis zu 1.500 Personen auf dem Friedberg leben. Die Einrichtung wurde 2014 geschaffen im Zuge der Fluchtbewegung nach Deutschland. In dieser Woche lebten in der Erstaufnahme insgesamt 554 Personen. „Von Überfüllung kann also keine Rede sein“, heißt es übereinstimmend aus dem Landesverwaltungsamt und dem Suhler Rathaus.
Auch dort war man kurzzeitig in Aufruhr, als von einer Überfüllung der Einrichtung berichtet wurde. In Suhl hält sich seit Wochen eine Debatte um die EAE und die Verantwortlichkeiten des Landes. Aktuell wollte sich der im Urlaub befindliche Oberbürgermeister André Knapp (CDU) nicht zur Thematik äußern – in den vergangenen Wochen hatte er aber immer wieder auf die Straftaten in der Umgebung hingewiesen und darauf gedrängt, dass Abhilfe geschaffen wird.
Zuletzt teilte die zuständige Landespolizei in Suhl zum Beispiel mit, dass drei Bewohner der Erstaufnahme nachts in eine Wohnung eingestiegen waren und dort allerhand Dinge erbeuteten. Der Wachschutz der Einrichtung hatte die Männer noch in der Nacht gestellt.
Ein Einzelfall ist das nicht. Auch in der Vergangenheit gab es immer wieder Mitteilungen der Polizei, die von Einbruch bis Ladendiebstahl und Körperverletzung reichten.
Dennoch: Die Landespolizeiinspektion Suhl betrachtet die Kriminalitätslage erst einmal mit nüchternen Zahlen. Eine Lpi-sprecherin erklärt auf Anfrage dieser Zeitung, dass Suhl mit Blick auf die Kriminalität genauso belastet sei wie andere Städte vergleichbarer Größe.
Mit einer Einschränkung: Zieht man zu dieser Einschätzung Delikte hinzu, die nur von Ausländern begangen werden können – wie etwa Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz –, dann ergibt sich ein anderes Bild. Das könne, heißt es aus der LPI, das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung belasten. Dass das Sicherheitsgefühl der Suhler belastet ist, zeigt sich in den vergangenen Wochen deutlich. OB Knapp fordert vom Land eine zweite Erstaufnahmeeinrichtung, in der straffällige Asylbewerber untergebracht werden sollen. Offene Briefe und diverser weiterer Schriftverkehr gehen hin und her. Eine Petition, die vom OB selbst gestartet wird, erreicht schnell die notwendigen 1500 Unterschriften – deshalb muss sich der Petitionsausschuss im Landtag damit befassen.
Selbst der Stadtrat versammelt sich hinter einem Positionspapier, das mit dem Landesverwaltungsamt hart ins Gericht geht und eine mangelnde Kooperation kritisiert.
Es komme, heißt es da, zu Informationsverlusten, weil Kompetenzen nicht eindeutig geregelt seien. Zugleich fordert der Stadtrat eine „bessere Prävention durch Aufklärung, Information und Begleitung sowie eine frühzeitige Intervention, damit diese Straftaten erst gar nicht begangen werden können“.
Was damit gemeint ist, zeigt die Polizeistatistik, die in mehreren Deliktfeldern Anstiege seit 2014 verzeichnet. Vor sieben Jahren wurden in Suhl noch 724 Diebstähle registriert, 2019 waren es 786 und im vorigen Jahr 892. Körperverletzungsdelikte stiegen in den vergangenen beiden Jahren von 263 auf 308. Allerdings
registrierte die Polizei vor sechs Jahren, kurz nach der Eröffnung der Erstaufnahmeeinrichtung, schon einmal 308 Fälle.
Ein ähnliches Bild ergibt sich auch bei Sexualstraftaten. In den vergangenen beiden Jahren ist ein deutlicher Anstieg von 20 auf 36 Fälle zu beobachten.
Laut Polizei sind aktuell Landesdiebstähle, Hausfriedensbruch und Körperverletzungen die Straftaten, in denen die meisten der ermittelten Täter aktuelle oder ehemalige Bewohner der Erstaufnahmeeinrichtung sind. Erst seit diesem Jahr erfasst die Suhler Polizei die sogenannte „Friedbergroute“im Umfeld der Erstaufnahmeeinrichtung statistisch gesondert. Als Grund dafür nennt die Polizeisprecherin, dass die Zahlen der Sachbeschädigungen und Einbrüche sich so deutlich erhöht haben, dass sich auch das subjektive Sicherheitsgefühl der Anwohner verändere. Streifengänge mit Diensthunden sowie Präventionsveranstaltungen in der Erstaufnahmeeinrichtung würden inzwischen die Zahlen wieder sinken lassen und damit das Sicherheitsgefühl wieder erhöhen.
Diese Einschätzung wird auch im Landesverwaltungsamt geteilt. Derzeit, sagt ein Sprecher, sei es ruhig geworden um die Erstaufnahme.