Die Pest im Mittelalter und Corona heute
Ausstellung offenbart verblüffende Parallelen
Wittenberg. Das Mittelalter wird häufig als die dunkelste Zeit der europäischen Geschichte bezeichnet. Blickt man jedoch auf die wohl prägendste Krankheit dieser Epoche – die Pest – stellt man fest, dass sich der Umgang mit einer existenzbedrohenden Krankheit von damals zu heute in Teilen wenig unterscheidet. Gemeinsamkeiten – und auch Unterschiede – präsentiert seit Donnerstag die Ausstellung „Pest. Eine Seuche verändert die Welt“in der Lutherstadt Wittenberg.
Die Parallelen reichten von Seuchenleugnern, Sündenböcken, systemrelevanten Jobs bis zu einer Reihe noch heute aktueller Hygienemaßnahmen, erklärte der Kurator der Sonderausstellung im Augusteum, Mirko Gutjahr. So habe im 17. Jahrhundert die Pest die Bevölkerung im italienischen Mailand befallen. Einige der Bewohner, deren Stadt lange Zeit von der Pest verschont blieb, reagierten mit dem Leugnen der Seuche und sprachen von einer pestähnlichen Krankheit, so Gutjahr.
Die Gemeinsamkeiten reichen aber auch bis zu Verschwörungstheorien: Damals wie heute machten Teile der Bevölkerung bestimmte Personengruppen für die Übertragung der Krankheit verantwortlich. Im Mittelalter habe das beispielsweise in Wittenberg besonders die jüdische Bevölkerung erleben müssen, sagte Gutjahr. Diese Hetze könne auch dazu beigetragen haben, dass sich die Größe der jüdischen Gemeinde in der Lutherstadt drastisch verringerte.
Gerade an der Pest lasse sich zeigen, dass viele der heutigen Maßnahmen zur Eindämmung auch schon vor Jahrhunderten ergriffen wurden, sagte Gutjahr. Quarantäne, Gesundheitspässe sowie Abstandsund Hygieneregeln seien bereits 1566 in der Wittenberger Pestordnung festgehalten worden. Von ihm als besonders wichtig erachtete Berufe wie Pflegekräfte, Verwaltungsangestellte, Lehrer und Seelsorger forderte Reformator Martin Luther seinerzeit auf, während der Pestwellen nicht zu fliehen.
Die Ausstellung zeigt auch eine Reihe von Absonderlichkeiten der Pestbekämpfung. Im heutigen Niedersachsen habe man beispielsweise im 17. Jahrhundert mit einem Schinken versucht, die Krankheit aus der Stadt zu locken. Auch mit Knallgeräuschen oder Glockengeläut hoffte man, die Seuche loszuwerden. dpa