„Macht kaputt, was euch kaputt macht“
25 Jahre nach seinem frühen Tod wird der Ton-steine-scherben-sänger Rio Reiser offiziell geehrt
Fresenhagen/berlin. „Die Socken und die Autos dürften nicht mehr stinken, / Ich würd’ jeden Morgen erst mal ein Glas Schampus trinken.“So lauten Textzeilen in Rio Reisers Lied „König von Deutschland“, dessen Refrain sich einbrennt: „Das alles, und noch viel mehr / Würd’ ich machen, wenn ich König von Deutschland wär’.“
25 Jahre nach dem Tod von Reiser (20. August 1996), der heute 71 Jahre alt wäre, wird seine letzte Ruhestätte in Berlin-schöneberg jetzt ein Ehrengrab. Die Umbenennung eines Platzes mitten in Berlinkreuzberg in Rio-reiser-platz haben Anwohner-widersprüche verschoben. Nach Angaben des Bezirksamtes könnte Anfang 2022 aus dem Heinrichplatz der Rio-reiserplatz werden. Die Schilder seien jedenfalls längst fertig.
Rio Reisers Grab mit einem Stein in Form eines Herzens und mit Krone für den „König von Deutschland“befindet sich auf dem Alten St.-matthäus-kirchhof. Auf ihm sind auch Prominente wie die Brüder Grimm, Schlagersänger Chris Roberts und die Musikerin Françoise Cactus von Stereo Total beerdigt. Mit der Auszeichnung als Ehrengrab ist zum Beispiel verbunden, dass das zuständige Bezirksamt die Kosten für die Grabpflege, Instandhaltung sowie Verlängerung des Nutzungsrechts tragen kann.
Rio Reisers Tod mit nur 46 Jahren riss vor einem Vierteljahrhundert ein Loch in die deutsche Musiklandschaft, das kaum jemand zu schließen im Stande war. Der Mann mit der rauchigen Stimme lieferte als Kopf der Band Ton Steine Scherben die Parolen für die linke Szene („Keine Macht für niemand“, „Macht kaputt, was euch kaputt macht“), begeisterte zudem als Solo-künstler. Zahlreiche Musiker und Bands wie Jan Delay, Echt, Fettes Brot, Herbert Grönemeyer, Nena, Annett Louisan fühlten sich durch ihn inspiriert und coverten seine Songs („Junimond“, „Halt dich an deiner Liebe fest“, „Alles Lüge“). „Seine Musik ist zeitlos und wertvoll“, sagte einmal die frühere
Scherben-managerin und heutige Bundestagsvizepräsidentin, die Grünen-politikerin Claudia Roth.
Ralph Möbius, so der gebürtige
Name von Rio Reiser, kam 1950 in Berlin auf die Welt. 20 Jahre später gründete er mit drei Musikern Ton Steine Scherben, in einem Kreuzberger Hinterhof nahmen sie erste Songs auf. Mit dem „Rauch-haussong“entstand eine Linken-hymne. Nach den Konzerten der Band wurden öfter Häuser besetzt, Politik und Polizei waren in Habachtstellung, wenn die Scherben kamen.
Mitte der 70er zogen sich die Musiker auf einen Hof in Schleswigholstein zurück. „Das Haus war auch für alle eine Fluchtmöglichkeit, eine Oase, ein Ausgang aus dem Wahnsinn des straßenkämpfenden, drogengeschwängerten, von Polizei repressierten Berlin“, erinnerte sich einst Claudia Roth.
Obwohl Kenner die Scherbenplatten zu den einflussreichsten Alben der 70er-jahre zählen, hatte die Gruppe Geldprobleme und zerbrach 1985. Annette Humpe (Ideal, Ich + Ich) produzierte Rio Reisers erstes Soloalbum „Rio I.“. Statt linker Buchläden sollte nun eine große Plattenfirma seine Titel vertreiben. Die Szene schrie auf, aber Reisers Kompositionen wie eben „König von Deutschland“wurden Hits.
Politisch engagierte sich der offen schwule Reiser erst für die Grünen, später wechselte er zur PDS (heute Die Linke). Auch als Schauspieler machte er sich einen Namen. 1977 debütierte Reiser in dem Film „Johnny West“und bekam den Bundesfilmpreis in Gold. dpa