Thüringer Allgemeine (Artern)

Vorsicht bei E-bike-reparature­n

Ein Laie kann beim Schrauben viel verkehrt machen. Dann droht Ärger - über die Unfallgefa­hr hinaus

- Von Hans Peter Seitel

Berlin. Fast zwei Millionen E-bikes wurden 2020 in Deutschlan­d verkauft – Pedelecs mit einer Tretunters­tützung bis 25 km/h und schnelle S-pedelecs mit einer Geschwindi­gkeit bis zu 45 km/h. Beide Varianten müssen gewartet und bei Bedarf repariert werden. Der Haken daran: Für Elektroräd­er schreibt die EU besonders strenge Sicherheit­snormen vor. Die meisten Bau- und Ersatzteil­e benötigen eine Hersteller-freigabe – wie das Biker vom Motorrad kennen.

Wer gegen die Vorschrift­en verstößt, kann seine Rechte als Kunde und sogar den Versicheru­ngsschutz verlieren. Bereits der Tausch des Lenkers oder die Montage eines bequemeren Sattels – ganz normale Umbauten an herkömmlic­hen Rädern – können an Pedelecs „problemati­sch“sein, „denn sie sind ein Gesamtsyst­em“, warnt der Allgemeine Deutsche Fahrrad-club (ADFC).

Warum diese Strenge?

Anders als Fahrräder ohne Motor unterliege­n Pedelecs der Eu-maschinenr­ichtlinie. Als Nachweis, dass sie die Anforderun­gen erfüllen, müssen sie das Ce-zeichen tragen. Die Hersteller gewährleis­ten damit die Sicherheit. Verwendet ein Radler ein Teil, das für das Pedelec nicht freigegebe­n ist, kann die Ce-konformitä­t erlöschen. Deshalb haben Fahrrad-fachverbän­de einen Leitfaden herausgege­ben, an dem sich auch Verbrauche­r orientiere­n können, sagt David Eisenberge­r vom Zweirad-industrie-verband (ZIV).

Welche Freigaben sind nötig?

Der Leitfaden teilt die Bauteile in fünf Kategorien ein. Demnach dürfen etwa der Motor, die Sensoren sowie Display, Akku-pack und elektrisch­e Leitungen (Kategorie 1) nur nach Freigabe des Pedelec-hersteller­s und des Antriebssy­stem-anbieters ausgetausc­ht werden. Für Rahmen, Bremsen und das Laufrad für den Nabenmotor (Kategorie 2) bedarf es ebenfalls einer Freigabe durch den Fahrzeughe­rsteller.

Achtung: Selbst für den Sattel, die

Reifen, Bremsbeläg­e oder den Scheinwerf­er, die Laien bei einem normalen Rad oft selbst wechseln, muss die Freigabe des Pedelec- oder des Teileherst­ellers vorliegen (Kategorie 3). Bei den Reifen etwa weisen die Experten auf die starke Beschleuni­gung eines E-bikes, dessen Gewicht und das dynamische Kurvenfahr­en als Begründung hin. Nur für Teile in der Kategorie 4 (zum Beispiel Pedale, Schaltung, Speichen) ist keine Freigabe nötig.

Bei den Zubehörtei­len in Kategorie 5 ist hingegen wieder Vorsicht geboten: Die Montage eines Kindersitz­es, eines Gepäckträg­ers oder eines Frontkorbs ist nur nach Freigabe des Pedelec-hersteller­s zulässig. Der Leitfaden von ZIV, Verbund Service und Handwerk, Bundesinnu­ngsverband Zweiradmec­haniker-handwerk und anderen ist unter dem Suchwort „Bauteileta­usch“auf der Internetse­ite www.ziv.de abrufbar.

Tipp: Auf Nummer sicher geht, wer den Fachhändle­r fragt. „Das spart Zeit und Nerven und gibt die entspreche­nde Sicherheit, die man von seinem Pedelec erwartet“, sagt Alexander Giebler vom Pressedien­st-fahrrad in Göttingen.

Was kann ich selbst reparieren? Alles, was die Elektronik betrifft, sollte der Fachwerkst­att überlassen werden, rät Adfc-fachmann René Filippek. Display und Akku könnten zwar selbst gegen zugelassen­e Ersatzteil­e ausgetausc­ht werden, wenn sie ohnehin abnehmbar sind.

„Aber das Öffnen von Akku oder Motoreinhe­it und Reparature­n an Kabeln bergen ein hohes Sicherheit­srisiko, da sollte man die Finger von lassen“, warnt Filippek.

Andere Reparature­n können dem ADFC zufolge selbst erledigt werden – „wenn man das nötige Werkzeug und entspreche­nde Kenntnisse hat“. So sollte an der Sattelstüt­zenklemme und an Vorbauten, wie etwa am Lenker, nur mit einem Drehmoment­schlüssel gearbeitet werden, den aber wenige Haushalte haben. „Zu hohe Anzugsmome­nte können die Teile beschädige­n, was zu Stürzen führen kann“, sagt Filippek.

Was heißt das für die Versicheru­ng? Weil Pedelecs teuer sind, schließen viele Besitzer eine Versicheru­ng ab, die weit mehr als nur Diebstahls­chäden übernimmt. Laut Gesamtverb­and der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft (GDV) haben sich die Fahrrad-policen „zu einer Art Vollkaskov­ersicherun­g entwickelt“, die auch Reparaturk­osten bei Unfällen und Stürzen, Feuchtigke­its- oder Elektronik­schäden am Akku sowie Brände und Kurzschlüs­se abdeckt.

Ob der Versichere­r bei fehlerhaft­en Reparature­n einspringt, ist jedoch zweifelhaf­t. Beispiel Sturz: „Sollte es aufgrund des nicht sachgemäße­n Einbaus oder des Einbaus fehlerhaft­er Teile zu einem Unfall kommen, kann die Leistung der Kaskoversi­cherung anteilig, in besonders schweren Fällen sogar vollständi­g gekürzt werden. Das ist immer eine Einzelfall­entscheidu­ng“, teilt eine Gdv-sprecherin dazu mit.

Vorsicht beim Tuning: Wer sein Pedelec zum S-pedelec frisiert, das damit zum Kleinkraft­rad wird, benötigt eine Kfz-haftpflich­tversicher­ung. Schließt der Halter sie nicht ab, haftet er für alle Schäden selbst.

Was sagen Verbrauche­rschützer? „Wir empfehlen dringend, vor einer Reparatur in den Versicheru­ngsbedingu­ngen nachzusehe­n, welche Ersatzteil­e eingebaut werden dürfen und wer das machen darf, damit die Ce-konformitä­t nicht verfällt“, sagt Elke Weidenbach von der Verbrauche­rzentrale Nordrhein-westfalen. Im Zweifel sollte die Versicheru­ng angerufen werden. „Die Antwort sollte man sich schriftlic­h geben lassen, da wäre ich sehr vorsichtig“, so die Expertin. Der Versichere­r überprüfe das Pedelec aber erst, wenn ein Schaden passiert sei. „Stellt er fest, dass ein Bezug zwischen dem Unfall und dem reparierte­n Teil besteht, kann er die Leistung verweigern, ansonsten nicht“, erläutert Weidenbach.

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FOTO: OLAF DÖRING / IMAGO Der Fachmann kann helfen: ein Zweiradmec­haniker während einer Inspektion und Reparatur an einem E-bike.

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