Vorsicht bei E-bike-reparaturen
Ein Laie kann beim Schrauben viel verkehrt machen. Dann droht Ärger - über die Unfallgefahr hinaus
Berlin. Fast zwei Millionen E-bikes wurden 2020 in Deutschland verkauft – Pedelecs mit einer Tretunterstützung bis 25 km/h und schnelle S-pedelecs mit einer Geschwindigkeit bis zu 45 km/h. Beide Varianten müssen gewartet und bei Bedarf repariert werden. Der Haken daran: Für Elektroräder schreibt die EU besonders strenge Sicherheitsnormen vor. Die meisten Bau- und Ersatzteile benötigen eine Hersteller-freigabe – wie das Biker vom Motorrad kennen.
Wer gegen die Vorschriften verstößt, kann seine Rechte als Kunde und sogar den Versicherungsschutz verlieren. Bereits der Tausch des Lenkers oder die Montage eines bequemeren Sattels – ganz normale Umbauten an herkömmlichen Rädern – können an Pedelecs „problematisch“sein, „denn sie sind ein Gesamtsystem“, warnt der Allgemeine Deutsche Fahrrad-club (ADFC).
Warum diese Strenge?
Anders als Fahrräder ohne Motor unterliegen Pedelecs der Eu-maschinenrichtlinie. Als Nachweis, dass sie die Anforderungen erfüllen, müssen sie das Ce-zeichen tragen. Die Hersteller gewährleisten damit die Sicherheit. Verwendet ein Radler ein Teil, das für das Pedelec nicht freigegeben ist, kann die Ce-konformität erlöschen. Deshalb haben Fahrrad-fachverbände einen Leitfaden herausgegeben, an dem sich auch Verbraucher orientieren können, sagt David Eisenberger vom Zweirad-industrie-verband (ZIV).
Welche Freigaben sind nötig?
Der Leitfaden teilt die Bauteile in fünf Kategorien ein. Demnach dürfen etwa der Motor, die Sensoren sowie Display, Akku-pack und elektrische Leitungen (Kategorie 1) nur nach Freigabe des Pedelec-herstellers und des Antriebssystem-anbieters ausgetauscht werden. Für Rahmen, Bremsen und das Laufrad für den Nabenmotor (Kategorie 2) bedarf es ebenfalls einer Freigabe durch den Fahrzeughersteller.
Achtung: Selbst für den Sattel, die
Reifen, Bremsbeläge oder den Scheinwerfer, die Laien bei einem normalen Rad oft selbst wechseln, muss die Freigabe des Pedelec- oder des Teileherstellers vorliegen (Kategorie 3). Bei den Reifen etwa weisen die Experten auf die starke Beschleunigung eines E-bikes, dessen Gewicht und das dynamische Kurvenfahren als Begründung hin. Nur für Teile in der Kategorie 4 (zum Beispiel Pedale, Schaltung, Speichen) ist keine Freigabe nötig.
Bei den Zubehörteilen in Kategorie 5 ist hingegen wieder Vorsicht geboten: Die Montage eines Kindersitzes, eines Gepäckträgers oder eines Frontkorbs ist nur nach Freigabe des Pedelec-herstellers zulässig. Der Leitfaden von ZIV, Verbund Service und Handwerk, Bundesinnungsverband Zweiradmechaniker-handwerk und anderen ist unter dem Suchwort „Bauteiletausch“auf der Internetseite www.ziv.de abrufbar.
Tipp: Auf Nummer sicher geht, wer den Fachhändler fragt. „Das spart Zeit und Nerven und gibt die entsprechende Sicherheit, die man von seinem Pedelec erwartet“, sagt Alexander Giebler vom Pressedienst-fahrrad in Göttingen.
Was kann ich selbst reparieren? Alles, was die Elektronik betrifft, sollte der Fachwerkstatt überlassen werden, rät Adfc-fachmann René Filippek. Display und Akku könnten zwar selbst gegen zugelassene Ersatzteile ausgetauscht werden, wenn sie ohnehin abnehmbar sind.
„Aber das Öffnen von Akku oder Motoreinheit und Reparaturen an Kabeln bergen ein hohes Sicherheitsrisiko, da sollte man die Finger von lassen“, warnt Filippek.
Andere Reparaturen können dem ADFC zufolge selbst erledigt werden – „wenn man das nötige Werkzeug und entsprechende Kenntnisse hat“. So sollte an der Sattelstützenklemme und an Vorbauten, wie etwa am Lenker, nur mit einem Drehmomentschlüssel gearbeitet werden, den aber wenige Haushalte haben. „Zu hohe Anzugsmomente können die Teile beschädigen, was zu Stürzen führen kann“, sagt Filippek.
Was heißt das für die Versicherung? Weil Pedelecs teuer sind, schließen viele Besitzer eine Versicherung ab, die weit mehr als nur Diebstahlschäden übernimmt. Laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) haben sich die Fahrrad-policen „zu einer Art Vollkaskoversicherung entwickelt“, die auch Reparaturkosten bei Unfällen und Stürzen, Feuchtigkeits- oder Elektronikschäden am Akku sowie Brände und Kurzschlüsse abdeckt.
Ob der Versicherer bei fehlerhaften Reparaturen einspringt, ist jedoch zweifelhaft. Beispiel Sturz: „Sollte es aufgrund des nicht sachgemäßen Einbaus oder des Einbaus fehlerhafter Teile zu einem Unfall kommen, kann die Leistung der Kaskoversicherung anteilig, in besonders schweren Fällen sogar vollständig gekürzt werden. Das ist immer eine Einzelfallentscheidung“, teilt eine Gdv-sprecherin dazu mit.
Vorsicht beim Tuning: Wer sein Pedelec zum S-pedelec frisiert, das damit zum Kleinkraftrad wird, benötigt eine Kfz-haftpflichtversicherung. Schließt der Halter sie nicht ab, haftet er für alle Schäden selbst.
Was sagen Verbraucherschützer? „Wir empfehlen dringend, vor einer Reparatur in den Versicherungsbedingungen nachzusehen, welche Ersatzteile eingebaut werden dürfen und wer das machen darf, damit die Ce-konformität nicht verfällt“, sagt Elke Weidenbach von der Verbraucherzentrale Nordrhein-westfalen. Im Zweifel sollte die Versicherung angerufen werden. „Die Antwort sollte man sich schriftlich geben lassen, da wäre ich sehr vorsichtig“, so die Expertin. Der Versicherer überprüfe das Pedelec aber erst, wenn ein Schaden passiert sei. „Stellt er fest, dass ein Bezug zwischen dem Unfall und dem reparierten Teil besteht, kann er die Leistung verweigern, ansonsten nicht“, erläutert Weidenbach.