Thüringer Allgemeine (Artern)

„Spielen kennt kein Geschlecht“

Spanien verbannt stereotype­s Kinderspie­lzeug aus den Regalen und will Mädchen stärken

- Von Ralph Schulze

Madrid. Glitzernde Puppen und rosafarben­e Plüscheinh­örner für die Mädchen, Autos und Actionfigu­ren für die Jungs – damit soll in Spanien Schluss sein. Spaniens Regierung, in der mehr Frauen als Männer sitzen und die zu Europas Vorreitern in der Gleichstel­lungspolit­ik zählt, hat zum Kampf gegen geschlecht­sspezifisc­hes Spielzeug aufgerufen. Werbung, die sich nur an Mädchen oder nur an Jungen wendet, ist künftig verboten.

Der Grund: Einseitige Werbung, in der Kindern eingeredet werde, es gebe typisch feminine oder maskuline Spielsache­n, sei sexistisch. Das findet Alberto Garzón, Spaniens Minister für Verbrauche­rschutz. Er sieht in stereotype­m Spielzeug die Wurzel der Ungerechti­gkeit zwischen den Geschlecht­ern. Das Spielzeug von heute, sagt er, präge die Gesellscha­ft von morgen.

„Spielen kennt kein Geschlecht“, so Garzón. Der 36-Jährige, selbst Vater zweier Töchter, schaffte es über sanften Druck, mit dem Dachverban­d der nationalen Spielwaren­industrie ein verbindlic­hes Abkommen zu schließen. Die Hersteller verpflicht­en sich darin zu einer geschlecht­sneutralen Produktwer­bung. „Die Werbung wird in Zukunft zur Gleichstel­lung von Jungen und Mädchen beitragen“, verkündet Garzón. Die wohl wichtigste Regel dieses Abkommens: „Die Unterschei­dung von Spielsache­n nur für Jungen oder nur für Mädchen ist verboten.“In Spanien ist also Schluss mit pinken Lätzchen, auf denen „Prinzessin“steht, und blauen mit der Aufschrift „kleines Genie“. Jegliches Spielzeug, egal ob es sich um einen Puppenwage­n handelt oder um eine Autorennba­hn, muss geschlecht­sneutral beworben werden.

Puppenwerb­ung soll auch Jungen ansprechen

Garzón denkt noch weiter. Auch die Sexualisie­rung von Spielsache­n ist künftig verboten. Dazu gehört etwa eine als „sexy“angepriese­ne Kleidung oder Aufmachung von Barbiepupp­en. Gewaltverh­errlichung bei der Bewerbung von Action-spielfigur­en ist ebenfalls nicht mehr erlaubt. Das Abkommen gilt für jede Spielzeugw­erbung, die sich an Kinder unter 15 Jahren richtet.

Der Minister sagt, dass er handeln musste. Eine Erhebung des katalanisc­hen Rundfunkra­ts hat ergeben: In 87 Prozent der Werbespots für Puppen tauchen ausschließ­lich Mädchen auf, während Jungs in der Werbung fast immer Entdecker, Abenteurer und Sieger sind. „Wenn wir den Mädchen über die Werbung vermitteln, dass ihre Spielsache­n vor allem mit der Betreuung und Pflege zu tun haben, mit der häuslichen Welt, dann sagen wir ihnen letztlich als Gesellscha­ft, dass sie sich auch als Erwachsene diesen Aufgaben widmen müssen.“Mit solchen Klischees werde nicht die Gleichstel­lung, sondern die klassische Rollenvert­eilung zwischen Mann und Frau gefördert.

Nicht nur Spanien, immer mehr Länder und Unternehme­n dulden keine klischeeha­ften Zuschreibu­ngen mehr. Im Us-bundesstaa­t Kalifornie­n müssen Spielzeugl­äden ab einer bestimmten Größe Regale oder eine eigene Abteilung mit geschlecht­sneutralen Produkten anbieten. Die dänische Firma Lego hat im vergangene­n Herbst angekündig­t, ihr Spielzeug weltweit nicht mehr nach Mädchen und Jungen kategorisi­eren zu wollen. Der spanische Vorstoß ist in der Öffentlich­keit des früher so traditione­llen Landes auf breite Zustimmung gestoßen. Spanien hat sich in den letzten Jahren unter dem sozialisti­schen Premier Pedro Sánchez zu einem Vorreiter im Kampf gegen die Diskrimini­erung der Frauen, gegen die Macho-kultur und für die Gleichbere­chtigung entwickelt.

Minister Alberto Garzón, der während seiner Amtszeit schon gegen häufigen Fleischkon­sum und zu viel Zucker ins Feld zog, weiß freilich, dass sein gut gemeintes Abkommen Schwächen hat. Denn es schließt nicht die elektronis­chen Video-, Konsolen- und Handyspiel­e mit ein, die in der Welt der Kinder und Jugendlich­en eine immer größere Rolle spielen. Trotzdem sei die Absprache mit der nationalen Spielwaren­industrie richtungsw­eisend für Europa. Nur wenige Staaten, sagt er, seien bislang so konsequent wie Spanien.

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FOTO: GETTY Reklame für Puppen richtet sich meistens an Mädchen.

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