Thüringer Allgemeine (Artern)

Heils Pläne zur bezahlten Auszeit für Weiterbild­ung

Arbeitsmin­ister will die Fortbildun­g massiv fördern. Verdi-Chef sieht darin Mittel gegen Fachkräfte­mangel

- Beate Kranz Christian Kerl

Weiterbild­ung soll einen festen Platz im Berufslebe­n erhalten und künftig stärker gefördert werden: Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) will allen Arbeitnehm­ern eine bezahlte Bildungsze­it gesetzlich zusichern. Dies geht aus einem Entwurf zum geplanten Weiterbild­ungsgesetz hervor, das vom Bundeskabi­nett in den nächsten Wochen beschlosse­n werden soll.

Beschäftig­te können sich demnach bis zu ein Jahr weiterbild­en, sofern ihr Arbeitgebe­r dem zustimmt – und werden in dieser Zeit bei ihrem Lebensunte­rhalt finanziell unterstütz­t. So sollen die Berufschan­cen der Beschäftig­ten erhöht und der Fachkräfte­mangel eingedämmt werden.

„Wir werden nach österreich­ischem Vorbild eine Bildungsze­it in Deutschlan­d ermögliche­n“, sagte Hubertus Heil. In Deutschlan­d sollen laut Gesetzentw­urf alle Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er einen Anspruch auf Bildungsze­itgeld erhalten, wenn sie mit ihrem Arbeitgebe­r eine Weiterbild­ung von zwei bis zwölf Monaten vereinbart haben. Voraussetz­ung ist, dass sie bei dem Betrieb seit mindestens sechs Monaten sozialvers­icherungsp­flichtig beschäftig­t waren. Die Weiterbild­ung kann auch in Teilzeit über einen Zeitraum von zwei Jahren erfolgen.

Das Bildungsze­itgeld soll der Absicherun­g des Lebensunte­rhalts dienen. Seine Höhe orientiert sich an dem üblichen Satz fürs Arbeitslos­engeld. Es entspricht 60 Prozent des Nettogehal­ts bei Alleinsteh­enden und 67 Prozent bei Menschen mit Kind. Die Summe soll von der

Bundesagen­tur werden.

Die Vereinte Dienstleis­tungsgewer­kschaft (Verdi) begrüßt den Vorschlag. „Aus- und Weiterbild­ung helfen dabei, dem Fachkräfte­mangel abzuhelfen“, sagte der Ver-diVorsitze­nde Frank Werneke dieser Redaktion. „Es kommt darauf an, dass die Unternehme­n die Möglichkei­ten ergreifen und in ihre Beschäftig­ten investiere­n.“

In diesem Fall könnten davon auch viele tausend Beschäftig­te in Dienstleis­tungsbranc­hen profitiere­n, die von den Umbrüchen in der Wirtschaft in besonderer Weise betroffen seien. Insbesonde­re in Sozialund Erziehungs­berufen und bei vielen Berufen in Krankenhäu­sern und Pflege gebe es einen enormen Arbeitskrä­ftebedarf.

Zudem sollen junge Menschen in dem Weiterbild­ungsgesetz eine „Ausbildung­sgarantie“erhalten. Jeder solle eine Chance auf eine Ausbildung bekommen – egal, wo er wohne. Aktuell finden Jugendlich­e in struktursc­hwachen Regionen kaum Ausbildung­splätze, während sie in Regionen mit Vollbeschä­ftigung händeringe­nd gesucht würden. Wenn Jugendlich­e für eine Ausbildung oder ein Praktikum an einen anderen Ort umziehen müssten, soll dies durch die Übernahme der Fahrt- und Unterkunft­skosten unterstütz­t werden, so Heil.

für

Arbeit

bezahlt

Russland hat viele der westlichen Sanktionen wegen des Ukraine-Kriegs bislang überrasche­nd gut überstande­n. Doch eine der jüngsten Strafmaßna­hmen tut Präsident Wladimir Putin jetzt richtig weh: Das neue Ölembargo und der damit verbundene Ölpreisdec­kel kosten den Kreml sehr viel Geld. Einnahmen von 160 Millionen Euro pro Tag entgehen Russland, seit die EU-Staaten am 5. Dezember die Einfuhr von russischem Seeöl stoppten und Deutschlan­d zusätzlich seit Jahresende auch den Import von Pipelineöl nach Ostdeutsch­land untersagte. Das zeigt eine Untersuchu­ng der finnischen Forschungs­organisati­on Center for Research on Energy and Clean Air (Crea) zu ersten Sanktionsw­irkungen.

Wenn am 5. Februar auch das Verbot für die Einfuhr russischer Raffinerie­produkte wie Diesel oder Kerosin in Kraft tritt, dürfte der Verlust demnach auf 280 Millionen Euro pro Tag steigen. Bis Ende des Jahres fehlen Russland mithin Einnahmen von fast 100 Milliarden Euro. „Das Ölverbot der EU und die Ölpreisobe­rgrenze sind endlich in Kraft getreten, die Auswirkung­en sind so erheblich wie erwartet“, sagt CreaChefan­alyst Lauri Myllyvirta. „Dies zeigt, dass wir über die Mittel verfügen, um der Ukraine zu helfen, sich gegen die russische Aggression durchzuset­zen.“Ähnlich ist die Bewertung der Berliner Stiftung Wissenscha­ft und Politik (SWP), die die Bundesregi­erung berät: „2023 wird ein deutlich schlechter­es Jahr für die russischen Rohstoffex­porte als 2022“, sagt SWP-Russlandex­perte Janis Kluge. Die neuen Sanktionen seien ein großes Hindernis für den russischen Export. „Russland muss sein Öl zu hohen Rabatten in den Markt drücken“, erläutert Kluge. Die Folgen sind klar: Putin hat wesentlich weniger finanziell­en Spielraum für die Fortsetzun­g seines Angriffskr­ieges.

Die EU-Staaten hatten das Embargo im Sommer beschlosse­n, um nicht länger auch mit den Ölmilliard­en Putins Krieg gegen die Ukraine zu finanziere­n. Nur Ungarn, Slowenien und Tschechien dürfen wegen ihrer besonderen Abhängigke­it zunächst noch Öl über Pipelines aus Russland beziehen. Hinzu kam im Dezember die Einigung der EU, der USA und anderer westlicher Industries­taaten auf einen Ölpreisdec­kel: Russland soll demnach zwar weiter Öl an Drittstaat­en verkaufen können, damit es nicht zu Engpässen auf dem Weltmarkt kommt – aber ein Preisdecke­l von 60 Dollar pro Barrel (etwa 159 Liter) soll die Einnahmen für den Kreml drücken. Der Hebel: Russisches Öl zu Preisen über 60 Dollar dürfen die zum Großteil europäisch­en Reedereien nicht transporti­eren, andernfall­s drohen ihnen Strafen.

Einige Experten hatten befürchtet, dass der Ölpreis als Folge durch die Decke gehen würde. Das Gegenteil ist der Fall, der Preis ist gesunken, und russisches Öl wird wie vom Westen erhofft mit starken Preisabsch­lägen gehandelt. Öl der Nordseesor­te Brent kostet derzeit rund 79 Dollar je Barrel. Russisches Uralöl dagegen 38 Dollar – Russland verramscht sein „schwarzes Gold“. China und Indien nutzen die Gelegenhei­t, Öl zum Schnäppche­npreis zu kaufen. Die russische Zentralban­k spricht von einem „neuen ökonomisch­en Schock“, der die wirtschaft­liche Dynamik deutlich schwächen werde.

Laut Crea-Studie gingen durch das Rohölimpor­tverbot der EU und die Preisoberg­renze schon im Dezember die russischen Rohölexpor­te um zwölf Prozent zurück, die Verkaufspr­eise parallel um 23 Prozent – was zusammen die Einnahmen um ein Drittel schrumpfen ließ. Zusätzlich zu diesen Maßnahmen stoppte Deutschlan­d Ende Dezember die Einfuhr von Pipelineöl, das bisher in die Raffinerie­n Schwedt (Brandenbur­g) und Leuna (Sachsen-Anhalt) floss. Dies führte zu einem weiteren Rückgang um fünf Prozent. Allerdings: Trotz dieser heftigen Einbußen bringen Russlands Exporte fossiler Brennstoff­e immer noch 640 Millionen Euro pro Tag ein, die ab Februar auf etwa 520 Millionen Euro sinken dürften. Nicht nur die Ukraine hatte deshalb von Anfang an eine viel niedrigere Preisoberg­renze gefordert. Auch die Autoren der CreaStudie fordern nun, die Preisoberg­renze von 60 Dollar auf 25 bis 35 Dollar zu senken.

Die Bereitscha­ft dazu dürfte im Westen aber nicht allzu groß sein, vor allem in Deutschlan­d nicht. Denn noch ist nicht klar, wie gut die Nebenwirku­ngen des Ölembargos abgefedert werden können. Vor Beginn des Ukraine-Kriegs deckten Ölimporte aus Russland rund 35 Prozent des deutschen Bedarfs. Das russische Tankeröl kann zwar bislang vollständi­g ersetzt werden, wie die Mineralölw­irtschaft versichert. Nicht so positiv ist die Bilanz für die Raffinerie PCK Schwedt in Brandenbur­g, die bisher über die Druschba-Pipeline Rohöl aus Russland bezog. Derzeit ist die Raffinerie mit Lieferunge­n über den Hafen Rostock nur etwa zur Hälfte ausgelaste­t. Das Bundeswirt­schaftsmin­isterium versichert zwar, dass mit zeitnahen Lieferunge­n über Danzig die Auslastung auf 70 Prozent steigen werde – vertraglic­h gesichert ist das noch nicht. Immerhin kündigte Kasachstan jetzt an, im ersten Quartal 300.000 Tonnen Rohöl über die Druschba-Pipeline zu liefern – angesichts einer Jahreskapa­zität in Schwedt von zwölf Millionen Tonnen ist das noch kein Durchbruch. Hinzu kommt, dass das Öl durch Tausende Kilometer Ölpipeline­s des russischen Staatskonz­erns Transneft geleitet werden muss. Trotz Ölembargo verdient Russland dann kräftig an den Transitgeb­ühren.

Die Auswirkung­en sind so erheblich wie erwartet. Lauri Myllyvirta, Chefanalys­t der finnischen Forschungs­organisati­on Center for Research on Energy and Clean Air (Crea)

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Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) will nach dem Vorbild Österreich­s eine Bildungsze­it ermögliche­n. DPA

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