Thüringer Allgemeine (Artern)

Ein Weimarer Gewächs

Dominik Beykirch hat sich acht Jahre am Deutschen Nationalth­eater hochgedien­t. Jetzt hofft er auf den GMD-Posten

- Wolfgang Hirsch

In Weimar hat Dominik Beykirch schon das Abi gebaut – damals am Musikgymna­sium Schloss Belvedere. Dann studierte er an der Franz-Liszt-Hochschule und nahm 2015 seine Dirigenten­laufbahn mit einer Stelle als Zweiter Kapellmeis­ter auf. Wo sonst, als am Deutschen Nationalth­eater? Im kulturgetr­änkten Kleinstadt-Idyll fühlt sich der gebürtige Eichsfelde­r wohl und will es partout auch nicht missen. Jetzt darf er sich gar Hoffnungen machen auf die seit fast vier Jahren vakante Position des Generalmus­ikdirektor­s an Thüringens Vorzeigebü­hne.

Diese Idee ist höchst ambivalent. Denn einerseits würde man einem Kandidaten, der mit dem seltsamen Titel eines „Chefdirige­nten Musiktheat­er“das Haus durch die GMDlose Corona-Krisenzeit zu navigieren half, das erste Recht auf eine Bewerbung zubilligen. Und völlig unstrittig gilt der 31-jährige Beykirch als hoch talentiert.

Wir sind alle daran interessie­rt, die Zusammenar­beit weiterzufü­hren. Dominik Beykirch, Chefdirige­nt Musiktheat­er des DNT Weimar

Doch anderersei­ts wünscht man sich unbedingt frischen Input von außen: einen möglichst schon namhaften, aufstreben­den Pult-Star, der ein Orchester wie die Staatskape­lle zu fördern und zu fordern versteht. Hausberufu­ngen gelten im internatio­nalen Musikgetri­ebe als verpönt – und sie sind auch sehr selten.

Die klassische „Ochsentour“will der Jung-Star tunlichst vermeiden „Ich bin nie der Typ gewesen, der die heute übliche dirigentis­che Karriere abfährt“, betont Dominik Beykirch im Gespräch mit unserer Zeitung. Gemeint ist die seit je gängige „Ochsentour“, während der junge Dirigenten alle drei bis fünf Jahre den Arbeitsort wechseln, um Erfahrunge­n zu sammeln, zur Persönlich­keit zu reifen und sich vom Korrepetit­or zum „General“raufzudien­en. Stattdesse­n gastiere er viel, sagt Beykirch. Hat zum Beispiel gerade die letzten drei Vorstellun­gen der „Aida“in Chemnitz – wo man ebenfalls einen neuen GMD sucht – unter den Händen. Oder hat im vorigen Frühjahr in Bielefeld Richard Strauss’ „Ariadne auf Naxos“übernommen. Zwei Opern, mit denen er in Weimar schon reüssierte.

Dort wird Beykirch vom Publikum gemocht und von den Kollegen geschätzt, obschon Bodenständ­igkeit eben nicht als dirigentis­che Tugend gilt. „Weimar ist meine Heimat und mein Lebensmitt­elpunkt“, unterstrei­cht er. Das könnte so bleiben, auch wenn er demnächst anderswo beruflich Anker würfe. Diese Möglichkei­t mag er, da sein Vertrag in der aktuellen Position nur noch bis diesen Juli verlängert wurde, durchaus in Betracht ziehen. Aber nicht eben mit Volldampf.

Zwar beteuert der junge Mann, er sei dazu weder unmutig noch zu bequem, doch scheint schon zu sehr das süße Gift der Gewöhnung bei ihm zu wirken. Ähnliches spürt man den Mitglieder­n der Staatskape­lle ab. Die einen schätzen die ruhige, akribische Art, wie er in den Proben Partituren erarbeitet. Andere indes fühlen sich kaum inspiriert und schimpfen ein bisschen über den „ewigen Studenten“.

Auch solche Urteile spiegeln die vertrackte Ambivalenz in Weimar. Im Operngrabe­n agiert Beykirch stets souverän, absolut durchdacht und mit hoher, klangsinni­ger Transparen­z – im guten Sinne kapellmeis­terlich. Allerdings hat man nicht unbedingt den Eindruck, dass bei der Staatskape­lle ein funkensprü­hendes Feuer lodert, wenn sie unter ihm musiziert. „Wenn ich mich nicht respektier­t fühlen würde, wäre ich schon weg“, hält der altvertrau­te Newcomer dem entgegen.

Aber wie kam es überhaupt zu der haarsträub­enden Lage am DNT? Als Generalint­endant Hasko Weber sich im Frühsommer 2019 endgültig mit Alt-GMD Kirill Karabits verkrachte, stand nicht zufällig Beykirch Gewehr bei Fuß – und übernahm Paul Dessaus „Lanzelot“zum Saisonstar­t im folgenden Herbst, der einem Karabits nicht wirklich am Herzen lag. Lieber nahm der alerte Ukrainer ein Gastierang­ebot beim Chicago Symphony Orchestra wahr, für das er die Proben in Weimar hätte unterbrech­en müssen. Wer mag’s ihm verdenken?

Welche Konsequenz zieht Weber aus dem Streit mit Karabits?

Der Mann aus Kiew spielt längst in einer anderen Liga. So fanden die permanente­n Reibereien zwischen zwei Alpha-Tieren im Leitungste­am des DNT ein unrühmlich­es Ende. Während von einem Beykirch als Musikchef von Webers Gnaden keine Widerworte zu befürchten sind. Nun entscheide­t der Intendant über Karabits’ Nachfolge.

Die Spatzen pfeifen es von Weimars Dächern, dass man einen Chefdirige­nten fürs Konzertwes­en und einen GMD für die Oper berufen wolle. Frei nach dem Motto „Teile und herrsche!“. Für den Intendante­n wäre das äußerst kommod. Jedoch für die Staatskape­lle wie auch für Dominik Beykirch in Wahrheit die schlechtes­te Lösung: Dem süßen Gift der Gewohnheit entrönnen sie nimmermehr…

 ?? ?? Seit 2015 arbeitet Dominik Beykirch als Dirigent am DNT Weimar. Für PR-Zwecke ließ er sich im Musikgymna­sium fotografie­ren.
NIKOLAJ LUND
Seit 2015 arbeitet Dominik Beykirch als Dirigent am DNT Weimar. Für PR-Zwecke ließ er sich im Musikgymna­sium fotografie­ren. NIKOLAJ LUND
 ?? ?? Die hoch gelobte „Ariadne“wird wiederaufg­enommen.
CANDY WELZ
Die hoch gelobte „Ariadne“wird wiederaufg­enommen. CANDY WELZ

Newspapers in German

Newspapers from Germany