Apotheke gießt Zäpfchen auf Rezept
In Bad Frankenhausen werden regelmäßig Medikamente für Säuglinge im Labor gefertigt, die nicht lieferbar sind
Die Kunst des Zäpfchengießens gehört normalerweise nicht zu den üblichen Arbeiten im Laborbereich der Frankenhäuser Steinbrück-Apotheke, doch in diesen Tagen ist alles anders: Es gibt Lieferengpässe bei einer bestimmten Zäpfchenart. Einer mit genau 75 Milligramm Wirkstoff; geeignet für Säuglinge im Alter zwischen drei und sechs Monaten.
„Wir haben deutschlandweit zwei Hersteller und bei beiden sind diese speziellen Zäpfchen derzeit nicht lieferbar“, versicherte sich die Pharmazieingenieurin Kathrin Büchner mit einem Blick ins System. Wann das Produkt von den einzelnen Bezugsquellen wieder lieferbar ist? Das System spuckt dazu keine Angabe aus. Der Engpass in diesem Bereich bestehe schon seit rund zwei Monaten, überschlug Büchner. Der sonst vorgehaltene Mindestbestand ist längst weg.
Kleinste Fehler können das Ergebnis unbrauchbar machen
Die Frankenhäuser Apotheke reagiert nun, in dem Angestellte wie die Pharmazeutisch-technische Assistentin Katharina Poplawski regelmäßig zu Edelstahlschalen, Hartfett und Paracetamol-Wirkstoff greifen und eine sämige Flüssigkeit in eine gusseiserne Form gießen, das Ganze aushärten lassen und schließlich in die Verpackung einsortieren. Gut 20-mal wurde das in den letzten Wochen so gehandhabt.
Die Anzahl der einzelnen Arbeitsschritte ist übersichtlich, doch kleinste Fehler in Mengenberechnungen etc. können das Ergebnis unbrauchbar werden lassen. „Ein Kinderzäpfchen wiegt etwa ein Gramm“, erzählte Büchner. Rund 11,3 Gramm Hartfett werden dazu im Wasserbad erhitzt, in einer anderen Schale 825 Milligramm fiebersenkender, entzündungshemmender und schmerzstillender Paracetamol-Wirkstoff abgewogen. Komplizierte Berechnungen gehen dem Abwiegen voraus. Unter stetem Rühren werden Wirkstoff und Grundmasse vermischt. Es gehört zur Wissenschaft des Zäpfchengießens, dass der Wirkstoff im Zäpfchen gleichverteilt ist. Das alles dauert, kostet Ressourcen, vor allem personelles.
Am Montag, als die TA einen Blick ins Apotheken-Labor werfen durfte, goss Poplawski wieder einmal zehn Zäpfchen mit jeweils 75 Milligramm Wirkstoff – auf Rezept. „Wir gießen derzeit nur auf Rezept, nicht auf Vorrat“, so Büchner. Die Herstellungskosten der Zäpfchen im apothekeneigenen Labor sind ein Vielfaches höher als in der Industrie. Die Rede ist von etwa zehnfach höheren Herstellungskosten.
Zehn Zäpfchen mit 75 Milligramm müsste die Apotheke für rund 25 Euro an die Kunden abgeben. „Das würde im Normalfall kein Patient bezahlen“, hakte Büchner ein. Die mangelnde Verfügbarkeit der „Säuglings-Zäpfchen“ist den Krankenkassen aber bekannt. Apotheken hoffen, dass die Kassen die Kosten tragen, die in den Einrichtungen dadurch entstehen. Zum Vergleich: Dieselbe Menge Zäpfchen mit demselben Wirkstoffgehalt kann – industriell produziert – für Preise zwischen 2,25 und 2,50 Euro verkauft werden.
Allein im letzten Jahr wurden von den Zäpfchen mit 75 Gramm Wirkstoff 80 Packungen in der Steinbrück-Apotheke verkauft. Nicht weiter verwunderlich. Unweit der Apotheke befindet sich ein Kinderarzt. Da landen häufiger derartige Rezepte auf dem Apotheken-Tisch.