Thüringer Allgemeine (Artern)

Apotheke gießt Zäpfchen auf Rezept

In Bad Frankenhau­sen werden regelmäßig Medikament­e für Säuglinge im Labor gefertigt, die nicht lieferbar sind

- Susann Salzmann Bad Frankenhau­sen.

Die Kunst des Zäpfchengi­eßens gehört normalerwe­ise nicht zu den üblichen Arbeiten im Laborberei­ch der Frankenhäu­ser Steinbrück-Apotheke, doch in diesen Tagen ist alles anders: Es gibt Lieferengp­ässe bei einer bestimmten Zäpfchenar­t. Einer mit genau 75 Milligramm Wirkstoff; geeignet für Säuglinge im Alter zwischen drei und sechs Monaten.

„Wir haben deutschlan­dweit zwei Hersteller und bei beiden sind diese speziellen Zäpfchen derzeit nicht lieferbar“, versichert­e sich die Pharmaziei­ngenieurin Kathrin Büchner mit einem Blick ins System. Wann das Produkt von den einzelnen Bezugsquel­len wieder lieferbar ist? Das System spuckt dazu keine Angabe aus. Der Engpass in diesem Bereich bestehe schon seit rund zwei Monaten, überschlug Büchner. Der sonst vorgehalte­ne Mindestbes­tand ist längst weg.

Kleinste Fehler können das Ergebnis unbrauchba­r machen

Die Frankenhäu­ser Apotheke reagiert nun, in dem Angestellt­e wie die Pharmazeut­isch-technische Assistenti­n Katharina Poplawski regelmäßig zu Edelstahls­chalen, Hartfett und Paracetamo­l-Wirkstoff greifen und eine sämige Flüssigkei­t in eine gusseisern­e Form gießen, das Ganze aushärten lassen und schließlic­h in die Verpackung einsortier­en. Gut 20-mal wurde das in den letzten Wochen so gehandhabt.

Die Anzahl der einzelnen Arbeitssch­ritte ist übersichtl­ich, doch kleinste Fehler in Mengenbere­chnungen etc. können das Ergebnis unbrauchba­r werden lassen. „Ein Kinderzäpf­chen wiegt etwa ein Gramm“, erzählte Büchner. Rund 11,3 Gramm Hartfett werden dazu im Wasserbad erhitzt, in einer anderen Schale 825 Milligramm fiebersenk­ender, entzündung­shemmender und schmerzsti­llender Paracetamo­l-Wirkstoff abgewogen. Komplizier­te Berechnung­en gehen dem Abwiegen voraus. Unter stetem Rühren werden Wirkstoff und Grundmasse vermischt. Es gehört zur Wissenscha­ft des Zäpfchengi­eßens, dass der Wirkstoff im Zäpfchen gleichvert­eilt ist. Das alles dauert, kostet Ressourcen, vor allem personelle­s.

Am Montag, als die TA einen Blick ins Apotheken-Labor werfen durfte, goss Poplawski wieder einmal zehn Zäpfchen mit jeweils 75 Milligramm Wirkstoff – auf Rezept. „Wir gießen derzeit nur auf Rezept, nicht auf Vorrat“, so Büchner. Die Herstellun­gskosten der Zäpfchen im apothekene­igenen Labor sind ein Vielfaches höher als in der Industrie. Die Rede ist von etwa zehnfach höheren Herstellun­gskosten.

Zehn Zäpfchen mit 75 Milligramm müsste die Apotheke für rund 25 Euro an die Kunden abgeben. „Das würde im Normalfall kein Patient bezahlen“, hakte Büchner ein. Die mangelnde Verfügbark­eit der „Säuglings-Zäpfchen“ist den Krankenkas­sen aber bekannt. Apotheken hoffen, dass die Kassen die Kosten tragen, die in den Einrichtun­gen dadurch entstehen. Zum Vergleich: Dieselbe Menge Zäpfchen mit demselben Wirkstoffg­ehalt kann – industriel­l produziert – für Preise zwischen 2,25 und 2,50 Euro verkauft werden.

Allein im letzten Jahr wurden von den Zäpfchen mit 75 Gramm Wirkstoff 80 Packungen in der Steinbrück-Apotheke verkauft. Nicht weiter verwunderl­ich. Unweit der Apotheke befindet sich ein Kinderarzt. Da landen häufiger derartige Rezepte auf dem Apotheken-Tisch.

 ?? ?? Das erhitzte Hartfett mit Paracetamo­l-Wirkstoff gießt die Pharmazeut­isch-technische Assistenti­n Katharina Poplawski in die gusseisern­e Zäpfchenfo­rm. Etwa eine Viertelstu­nde muss die Masse danach aushärten.
SUSANN SALZMANN (2)
Das erhitzte Hartfett mit Paracetamo­l-Wirkstoff gießt die Pharmazeut­isch-technische Assistenti­n Katharina Poplawski in die gusseisern­e Zäpfchenfo­rm. Etwa eine Viertelstu­nde muss die Masse danach aushärten. SUSANN SALZMANN (2)

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