Der Mann als Verführer
Was ein Psychotherapeut und ein Partnerbörsen-Betreiber in Nordhausen über Mozarts „Don Giovanni“sagen
Allein das Podium fasziniert: Ein Partnerbörsen-Betreiber, ein Verhaltenstherapeut, eine Kunsthistorikern, eine Bibliotheksleiterin und ein Operndirektor haben sich am Sonntag zum Kunstsalon des Theaters zusammengefunden. Der Stoff vereint ihre Professionen: Don Giovanni, eine Figur, die in der spanischen Dramatik schon Anfang des 17. Jahrhunderts als Don Juan auftaucht und eine, um die Wolfgang Amadeus Mozart eine Oper geschrieben hat.
Am 27. Januar feiert diese in Sondershausen Premiere – Anlass genug, um über den skrupellosen
Frauenverführer zu reden. Für den, meint Mario Friedrich, Betreiber von „Harzflirt“aus Wernigerode, wäre es heute ein Paradies angesichts der „Möglichkeiten, quasi in der Hosentasche Frauen kennenzulernen“. Wobei er selbst eher eine Geschäftsschädigung befürchte für seine Online-Partnervermittlung. „Denn er zerstört das Vertrauen der Frauen.“Würde er Don Giovanni heute begegnen, Friedrich würde ihm eine Therapie empfehlen.
Frank Bangert aus Roßleben hört’s und lächelt: „Wenn er denn käme.“Wäre dies der Fall, würde er als Verhaltenstherapeut zwar einen „hohen Leidensdruck“sehen, „aber das Problem wäre, dass er selbst dies überhaupt nicht erkennen würde“. Ja, Don Giovanni sei der „Archetyp des sich Nehmenden“, stimmt Bangert Bibliotheksleiterin Hildegard Seidel zu. Wobei nur verführt werden könne, wer sich verführen lässt, will er die Frauen nicht einzig als Opfer sehen.
Mittäterschaft hin oder her, sie seien jedenfalls auch Opfer eines Soziopathen, lässt Nordhausens Operndirektor Benjamin Prins kein gutes Haar an Mozarts Titelhelden: „Er hat kein Einfühlungsvermögen in andere Menschen, er verführt Frauen und wirft sie dann weg – er zerstört sie. Er ist ein Frauenkonsumierer, der keine Ahnung hat von seiner innigen Leere.“
Das Don-Giovanni-Bild vom „Held der Antikonventionalität“der 1970er-Jahre als der Zeit der sexuellen Befreiung sei überholt gerade in Zeiten von „#MeToo“. Einer Zeit, in der 18- bis 25-jährige Männer bei Verhaltenstherapeut Bangert Hilfe suchen, weil sie sich gar nicht mehr trauen, Frauen anzusprechen. Käme ein Don Giovanni heute in seine Praxis, Bangert würde ihm raten zu versuchen, ein Casanova zu werden: ein Verführer mit dem Ziel, Frauen glücklich zu machen. Und: „Er sollte sich ‘Don Giovanni’ anschauen, um zu sehen, wie es endet.“In Mozarts Oper, nach dem Libretto von Lorenzo Da Ponte, fährt Don Giovanni zur Hölle.