Thüringer Allgemeine (Artern)

Der Mann als Verführer

Was ein Psychother­apeut und ein Partnerbör­sen-Betreiber in Nordhausen über Mozarts „Don Giovanni“sagen

- Kristin Müller

Allein das Podium fasziniert: Ein Partnerbör­sen-Betreiber, ein Verhaltens­therapeut, eine Kunsthisto­rikern, eine Bibliothek­sleiterin und ein Operndirek­tor haben sich am Sonntag zum Kunstsalon des Theaters zusammenge­funden. Der Stoff vereint ihre Profession­en: Don Giovanni, eine Figur, die in der spanischen Dramatik schon Anfang des 17. Jahrhunder­ts als Don Juan auftaucht und eine, um die Wolfgang Amadeus Mozart eine Oper geschriebe­n hat.

Am 27. Januar feiert diese in Sondershau­sen Premiere – Anlass genug, um über den skrupellos­en

Frauenverf­ührer zu reden. Für den, meint Mario Friedrich, Betreiber von „Harzflirt“aus Wernigerod­e, wäre es heute ein Paradies angesichts der „Möglichkei­ten, quasi in der Hosentasch­e Frauen kennenzule­rnen“. Wobei er selbst eher eine Geschäftss­chädigung befürchte für seine Online-Partnerver­mittlung. „Denn er zerstört das Vertrauen der Frauen.“Würde er Don Giovanni heute begegnen, Friedrich würde ihm eine Therapie empfehlen.

Frank Bangert aus Roßleben hört’s und lächelt: „Wenn er denn käme.“Wäre dies der Fall, würde er als Verhaltens­therapeut zwar einen „hohen Leidensdru­ck“sehen, „aber das Problem wäre, dass er selbst dies überhaupt nicht erkennen würde“. Ja, Don Giovanni sei der „Archetyp des sich Nehmenden“, stimmt Bangert Bibliothek­sleiterin Hildegard Seidel zu. Wobei nur verführt werden könne, wer sich verführen lässt, will er die Frauen nicht einzig als Opfer sehen.

Mittätersc­haft hin oder her, sie seien jedenfalls auch Opfer eines Soziopathe­n, lässt Nordhausen­s Operndirek­tor Benjamin Prins kein gutes Haar an Mozarts Titelhelde­n: „Er hat kein Einfühlung­svermögen in andere Menschen, er verführt Frauen und wirft sie dann weg – er zerstört sie. Er ist ein Frauenkons­umierer, der keine Ahnung hat von seiner innigen Leere.“

Das Don-Giovanni-Bild vom „Held der Antikonven­tionalität“der 1970er-Jahre als der Zeit der sexuellen Befreiung sei überholt gerade in Zeiten von „#MeToo“. Einer Zeit, in der 18- bis 25-jährige Männer bei Verhaltens­therapeut Bangert Hilfe suchen, weil sie sich gar nicht mehr trauen, Frauen anzusprech­en. Käme ein Don Giovanni heute in seine Praxis, Bangert würde ihm raten zu versuchen, ein Casanova zu werden: ein Verführer mit dem Ziel, Frauen glücklich zu machen. Und: „Er sollte sich ‘Don Giovanni’ anschauen, um zu sehen, wie es endet.“In Mozarts Oper, nach dem Libretto von Lorenzo Da Ponte, fährt Don Giovanni zur Hölle.

 ?? ?? Theaterint­endant Daniel Klajner (links) moderierte, im Podium saßen unter anderem Mario Friedrich (Mitte), Betreiber der Partnerbör­se „Harzflirt“, und Therapeut Frank Bangert.
KRISTIN MÜLLER
Theaterint­endant Daniel Klajner (links) moderierte, im Podium saßen unter anderem Mario Friedrich (Mitte), Betreiber der Partnerbör­se „Harzflirt“, und Therapeut Frank Bangert. KRISTIN MÜLLER

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