Meistgesuchter Mafioso verhaftet
50 Morde soll der Chef der Cosa Nostra organisiert haben, darunter den von Richter Falcone
Über Jahrzehnte hinweg war er als „der Unsichtbare“bekannt. 30 Jahre lang wurde er gesucht, viele dachten, dass er bereits tot sei. Jetzt hat die Polizei den Chef der sizilianischen Cosa Nostra, Matteo Messina Denaro, verhaftet. Wie die Carabinieri mitteilten, ist der Mafia-Boss und meistgesuchte Verbrecher Italiens in einer Privatklinik in Palermo festgenommen worden, wo er behandelt wurde.
In den vergangenen Jahrzehnten suchten diverse Anti-Mafia-Agenten der Carabinieri und der Polizei nach dem Mann. Bei unzähligen Razzien auf Sizilien aber wurde er immer wieder verpasst.
Dem 1993 gesuchten Boss werden mindestens 50 Morde zur Last gelegt. Den ersten soll der heute 60Jährige im Alter von 18 Jahren begangen haben.
Laut den Ermittlern war Messina Denaro bereits seit einem Jahr in der Klinik La Maddalena in Palermo in Behandlung wegen eines Tumors. Er leistete bei der Festnahme keinen Widerstand. Das ewige Phantom gilt als mächtigster Mann der sizilianischen Mafia und als Nachfolger des 2017 im Alter von 87 Jahren in einem Hochsicherheitsgefängnis gestorbenen MafiaPaten Salvatore „Totò“Riina.
Denaro wurde in Abwesenheit wegen etlicher Morde zu lebenslanger Haft verurteilt und gilt als Mitverantwortlicher für die tödlichen Bombenanschläge auf die Mafia-Jäger Giovanni Falcone und Paolo Borsellino im Jahr 1992. Diese Taten hatten Italien geschockt und zu einer neuen Offensive gegen die Organisierte Kriminalität geführt.
Jahrelang gab es von Messina Denaro lediglich ein Phantombild aus den frühen 1990er-Jahren. In den Zeitungen erschienen die immer gleichen Fotos des Mafioso, die ihn als jungen Mann zeigen. Besonders berühmt ist ein Porträt mit Brille. Das Bild wurde dann mit einem neuen Computerprogramm aktualisiert, das den Alterungsprozess bis ins kleinste Detail berücksichtigte. Im jüngsten Bild erscheint der „Diabolik“genannte Mafia-Boss sichtlich gealtert und mit schütterem Haar.
Messina Denaro gilt als ein untypischer Boss, weil er sich für mehr als nur das Verbrechen interessiert: Er mag Kunst und Archäologie. Zudem werden ihm viele Geliebte nachgesagt.
Der Boss hatte die Organisation der Cosa Nostra nach der Festnahme des Paten Bernardo Provenzano im Jahr 2006 in die Hand genommen und zuletzt öfters Auslandsreisen unternommen. Seine Geschäftstätigkeit
hatte der MafiaBoss auf Südamerika ausgedehnt.
Die Festnahme Messina Denaros wird auch als Erfolg für die seit Oktober amtierende italienische Regierungschefin Giorgia Meloni gefeiert, die von einem „großen Sieg für den Staat“sprach. Sie dankte den Ermittlern für „die Festnahme des wichtigsten Vertreters der Mafia“. „Die Regierung sorgt dafür, dass der Kampf gegen die Mafia-Kriminalität unvermindert fortgesetzt wird“, kommentierte Meloni.
Auch der Bürgermeister von Palermo war voll des Lobes: „Die Festnahme des Bosses Messina Denaro ist ein großer Sieg für den Staat und ein Wendepunkt im Kampf der Institutionen und der Strafverfolgungsbehörden gegen die Mafia. Mein herzlicher Dank gilt allen Ermittlern“,
sagte Roberto Lagalla.
Der aus Palermo stammende italienische Staatschef Sergio Mattarella, dessen Bruder Piersanti in den 1980-er Jahren von der Mafia ermordet wurde, gratulierte den Ermittlern zur Festnahme des Bosses.
Oppositionsführer Enrico Letta von den Sozialdemokraten twitterte: „Am Ende verliert die Mafia immer. Das ist die zentrale Botschaft dieses historischen 16. Januar.“Der frühere Ministerpräsident Matteo Renzi sprach von einem „Festtag für das ganze Land“.
Die Verhaftung Messina Denaros ist ein schwerer Schlag für die Cosa Nostra, die Mafia auf Sizilien. Sie ist historisch die älteste der italienischen Verbrecherorganisationen, leidet jedoch zunehmend an der Konkurrenz durch die ’Ndrangheta in Kalabrien, die sich auf Wirtschaftskriminalität und internationalen Drogenhandel spezialisiert hat.
Die Cosa Nostra entstand auf Sizilien und ist geprägt von einer hierarchischen Struktur. Ihr Zusammenhalt stützt sich weitgehend auf einen internen Kodex mit strengen Verhaltensregeln. Die Organisation zählt rund 5500 Clan-Mitglieder und 180 Cosa-Nostra-Familien. Das Einflussgebiet erstreckt sich auf Sizilien, Apulien sowie Mittel- und Norditalien.