Thüringer Allgemeine (Artern)

Meistgesuc­hter Mafioso verhaftet

50 Morde soll der Chef der Cosa Nostra organisier­t haben, darunter den von Richter Falcone

- Micaela Taroni

Über Jahrzehnte hinweg war er als „der Unsichtbar­e“bekannt. 30 Jahre lang wurde er gesucht, viele dachten, dass er bereits tot sei. Jetzt hat die Polizei den Chef der sizilianis­chen Cosa Nostra, Matteo Messina Denaro, verhaftet. Wie die Carabinier­i mitteilten, ist der Mafia-Boss und meistgesuc­hte Verbrecher Italiens in einer Privatklin­ik in Palermo festgenomm­en worden, wo er behandelt wurde.

In den vergangene­n Jahrzehnte­n suchten diverse Anti-Mafia-Agenten der Carabinier­i und der Polizei nach dem Mann. Bei unzähligen Razzien auf Sizilien aber wurde er immer wieder verpasst.

Dem 1993 gesuchten Boss werden mindestens 50 Morde zur Last gelegt. Den ersten soll der heute 60Jährige im Alter von 18 Jahren begangen haben.

Laut den Ermittlern war Messina Denaro bereits seit einem Jahr in der Klinik La Maddalena in Palermo in Behandlung wegen eines Tumors. Er leistete bei der Festnahme keinen Widerstand. Das ewige Phantom gilt als mächtigste­r Mann der sizilianis­chen Mafia und als Nachfolger des 2017 im Alter von 87 Jahren in einem Hochsicher­heitsgefän­gnis gestorbene­n MafiaPaten Salvatore „Totò“Riina.

Denaro wurde in Abwesenhei­t wegen etlicher Morde zu lebenslang­er Haft verurteilt und gilt als Mitverantw­ortlicher für die tödlichen Bombenansc­hläge auf die Mafia-Jäger Giovanni Falcone und Paolo Borsellino im Jahr 1992. Diese Taten hatten Italien geschockt und zu einer neuen Offensive gegen die Organisier­te Kriminalit­ät geführt.

Jahrelang gab es von Messina Denaro lediglich ein Phantombil­d aus den frühen 1990er-Jahren. In den Zeitungen erschienen die immer gleichen Fotos des Mafioso, die ihn als jungen Mann zeigen. Besonders berühmt ist ein Porträt mit Brille. Das Bild wurde dann mit einem neuen Computerpr­ogramm aktualisie­rt, das den Alterungsp­rozess bis ins kleinste Detail berücksich­tigte. Im jüngsten Bild erscheint der „Diabolik“genannte Mafia-Boss sichtlich gealtert und mit schütterem Haar.

Messina Denaro gilt als ein untypische­r Boss, weil er sich für mehr als nur das Verbrechen interessie­rt: Er mag Kunst und Archäologi­e. Zudem werden ihm viele Geliebte nachgesagt.

Der Boss hatte die Organisati­on der Cosa Nostra nach der Festnahme des Paten Bernardo Provenzano im Jahr 2006 in die Hand genommen und zuletzt öfters Auslandsre­isen unternomme­n. Seine Geschäftst­ätigkeit

hatte der MafiaBoss auf Südamerika ausgedehnt.

Die Festnahme Messina Denaros wird auch als Erfolg für die seit Oktober amtierende italienisc­he Regierungs­chefin Giorgia Meloni gefeiert, die von einem „großen Sieg für den Staat“sprach. Sie dankte den Ermittlern für „die Festnahme des wichtigste­n Vertreters der Mafia“. „Die Regierung sorgt dafür, dass der Kampf gegen die Mafia-Kriminalit­ät unverminde­rt fortgesetz­t wird“, kommentier­te Meloni.

Auch der Bürgermeis­ter von Palermo war voll des Lobes: „Die Festnahme des Bosses Messina Denaro ist ein großer Sieg für den Staat und ein Wendepunkt im Kampf der Institutio­nen und der Strafverfo­lgungsbehö­rden gegen die Mafia. Mein herzlicher Dank gilt allen Ermittlern“,

sagte Roberto Lagalla.

Der aus Palermo stammende italienisc­he Staatschef Sergio Mattarella, dessen Bruder Piersanti in den 1980-er Jahren von der Mafia ermordet wurde, gratuliert­e den Ermittlern zur Festnahme des Bosses.

Opposition­sführer Enrico Letta von den Sozialdemo­kraten twitterte: „Am Ende verliert die Mafia immer. Das ist die zentrale Botschaft dieses historisch­en 16. Januar.“Der frühere Ministerpr­äsident Matteo Renzi sprach von einem „Festtag für das ganze Land“.

Die Verhaftung Messina Denaros ist ein schwerer Schlag für die Cosa Nostra, die Mafia auf Sizilien. Sie ist historisch die älteste der italienisc­hen Verbrecher­organisati­onen, leidet jedoch zunehmend an der Konkurrenz durch die ’Ndrangheta in Kalabrien, die sich auf Wirtschaft­skriminali­tät und internatio­nalen Drogenhand­el spezialisi­ert hat.

Die Cosa Nostra entstand auf Sizilien und ist geprägt von einer hierarchis­chen Struktur. Ihr Zusammenha­lt stützt sich weitgehend auf einen internen Kodex mit strengen Verhaltens­regeln. Die Organisati­on zählt rund 5500 Clan-Mitglieder und 180 Cosa-Nostra-Familien. Das Einflussge­biet erstreckt sich auf Sizilien, Apulien sowie Mittel- und Norditalie­n.

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Matteo Messina Denaro (r.), Chef der sizilianis­chen Cosa Nostra, nach seiner Festnahme im Polizeiwag­en.
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Alterungsp­rozess wurde der Per Computer nachempfun­den. AFP von Denaro Matteo Messina Denaro (r.), Chef der sizilianis­chen Cosa Nostra, nach seiner Festnahme im Polizeiwag­en. DPA
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Anschlag auf Anti-Mafia-Richter Falcone. PA/ FARABOLA/LEEMAGE

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