Riesenhirsch lockt zur Saisoneröffnung
Die neue 3D-Animation der Ausgrabungsstätte Steinrinne begeistert die Besucher. Auch Schüler sind angereist
Ein sanfter Frühlingswind streift über die grünen Felder des Thüringer Beckens. Beim Erreichen der Ausgrabungsstätte Steinrinne in Bilzingsleben wird man sofort von der Weite der Landschaft und der besonderen Aussicht überrascht. Bilzingsleben mit seinen 700 Einwohnern ist nur aus der Ferne zu erkennen. Hier, mitten in der Natur, können Besucher in die Vergangenheit blicken. Enrico Brühl, Archäologe und Leiter dieser historischen Stätte, eröffnet am Mittwoch, 20. März, die Saison.
Riesengeweih ließ keinen Platz zwischen Waldbäumen
Konzentriert betrachtet der Archäologe verschiedene Funde, nicht größer als ein paar wenige Zentimeter, die er sorgfältig auf seinem Schreibtisch ausgebreitet hat. „Vor rund 100.000 Jahren haben sowohl Neandertaler als auch vor etwa 30.000 Jahren Jäger der Eiszeit hier ihre Spuren hinterlassen“, sagt er. Die Funde sind Werkzeuge und
Abfälle der Werkzeugherstellung.
Der Fund mit der größten weltweiten Bedeutung der Steinrinne Bilzingsleben ist jedoch der Homo erectus Bilzingslebenensis, der vor etwa 400.000 Jahren gelebt hat. Er gehört damit zu den frühesten Menschenfunden in Mittel- und Nordwesteuropa. Insgesamt seien hier in
der Ausgrabungsstätte sieben bis acht Tonnen Knochen gefunden worden, die 400.000 Jahre alt sind, darunter auch Jagdbeute der damaligen Menschen wie Elefanten, Nashörner, Wildpferde, Wildrinder, Hirsche und Biber.
Ein Höhepunkt für die Besucher in dieser Saison ist die neue Animation des majestätischen Riesenhirschs, der diese Region durchstreifte. Sie ist eine von insgesamt sieben Tieranimationen, die in der Ausgrabungsstätte zu bestaunen sind. „Wir wissen, dass der Riesenhirsch zur damaligen Zeit hier lebte, durch andere Fundstellen im mitteldeutschen Raum“, sagt Brühl. Ihre eigenen Funde könnten noch nicht eindeutig zugeordnet werden.
Einige Gäste kommen bereits am Auftakttag
In der 3D-Visualisierung werden die Ausmaße seines Geweihs dargestellt, das eine beachtliche Breite von 3,60 Metern hatte. Der Leiter der historischen Stätte erklärt, dass der Riesenhirsch, mit seinem imposanten Geweih, nicht im dichten Wald lebte, sondern in Steppenlandschaften und sich überwiegend von Wermutkräutern ernährte. Für den Archäologen ist der Gigant etwas Besonderes. „So etwas sehen wir heute nicht mehr. Das ist ein völlig anderer Hirsch als der, den wir heute kennen. Daher habe ich mich dazu entschieden, ihn für die neue
Animation auszuwählen“, sagt Brühl.
„Guten Tag“, ertönt es plötzlich bei der Anmeldung in Enrico Brühls Büro. Kaum hat er die Saison eröffnet, warten einige Besucher gespannt vor der Tür. Nachdem sie ein Ticket gekauft haben, geht es los auf eine Reise in die Vergangenheit. Unter den Gästen sind auch Schülerinnen und Schüler der JanuszKorczak-Schule aus Höngeda. Der Sozialkundelehrer der Sonderschulklasse erklärt, dass der Besuch der Ausgrabungsstätte den Schülern eine tolle Möglichkeit bietet, Geschichte hautnah zu erleben und haptische Erfahrungen zu sammeln. Die Kinder könnten dadurch ein besseres Verständnis für die Geschichte und die Lebensweise früherer Menschen entwickeln.
Enrico Brühl hofft auch in dieser Saison wieder auf zahlreiche Besucher. Die 6000er-Marke wurde im vergangenen Jahr nur knapp verfehlt, ob sie in diesem Jahr erreicht wird, sei erstmal ungewiss. Brühl ist jedoch zuversichtlich. Einige Reisegruppen hätten sich bereits angekündigt.