Rudern auf der verseuchten Themse
Mitglieder des Teams der Universität Oxford erkranken nach Traditionsrennen auf dem Fluss
Das alljährliche Ruderrennen zwischen den Teams der Universitäten Oxford und Cambridge nahm in diesem Jahr eine düstere Wendung: Drei Mitglieder der Mannschaft aus Oxford zogen sich während der Trainingsrunden für die traditionsreiche Sportveranstaltung, die am Wochenende im Westen Londons auf der Themse abgehalten wurde, schwere Magenerkrankungen zu. Die Ursache der Erkrankungen könne man nicht klar zuordnen, schrieb die Mannschaft aus Oxford zwar anschließend in einer Erklärung. Der Verdacht liegt jedoch nahe, dass das Wasser der Themse verantwortlich war, da der Fluss seit Tagen stark mit Abwasser verseucht ist. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Bootsrennens ruderten durch menschliche Exkremente und Toilettenpapier.
Jedes Jahr fließen ungeklärte Abwässer in die Flüsse
Der Vorfall ist in Großbritannien keine Seltenheit. Die Wasserversorger des Landes entlassen jedes Jahr gewaltige Mengen ungeklärter Abwässer in die Flüsse und ins Meer. An etlichen Stränden und Flüssen warnen Schilder davor, ins Wasser zu gehen. In England, wo die Versorgung
mit Trinkwasser und die Beseitigung des Abwassers seit Ende der 1980er-Jahre vollständig durch profitorientierte Privatunternehmen erfolgt, ist das Problem besonders gravierend: Dort haben die Wasserversorger im vergangenen Jahr 3,6 Millionen Stunden lang ungeklärte Abwässer in Flüsse und ins Meer abgelassen: doppelt so lang wie im Vorjahr, neuer Rekordwert.
Die weltweit einzigartigen Privatisierungen gehen auf die ehemalige Premierministerin Margaret Thatcher zurück. Sie privatisierte 1989 die Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung in England und Wales. Die fünf Milliarden Pfund Schulden, die der Sektor damals angehäuft hatte, erließ sie den neu gegründeten zehn Unternehmen, die regionale Monopole erhielten. Die Privatisierungen sollten Investitionen über den Privatsektor anregen, ohne auf Steuergelder zurückzugreifen oder auf staatliche Kreditaufnahmen angewiesen zu sein.
Doch es kam anders. Denn viele der Wasserversorger wurden ab den 2000er-Jahren zunehmend von Finanzakteuren übernommen. Und die beluden die Unternehmen mit hohen Schulden, die sie sich teilweise als Dividenden auszahlten. Diese Dividendenzahlungen belaufen sich mittlerweile auf 56 Milliarden Pfund. Im Gegenzug nahmen die Unternehmen rund 60 Milliarden Pfund an Schulden auf. Investitionen in die oft noch aus viktorianischer Zeit stammenden Wasserund Abwassernetze wurden oft auf das Nötigste zurückgefahren.
Vielerorts führen bereits vergleichsweise geringe Niederschläge dazu, dass Kläranlagen die Wassermassen nicht mehr bewältigen können. Das ungeklärte Abwasser entweicht dann über Sicherheitsventile in Flüsse und ins Meer. Da der öffentliche Druck über diese Missstände immer mehr wächst, versucht nun auch die Regulierungsbehörde Ofwat, die für die Wasserversorger zuständig ist, durchzugreifen. Mit gemischtem Erfolg. Denn die Investoren hinter einigen der Wasserversorger halten dagegen. Das könnte sogar zur Verstaatlichung von Thames Water führen – dem Versorger, durch dessen Abwasser die Ruderteams paddeln mussten.
Der größte Wasserversorger des Landes, der auch für die Wasserversorgung in London zuständig ist, ist aktuell mit 18 Milliarden Pfund verschuldet und steht offenbar kurz vor der Zahlungsunfähigkeit. Zu den größten Investoren des Unternehmens zählen der kanadische Pensionsfonds Omers, die britische Universities Superannuation Scheme, der Staatsfonds Chinas und eine Tochtergesellschaft des Staatsfonds von Abu Dhabi. Sie weigern sich Berichten zufolge, 500 Millionen Pfund an Notgeldern zur Verfügung zu stellen, um die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens zu verhindern. Die Investoren forderten auch, die Wasserrechnungen für die Kunden um 40 Prozent zu erhöhen, um die Dividendenzahlungen nicht zu gefährden. Das sorgt nun selbst innerhalb der konservativen Regierung für Ärger. Michael Gove, Minister für Wohnen, Kommunen und lokale Selbstverwaltung, sagte, Thames Water verhalte sich arrogant. „Wir sehen nun schon seit Jahren, dass nachfolgende ManagementTeams die Kunden ausgenutzt haben. Sie haben Gewinne abgeschöpft, ohne zu investieren, wie sie es hätten tun sollen.“