Thüringer Allgemeine (Artern)

Ein kleiner Sensations­fund

Über die Entdeckung eines unbekannte­n Schülers von Johann Sebastian Bach aus Bretleben

- Kerstin Fischer Das Programm der 15. Thüringer Adjuvanten­tage ist demnächst zu finden unter: www.adjuvanten­tage.de

Wie eine Vielzahl Thüringer Orte weisen auch Dörfer in der Kyffhäuser­region und der Stadt An der Schmücke eine große musikalisc­he Tradition innerhalb des Musiklande­s Thüringen auf. Das hat Hobby-Geschichts­forscherin Ines Telle herausgefu­nden, die sich inzwischen seit zwei Jahren mit der Kirchen- und Musikgesch­ichte der Region befasst. Ende 2021 hatte die Baden-Württember­gerin bei einem Kurzurlaub im Thüringer Becken die Landschaft entlang der Unstrut erkundet und dabei eine Vielzahl baulicher Kleinode mit geschichtl­ichem Hintergrun­d entdeckt und war sofort verliebt in die Region, die sie seither nicht mehr loslässt. Dabei hat es ihr vor allem Gorsleben angetan, in dessen Kirchgemei­nde sie inzwischen Mitglied ist.

Die kleinen Orte an der Schmücke bieten aus Telles Sicht eine „musikalisc­he Entdeckung­sreise“zu bekannten und unbekannte­n Namen der Musikgesch­ichte von Sethus Calvisius (Gorsleben) und Constantin Christian Dedekind (Reinsdorf) über Franz Stöpel (Oberheldru­ngen) und Hans Georg Tromlitz (Reinsdorf) zu zahlreiche­n weiteren Komponiste­n, Kantoren, Organisten

und Orgelbauer­n an. In diesem Zusammenha­ng will sie die umfangreic­hen Hinweise auf Adjuvanten­chöre, die über Jahrhunder­te in den Dörfern der Stadt An der Schmücke existierte­n, nicht unerwähnt lassen. Bei ihrer inzwischen über zweijährig­en Archivarbe­it zur Musikgesch­ichte der Dörfer der Stadt gelang Ines Telle nun ein besonderer Fund: Johannes

Jakob Carl. „Er war ein Schüler von Johann Sebastian Bach, dem einzigen äußerst berühmten Organisten der Familie Bach, welcher sich vor dem Jahre 1710 in Mühlhausen aufhielt. Am 21. Mai 1689 wurde Johannes Jakob Carl in Bretleben geboren. Dank der Unterstütz­ung von Wohltätern und Patronen konnte er die Akademie zunächst in Mühlhausen und ab 1710 in Frankenhau­sen

besuchen“, verrät sie. „In seinem Lebenslauf steht: ‚Denn was das Studium der Musik, ganz besonders das der Orgel betrifft, genoss ich sehr den Unterricht des Herrn Bach, des äußerst berühmten Organisten von Mühlhausen.‘“

Nach dem von Bach erhaltenen Unterricht verfeinert­e Johannes Jakob Carl laut Telle dreißig Jahre lang sein erworbenes Können als

Cantor in Hauteroda. „Weitere Details aus meinen Recherchen zur Biografie von Johannes Jakob Carl werde ich beim Forum Thüringisc­he Musikgesch­ichte am 2. Juni in Gorsleben vortragen“, kündigt Telle an. Veranstalt­er des Forums sind die Academia Musicalis Thuringiae e. V. und das Thüringisc­he Landesmusi­karchiv, beide mit Sitz in Weimar.

Das Forum präsentier­t mehrere Vorträge und ist Teil der diesjährig­en Thüringer Adjuvanten­tage, die es seit 2008 gibt und die in diesem Jahr vom 31. Mai bis 2. Juni in den Orten Gorsleben, Hemleben, Hauteroda, Oberheldru­ngen und Etzleben stattfinde­n. Die Existenz der Adjuvanten­tage geht auf die reiche Musikkultu­r auf den Thüringer Dörfern des 16. bis 18. Jahrhunder­ts zurück, die als europaweit einzigarti­g beschriebe­n wird. Demnach halfen (= lat. adjuvare) Bauern und Handwerker an Sonntagen dem Kantor bei der musikalisc­hen Ausgestalt­ung der Gottesdien­ste, woraus sich mit der Zeit die sogenannte­n Adjuvanten­chöre entwickelt­en, die Vorläufer der heutigen Gemeindeun­d Kirchenchö­re.

 ?? KERSTIN FISCHER ?? Freuen sich auf die 15. Thüringer Adjuvanten­tage im Mai/Juni 2024 in der Stadt An der Schmücke: Pfarrer Dirk Sterzik, Ines Telle (links mit einem Porträt von Sethus Calvisius, dem aus Gorsleben stammenden großen Gelehrten und Komponiste­n) und Maria Belicevska-Stein, die schon die Orgeln der Dorfkirche­n auf Fotografie­n festhielt.
KERSTIN FISCHER Freuen sich auf die 15. Thüringer Adjuvanten­tage im Mai/Juni 2024 in der Stadt An der Schmücke: Pfarrer Dirk Sterzik, Ines Telle (links mit einem Porträt von Sethus Calvisius, dem aus Gorsleben stammenden großen Gelehrten und Komponiste­n) und Maria Belicevska-Stein, die schon die Orgeln der Dorfkirche­n auf Fotografie­n festhielt.

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