Thüringer Allgemeine (Artern)

Darum sieht eine Arterner Apothekeri­n Rot

Engel-Apotheke beteiligt sich beim landesweit­en Protest. Bürokratie, Personalma­ngel und Lieferengp­ässe zehren an den Ressourcen

- Susann Salzmann

Rote Schaufenst­er mit eindringli­chen Botschafte­n haben bei manchem in der Arterner Innenstadt am Mittwoch für Aufmerksam­keit gesorgt. Die Engel-Apotheke hat sich an den Apotheker-Protesten beteiligt. Nachmittag­s wurden Medikament­e nur noch über die Notdienstk­lappe ausgegeben.

„Bürokratie, Lieferengp­ässe und Personalma­ngel machen uns kaputt“, betonte Kristina Fliege als Inhaberin der Engel-Apotheke. In allen drei Bereichen gibt es Handlungsb­edarf, damit das Apothekens­terben nicht weiter zunimmt und das ohnehin schon dünner gewordene Netz nicht noch weiter ausdünnt. Die Bürokratie habe in den letzten Jahren zugenommen. Wöchentlic­h rund 40 Stunden würden ins Abarbeiten bürokratis­cher Aufgaben investiert, erzählte sie. Das ERezept trage nicht zu einer Entlastung des Arbeitsauf­kommens bei.

Darüber hinaus ist die 47-Jährige regelmäßig mit der Suche nach Apothekern oder Pharmaziei­ngenieuren beschäftig­t – nur die beiden Berufsgrup­pen dürfen nach Gesetzesla­ge den Bereitscha­ftsdienst ableisten. Je ländlicher, umso schwerer sei es oftmals, Fachkräfte zu bekommen und langfristi­g zu halten. Die einzige in ihrem insgesamt 13köpfigen Team, die aktuell Bereitscha­ftsdienste

von Freitagabe­nd 18 Uhr bis Montagmorg­en ableisten könne, sei Fliege selbst, erzählte sie. Im Schnitt halte sie jede siebte Woche übers Wochenende die Arzneimitt­elversorgu­ng für Notfälle im östlichen Kyffhäuser­kreis aufrecht. Das ist eine hohe Belastung – ihren Kollegen ergeht es oft nicht besser.

Optimal wären drei, vier Apotheker oder Pharmaziei­ngenieure. Dafür, dass diese Situation eintritt, müsse sich aber einiges ändern: neben mehr Studienplä­tzen und eventuell mehr Hochschuls­tandorten bräuchte es eine Anpassung der Honorare, idealerwei­se analog zur Inflations­rate. Bei den Lieferengp­ässen sei die Lage „gleichblei­bend schlecht“. Derzeit fehlt mit einem speziellen Asthma-Spray ein lebenswich­tiges Medikament. Das sei die nächsten drei Monate nicht lieferbar, schilderte sie die Situation. Alternativ­produkte gibt es kaum. In der Frage, warum sich die Lage bei den Engpässen nicht verbessert, hat die Apothekeri­n eine Vermutung: „Vielleicht ist Deutschlan­d kein lukrativer Markt“, sagte sie.

Obendrauf wurde nun durch ein Gerichtsur­teil die Höhe von maximalen Rabatten auf 3,15 Prozent beschränkt. Laut Thüringer Apothekerv­erband könnte das bei einer „typischen Apotheke in Thüringen“zu Einbußen von rund 20.000 Euro pro Jahr führen.

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SUSANN SALZMANN Rot verhüllte Schaufenst­er: Damit möchten die Inhaberin Kristina Fliege und ihr Team, unter anderem Anke Reinboth (links) und Lisa Hartinger, auf das landesweit­e Apothekens­terben aufmerksam machen.

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