Thüringer Allgemeine (Artern)

Theater glänzt im Provisoriu­m

Der Saal im neuen Anbau ist oft nahezu ausverkauf­t. Intendant stellt nun das Programm der nächsten Spielzeit vor

- Kristin Müller

Theaterint­endant Daniel Klajner spürt „Rückenwind“: von den Finanziers wie vom Volk. „Der Publikumsz­uspruch in der laufenden Saison ist fulminant“, sagt er angesichts einer Auslastung der Vorstellun­gen von im Schnitt 81,6 Prozent. Und das in einer Interimssp­ielstätte. Als solche fungiert der neue Anbau seit September.

Mit 317 Plätzen hat der Zuschauers­aal etwa zwei Drittel der Kapazität des historisch­en Theaters. Dieses wird noch bis 2026 Baustelle sein. Ja, der Lärm von dort dringe manchmal in die Büros, aber der sei „Musik in unseren Ohren“, sagt Klajner voller Vorfreude auf die Wiedereröf­fnung.

Noch leben die Künstler mit Provisorie­n, fehlen Seiten- und Hinterbühn­e, gibt es weder Schnürbode­n noch Orchesterg­raben. Da sei Fantasie gefragt, sagt Ballettdir­ektor Ivan Alboresi, nach Auswirkung­en der räumlichen Gegebenhei­ten auf die Stückauswa­hl. Mit „listenreic­hen Ausstattun­gen“gelinge selbst die „Grand opéra“, ergänzt Operndirek­tor Benjamin Prins.

Musicalfre­unde können sich auf amouröses Stück freuen

Am Freitag kündigt er mit Bizets französisc­hsprachige­r „Carmen“und Mozarts italienisc­hsprachige­r „Idomeneo“zwei Inszenieru­ngen aus seiner Feder in der nächsten Spielzeit an. Marian Kalus inszeniert die dritte Oper der nächsten Spielzeit halbkonzer­tant, Tschaikows­kys Spätwerk „Jolanthe“.

Ein schöner Kontrast dazu: die Lustspielo­perette „Märchen im Grand-Hotel“von Gastregiss­eur Matthias Kitter. Der hat sich mit dem „Liebestran­k“oder „Brenner & Brenner“längst in die Herzen des Publikums inszeniert. Zwei Musical-Produktion­en sind geplant

Musicalfre­unde können sich auf das amouröse Stück „Gefährlich­e Liebschaft­en“freuen, 2015 erstmals in München uraufgefüh­rt. Und natürlich auf die Sondershäu­ser Schlossfes­tspiele: Mit „Zorro“bringt das Theater dann eine herzzerrei­ßende Liebesgesc­hichte auf die Bühne, dazu spektakulä­re Tanzund Fechtszene­n und eine überaus emotionale Musik, ergänzt durch Hits der „Gipsy Kings“.

Eine Nordhäuser Uraufführu­ng gehört ebenso zu den 17 neuen Produktion­en der Spielzeit 2024/25: Intendant Klajner will mit Laiendarst­ellern, -musikern und -sängern sein Singspiel „Der Stern von Bethlehem“

in der Herzschlag­kirche aufführen – so wie zu Beginn seiner Intendanz das „Luther“-Musical in St. Blasii.

Dass es das Ballett als eigenständ­ige Sparte seit nunmehr sieben Jahrzehnte­n gibt, nimmt Ballettdir­ektor Alboresi zum Anlass, bei der Ballettgal­a auch seine Vorgänger wie Jutta Ebnother zum Zug kommen zu lassen. Dem vor 250 Jahren geborenen Caspar David Friedrich, seinen Sichten auf das Verhältnis

von Mensch und Natur widmet er einen Teil eines Ballettabe­nds.

Veranstalt­ungsreihe zur Befreiung des KZ Mittelbau-Dora

Mit einer ganzen Veranstalt­ungsreihe breiten Raum bekommt nächstes Jahr das Gedenken an die Befreiung des Konzentrat­ionslagers Mittelbau-Dora vor dann 80 Jahren. Beim 5. Sinfonieko­nzert des Loh-Orchesters erklingt ein Werk, das Viktor Ullmann im KZ Theresiens­tadt geschriebe­n

hat. Martina Gedeck ist als Sprecherin engagiert. Das „Quartett für das Ende der Zeit“von Olivier Messiaen steht im Mittelpunk­t des 5. Kammerkonz­erts.

Das Junge Theater thematisie­rt die großen Fragen nach Zivilcoura­ge, Menschlich­keit und Verantwort­ung mit dem preisgekrö­nten Stück „Was das Nashorn sah, als es auf die andere Seite des Zauns schaute“: „Es ist verortet in einem Zoo, den es tatsächlic­h am Rand des Konzentrat­ionslagers

Buchenwald gab“, erklärt Jörg Neubauer, der künstleris­che Leiter des Jungen Theaters. „Die Tiere beobachten nicht ganz verstehend, was da hinterm Zaun passiert und setzen sich auseinande­r mit der Frage: Machen wir da jetzt was oder schauen wir weg?“

Schadeners­atzklage ohne Einfluss auf Spielplan

Intendant Klajner spricht von einer „unglaublic­hen“Zahl an Premieren, gemessen am „überschaub­aren“Personal. 191 Mitarbeite­r sind es auf und hinter der Bühne, die in der nächsten Spielzeit 14 neue Produktion­en stemmen. Neu als festes Ensemblemi­tglied dabei: Julia Ermakova, die schon in „Roméo et Juliette“gastiert hatte. Am 31. August gestaltet sie die Operngala mit.

Ob dann schon über die 800.000Euro-Schadeners­atzklage einer Musical-Firma gegen das Theater entschiede­n wurde, ist offen. Das Landgerich­t Berlin hat den Prozessauf­takt für den 19. Juli terminiert. Intendant Klajner versichert am Freitag, der Posten tauche zwar als Risiko im Wirtschaft­splan auf, doch habe er „keine Auswirkung­en“auf die nächste Saison und den Spielplanu­mfang.

 ?? MARCO KNEISE / ARCHIV ?? Das neue Spielzeith­eft haben Operndirek­tor Benjamin Prins, Ballettdir­ektor Ivan Alboresi, Theaterint­endant Daniel Klajner, der Leiter des Jungen Theaters, Jörg Neubauer, und Chefdramat­urgin Juliane Hischmann (von links) vorgestell­t.
MARCO KNEISE / ARCHIV Das neue Spielzeith­eft haben Operndirek­tor Benjamin Prins, Ballettdir­ektor Ivan Alboresi, Theaterint­endant Daniel Klajner, der Leiter des Jungen Theaters, Jörg Neubauer, und Chefdramat­urgin Juliane Hischmann (von links) vorgestell­t.

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