In den Tunneln des Mussolini-Bunkers
Besucher erleben in den Schutzräumen des früheren Diktators die Schrecken des Krieges
Rom. Steile Treppen führen die Besucher sechs Meter in die Tiefe. Ein Gefühl der Enge entsteht in den 15 Meter langen, kreisförmigen Tunneln, die durch eine vier Meter dicke Stahlbetonwand geschützt sind. Sie führen hinein in den historischen Mussolini-Bunker in Rom, direkt unter der einstigen Residenz des Duce, der Villa Torlonia.
81 Jahre nach Baubeginn sind die privaten Schutzräume des früheren italienischen Diktators Benito Mussolini wieder zugänglich. Eine Attraktion, die reichlich Besucher anlockt. Führungen setzen so sehr auf Authentizität, dass sich bei den Interessierten eine beklemmende Stimmung breitmacht. Manche halten sich sogar die Ohren zu, als das Geheul von Sirenen ertönt. Dann scheint es, als wären Flugzeuge ganz nah über einem. Ein Luftangriff wird simuliert, es gibt Detonationen und Bodenerschütterungen. Die Besucher zucken zusammen.
Die Menschen wirken erschüttert von der Simulation des Krieges. Das Szenario des Schreckens soll Geschichte erfahrbar machen, erklärt Reiseführerin Carmela, die eine Gruppe von 20 Besuchern durch den Bunker führt. „So erhält man eine Ahnung von den Gefühlen der Menschen, die sich vor einem Bombenangriff in die Luftschutzkeller flüchten mussten.“
Der Kontrast zu den Bildern des Bombenangriffs auf Rom im Jahr 1943 könnte stärker nicht sein. Sie wühlen auf und wecken Erinnerungen an das, was Familien durchleben mussten. Ein älterer Herr aus Rom ringt um Fassung: „Meine Schwester, die heute 87 Jahre alt ist, wurde als Sechsjährige in einen Luftschutzkeller gebracht, um sich vor den Bombenanschlägen zu retten. Noch heute erinnert sie sich an die große Angst, die sie damals fühlte.“
Schutzräume sollen Teil der Erinnerungskultur werden
Die Ausstellung, die von den Historikerinnen Federica Pirani und Annapaola Agati in Zusammenarbeit mit dem römischen Kulturamt und der Gesellschaft Zetema im Mussolini-Bunker organisiert wurde, geht mit vielen Details in die Zeit des Zweiten Weltkrieges zurück. Auch dank der Videobeiträge des Filminstituts Istituto Luce wird eine der dunkelsten Zeiten der Stadt Rom beleuchtet, die von Juli 1943 bis Mai 1944 insgesamt 51 Luftangriffen ausgesetzt war.
Auch die Beiträge von Wochenschauen aus dieser dramatischen Zeit, die die Bombardierung Roms, insbesondere den Angriff auf den Stadtteil San Lorenzo zeigen, scheinen die Besucher in tiefe Traurigkeit
zu versetzen. Erläuterungen zum Bau versachlichen die Beklemmung kaum: Der Bunker galt seinerzeit als Beispiel innovativster Technik. Die Decke besteht aus einer vier Meter dicken Stahlbetonschicht, die Außenwände sind 120 Zentimeter dick. Eine Belüftungsanlage sicherte bei Giftgasangriffen bis zu sechs Stunden lang frische Atemluft für 15 Personen.
In Mussolinis Bunker haben nie Zivilisten Schutz gefunden, ebenso wenig der Diktator selbst. Bei dessen Sturz am 25. Juni 1943 war der Bunker noch nicht fertiggestellt. Dass er überhaupt gebaut wurde, lag daran, dass der Duce ahnte, wie sehr sein Leben in Gefahr war. Am 13. Juli 1943 wollte der britische Marschall Charles Portal im Rahmen der Operation „Dux“Benito
Mussolini mit zwei simultanen Bombenattacken in Rom vernichten. Ein Fliegerangriff sollte Mussolinis Hauptquartier im Palazzo Venezia im Herzen der Ewigen Stadt zerstören. Ein zweiter Angriff sollte sich gegen seine Residenz in der Villa Torlonia richten.
Mithilfe von Videos und historischen Fotos erfahren die Bunkerbesucher auch vieles aus dem prallen Leben des Diktators in der Villa. Von 1925 bis 1943 lebte der Duce mit seiner Familie in dem prächtigen Anwesen. Hier veranstaltete er Feste, organisierte politische Treffen, feierte die Hochzeit seiner Tochter Edda mit dem faschistischen Politiker Galeazzo Ciano und beteiligte sich, sportbegeistert wie er war, an Tennismatches und Reitübungen.
Nach dem Ende der Diktatur wurde Mussolinis Villa von 1944 bis 1947 als amerikanische Soldatenunterkunft genutzt. Dabei verfiel das Gebäude komplett. Die Stadt Rom, in deren Eigentum sie sich seit 1978 befindet, wusste nie so recht, was sie mit diesem Erbe anfangen sollte. Seither wurde die Villa komplett restauriert und ist seit 2006 für die Öffentlichkeit zugänglich.
Der Park dahinter, ein beliebter Treffpunkt der Römer, soll ein Ort der Erinnerungskultur werden. Bald soll hier ein Holocaust-Museum entstehen. Zehn Millionen Euro investiert der italienische Staat in das Projekt. Im Museum sollen Erinnerungsstücke, Fotos und Filme über die deutsche Besatzungszeit informieren und an die Schreckensherrschaft erinnern.