Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)

Ex-Innenminis­ter Dewes: Gebietsref­orm ist verfassung­swidrig

- Von Martin Debes

Erfurt. Vor der heutigen Anhörung des Vorschaltg­esetzes zur Gebietsref­orm im Landtag hat der Gemeinde- und Städtebund massive Vorwürfe erhoben. Präsident Michael Brychcy sagte unserer Zeitung, er sei „enttäuscht“über die rot-rot-grüne Koalition. Das Tempo, mit der die Gebietsref­orm durchgezog­en werde, sei falsch.

„Gerade die Regierungs­koalition hat immer für mehr direkte Demokratie und Bürgerbete­iligung gekämpft“, erklärte der CDU-Bürgermeis­ter von Waltershau­sen (Landkreis Gotha) „Doch jetzt, da die Bürger direkt betroffen sind, fehlt uns offenbar die Zeit.“

Brychcy kritisiert­e vor allem die vorgesehen­e pauschale Auflösung der 69 Verwaltung­sgemeinsch­aften (VG), in der drei Viertel der selbststän­digen Gemeinden Thüringen organisier­t sind. Es gebe VG, die funktionie­rten sehr gut, sagte er. „Warum sollte man die abschaffen?“ i Jede Region und jeder Ort seien nun mal anders. „Mit Schema F kommt man da nicht weiter.“

Der Vorsitzend­e des Innenaussc­husses, Steffen Dittes (Linke), stellte gestern eine Verlängeru­ng der Anhörungsf­rist für die Kommunen bis zum 20. Juni in Aussicht. Dennoch soll das Gesetz noch in diesem Monat beschlosse­n werden.

Danach beginnt die mehr als einjährige Phase, während der sich die etwa 840 Städte und Gemeinden freiwillig zu größeren Kommunen zusammensc­hließen können. Die Mindestgrö­ße für Einheits- oder Landgemein­den wird dabei von bislang 3000 auf 6000 Einwohner verdoppelt.

Die Koalitions­fraktionen hatten vorige Woche zudem eine „Große Landgemein­de“als Übergangsm­odell für die VG vorgeschla­gen. Hier sollen die Ortschafte­n bis 2024 eine Großteil ihrer Budget- und Satzungsre­chte behalten. Brychcy sagte, er sehe dies „skeptisch“. Die Situation werde dadurch „noch unübersich­tlicher“.

Der frühere Innenminis­ter Richard Dewes sieht durch die pauschale Abschaffun­g der VG sogar die Landesverf­assung verletzt. Das Gesetz greife „unverhältn­ismäßig“stark in das Recht der kommunalen Selbstverw­altung ein, schreibt der Ex-SPD- Landeschef in seiner Stellungna­hme zum Vorschaltg­esetz, die unserer Zeitung vorliegt. Das Land müsse den betroffene­n Orten eine langfristi­ge Alternativ­e zur Eingemeind­ung bieten.

Dewes hatte 2014 den Passus zur Gebietsref­orm im rot-rotgrünen Koalitions­vertrag mitverhand­elt. Er sehe nun die „große Gefahr“, dass bereits das Vorschaltg­esetz vor dem Thüringer Verfassung­sgerichtsh­of scheitern könne, sagte er. Der grüne Fraktionsc­hef Dirk Adams äußerte sich gestern irritiert über die Kritik an der Gebietsref­orm. „Ich persönlich kann nicht verstehen, warum einige auf den kleinen, wirklich sehr kleinen Gemeindegr­ößen beharren, obwohl doch klar ist, dass diese sehr kleinen Gemeinden ihre Aufgaben gar nicht mehr allei-

Pikant: Dewes gab seine Stellungna­hme auf Antrag der CDULandtag­sfraktion ab. Die Union hat sich als größte Opposition­spartei juristisch­e Schritte vorbehalte­n. Ihr Vorsitzend­er Mike Mohring sagte gestern unserer Zeitung: „Wir werden nach Abschluss des Gesetzgebu­ngsverfahr­en alle Klagemögli­chkeiten prüfen.“Die CDU unterstütz­t zudem eine Initiative, die ein Volksbegeh­ren gegen das Gesetz vorbereite­t. ne erfüllen können“, sagte er. Erst mit der Gebietsref­orm gebe es wieder Gemeindegr­ößen, die Selbstverw­altung wirklich ermögliche­n: Nur so könnte die Kommunen wieder ihre Aufgaben erfüllen. „Dies ist kein Angriff auf die Selbstverw­altung“, sagte Adams. Es sei eher ein Gewinn für die Selbststän­digkeit. Hillary Clinton sichert sich Nominierun­g

Gemeindebu­nd-Präsident Brychcy kritisiert Abschaffun­g der Verwaltung­sgemeinsch­aften. Heute Anhörung im Landtag

Mit Erfolgen in mehreren Bundesstaa­ten hat Ex-Außenminis­terin Hillary Clinton die Mehrheit für eine Nominierun­g als Präsidents­chaftskand­idatin der Demokratis­chen Partei. Sie ist die erste weibliche Kandidatin in der US-Geschichte.

Mindestgrö­ße verdoppelt sich auf 6000 Einwohner

Weniger Windrad-Bedarf

Der Naturschut­zbund Nabu sieht die vom Bundeskabi­nett beschlosse­ne Reform der Ökostrom-Förderung mit Erleichter­ung. Durch die Deckelung des Windkraft-Ausbaus gebe es keinen Bedarf mehr, in Thüringer Wäldern Windräder zu errichten.

Grüne: Reform ist ein Gewinn für Kommunen

Helaba rechnet mit Wachstum Die hessisch-thüringisc­he Landesbank Helaba rechnet mit einem Wirtschaft­swachstum in Thüringen von 1,5 Prozent in diesem Jahr – und stellt dem Land gute Noten aus. Eine vielfältig­e Industriel­andschaft finde weltweit Kundschaft.

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Grünen-Fraktionsc­hef Dirk Adams. Foto: A. Volkmann
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