Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)

Verteidige­r fordern: Brandt-Aussage überprüfen

- Von Kai Mudra

Gutachter bekräftigt belastende Aussage des angeklagte­n Carsten S. – erneut geht es um die Ceska-Pistole

München. Der Angeklagte Carsten S. stand am 288. Verhandlun­gstag über Stunden im Mittelpunk­t des NSU-Prozesses. Zuerst sagte mit Prof. Norbert Leygraf ein Experte erneut zu seinem Gutachten über den Angeklagte­n aus. Anschließe­nd führte ein Ermittler des Bundeskrim­inalamtes Aussagen des 36-jährigen Angeklagte­n in den Prozess ein, die dieser 2012 und 2013 – dann kurz nach Verhandlun­gsbeginn – in zwei Vernehmung­en gemacht hatte.

Am Rande der Aussage des Ermittlers stellte sich heraus, dass parallel zum Prozess offenbar 2013 Ermittlung­en gegen die Hauptangek­lagte, Beate Zschäpe, wegen Herbeiführ­ens einer Sprengstof­fexplosion eingeleite­t wurden. Nach Informatio­nen unserer Zeitung ist dieses Verfahren inzwischen aber wieder eingestell­t worden – mit Begründung, dass die Verdächtig­e eine höhere Strafe zu erwarten habe. Hintergrun­d der Ermittlung­en war die von Carsten S. erst im Prozess angegebene Explosion einer präpariert­en Taschenlam­pe am 23. Juni 1999 im Nürnberger Restaurant „Sonnensche­in“.

Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt sollen dem Angeklagte­n von diesem Anschlag im Frühling 2000 in Chemnitz erzählt haben, als er ihnen die spätere NSU-Mordwaffe gebracht hatte. Allerdings hätten die Männer ihm damals gesagt, dass der Anschlag gescheiter­t sei. Carsten S. will erst nach seiner Aussage vor Gericht aus der Presse erfahren haben, dass die Taschenlam­pe explodiert sei.

Die Verteidige­r des Angeklagte­n Ralf Wohlleben forder- ten zum Ende des Verhandlun­gstages einen weiteren Zeugen zu laden. Der Mann hatte am 17. Juli 2014 beim Hofgang in der Münchner Haftanstal­t Stadelheim mit dem damals auch kurzzeitig dort untergebra­chten Thüringer Neonazi Tino Brandt ein Gespräch. zel soll dem Zeugen erzählt haben, dass er nach einem Anruf von Mundlos oder Böhnhardt aus dem Untergrund drei Kameraden losgeschic­kt habe, um den beiden Männer Geld zukommen zu lassen. Brandt soll aber auch davon geredet haben, wie er das Gericht während seiner Zeugenvern­ehmung im Juli 2014 „rein- gelegt“habe. Er hatte zuvor als Zeuge die Angaben des Mannes bestritten. Eine Entscheidu­ng über den Antrag der Verteidige­r ist noch nicht gefallen.

Prof. Leygraf hatte 2012 in drei Gesprächen den Angeklagte­n beurteilt und im März des Vorjahres sein Gutachten vorgestell­t. Nun bestätigte er vor Gericht seine Angaben. Seine Expertise lässt es als wahrschein­lich erscheinen, dass auf Carsten S. noch Jugendstra­frecht mit deutlich milderen Strafen bei einer Verurteilu­ng angewendet werden wird.

Auch gegenüber dem Experten räumte der 36-Jährige ein, nach dem Verschwind­en von Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe 1998 aus Jena eine Zeit lang Telefonkon­takt zu ihnen gehalten zu haben. Er sei überrascht gewesen, dass er damals von Ralf Wohlleben und André K. angesproch­en wurde – „und stolz darauf“.

Brandt soll von Anruf des NSU erzählt haben

Redaktion dieser Seite: Michael Voß

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Im Fokus: Die Mordwaffe „Ceska “– und deren Beschaffun­g. Archiv-Foto: Franziska Kraufmann, dpa

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