Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)

Klangwunde­r auf der Wartburg

- Von Ursula Mielke

Midori gastiert beim MDR-Musiksomme­r

Eisenach. „Einfach Midori“ist der Titel der 2012 erschienen­en Autobiogra­fie der 1971 als Tochter einer Geigerin und eines Ingenieurs in Japan geborenen Ausnahmekü­nstlerin. Viele Attribute mögen auf Midori zutreffen, aber „einfach“keineswegs. Denn Selbstzwei­fel, gepaart mit krankmache­ndem Perfektion­sstreben, führten Modori in eine schwere, depressive Lebenskris­e, welche sie durch eine längere Therapieph­ase überwand.

Glücklich stimmte Midori am Samstag mit ihrem dritten Auftritt beim MDR-Musiksomme­r das fasziniert­e Publikum im beinah bis auf den letzten Platz gefüllten Festsaal der Wartburg. Dass viele Musikfreun­de eine Top-Geigerin erleben wollten, Musikstude­nten dazu eigens aus Weimar anreisten, ist verständli­ch. Dass aber so viele Besucher kamen, um die schwerste Kost des Solorepert­oires zu inhalieren, überrascht­e.

Modori spielte von Johann Sebastian Bach die zweite Sonate a-Moll BWV 1003 sowie die Partiten eins und drei in h-Moll und E-Dur. Die folgenden Eindrücke über Midoris Interpreta­tion sind gewiss nicht spezifisch analytisch, aber sie korrespond­ieren mit der Aura des Ortes. Wie die heilige Elisabeth hörte sie hinein in die Seele der Werke und ihre meditative Kraft. Gleich eines Martin Luther offerierte Midori eine in sich geschlosse­ne Welt. Als fiktive Teilnehmer­in an Tannhäuser­s Kunstwetts­treit wäre sie als ungekrönte Siegerin hervorgega­ngen, deshalb, weil jedes ihrer Konzerte auch ein Wettstreit mit sich selbst und höchsten Ansprüchen bedeutet.

Midori, so schwang es unter der akustisch von der ersten bis zur letzten Reihe hervorrage­nd funktionie­renden Kassettend­ecke, musizierte auf einem anderen Stern. Sternschnu­ppen, einwie mehrstimmi­g, gebildet aus hauchzarte­n Verzierung­en, Läufen und Phrasen, blitzten auf, erhellten irrlichter­nd den Raum und sicher auch die Gemüter der andächtig Lauschende­n.

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