Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)

„Der Beruf ist nichts für Frauen und ganz junge Leute“

Marcel Kujat ist mit 35 einer der Jüngsten in der Branche. Schon als Konfirmand zog es ihn auf Friedhöfe. Dort trug er bei Beerdigung­en das Kreuz

- Von Claudia Bachmann

Mühlhausen. Mit 35 Jahren gehört Marcel Kujat zu den Jüngsten in dieser Branche. „Ganz junge Leute kann man in einem Bestattung­sunternehm­en auch nicht gebrauchen“, sagt sein Chef, Michael Thomä. Er macht auch keinen Hehl daraus, dass er von einem Ausbildung­sberuf als Bestatter wenig hält und auch nichts von Frauen in diesem Beruf. „Es stehen regelmäßig bei uns junge Mädchen vor der Tür, die fragen, ob sie eine Ausbildung bei uns machen können. Sie haben keine richtige Vorstellun­g vom Beruf, von dem, was sie erwartet“, sagt der 58-jährige Thomä.

Gespräche führen mit Trauernden, Menschen begleiten, die Trauerfeie­r organisier­en, dafür brauche es viel Feingefühl und Menschenke­nntnis. „Die Hauptarbei­t leisten wir mit den Lebenden, etwa 20 Prozent entfallen auf die Arbeit an der Leiche.“Und es braucht körperlich­e Kraft. „Stellen sie sich vor, sie müssten einen Zwei-Zentner-Mann aus der vierten Etage nach unten tragen, das schafft eine zierliche Frau nicht.“

Einen regulären Feierabend gibt es nicht – nicht bei Michael Thomä und nicht bei „meinen vier Jungs“. „Da kann es schon sein, dass der Chef nachts um vier anruft und zum Dienst fordert, weil ein Verstorben­er abzuholen und in unsere Räume in die Kilianistr­aße zu bringen ist. Dort wird er für die Trauerfeie­r fertig gemacht.“

Kujat kennt auch die Anrufe sonntagnac­hmittags um drei. Für den Beruf hat er das Fußballspi­elen aufgegeben. „Zweimal hat während eines Spiels das Handy geklingelt. Da musste ich aus dem Tor und meine Sportsache­n gegen die Arbeitskle­idung eintausche­n“, sagt er.

Schon als Jugendlich­er zog es ihn auf die Friedhöfe. „Als VorKonfirm­and und dann als Konfirmand habe ich bei den Beerdigung­en bei uns im Dorf immer das Kreuz getragen. Hätte es damals den Ausbildung­sberuf eines Bestatters gegeben, ich hätte ihn gewählt.“

Kujat ist, wie seine drei Kollegen, Quereinste­iger, hat den Beruf eines Einzelhand­elskaufman­nes gelernt und ist vor acht Jahren gewechselt. Mitte 20, sagt Michael Thomä, sei seiner Ansicht nach auch die unterste Grenze, um in diesem Beruf zu arbeiten.

Und es braucht Zeit, um sich an die jeweiligen Eigenheite­n auf den Friedhöfen des Landkreise­s zu gewöhnen. „Als ich vor 22 Jahren mit dem Unternehme­n angefangen habe, da wusste ich nicht, wie die jeweiligen Gepflogenh­eiten sind. Heute weiß ich genau, in welchem Dorf die Angehörige­n eine oder eine halbe Stunde vor der Trauerfeie­r kommen und wo als Letztes, wo wir die Glocken läuten oder wo es an uns vorbei ganz automatisc­h läuft“, sagt Thomä.

Seine zwei Kinder – die Tochter wird Lehrerin, der Sohn hat Musik studiert – sind in dem Wohn- und Geschäftsh­aus in der Professor-Berger-Straße in Mühlhausen groß geworden. „Aber ich würde beiden nicht empfehlen, das Institut zu übernehmen“, meint Thomä. Vor allem wegen der unkalkulie­rbaren Arbeitszei­ten. „Ich hatte dieses Jahr vielleicht zwei freie Sonntage. Davon, dass samstags gearbeitet wird, davon rede ich schon gar nicht mehr. Wenn es klingelt und ich zuhause bin, mache ich auch die Tür auf. Die Leute sind verzweifel­t und brauchen Hilfe.“Ein solches Institut zu führen, müsse eine Herzensang­elegenheit sein.

Dass große Gräber zugunsten von anonymeren Bestattung­sformen von den Friedhöfen verschwind­en, bedauert Thomä. „Ich war vor ein paar Jahren in Wien auf dem großen Zentralfri­edhof – es war einfach nur eine Lust.“Es sei ein Stück Kulturgut, das verloren geht.

 ??  ?? Marcel Kujat ist  Jahre alt und gelernter Einzelhand­elskaufman­n. Vor acht Jahren wurde er – wie so viele als Quereinste­iger – Bestatter. Für den Beruf hat er Hobbys wie das Fußballspi­elen aufgegeben. Fotos: Daniel Volkmann ()
Marcel Kujat ist  Jahre alt und gelernter Einzelhand­elskaufman­n. Vor acht Jahren wurde er – wie so viele als Quereinste­iger – Bestatter. Für den Beruf hat er Hobbys wie das Fußballspi­elen aufgegeben. Fotos: Daniel Volkmann ()

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