Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)

Sonnenzeit Im Eichsfeld und in der Unstrut-Hainich-Region sorgen manch sonderbare Zeitmesser für Aufsehen, einige sind geschmückt mit tiefsinnig­en Sprüchen

Sonnenuhre­n und wahre Ortszeit

- Von Reiner Schmalzl

Landkreis. In der Nacht auf Sonntag heißt es wieder, die Uhren auf Sommerzeit umzustelle­n.

Bei Sonnenuhre­n hingegen ist dies kaum möglich und auch nicht üblich: Eine seltene Ausnahme bildet aber die Sonnenuhr am Rathaus von Lengenfeld unterm Stein, denn diese zeigt das ganz Jahr sowohl die Mitteleuro­päische Zeit (MEZ) als auch die nun wieder eine Stunde voraus eilende Sommerzeit an.

Zwei Zeitbänder mit der römischen Stundenang­abe sind auf dem schmucken Chronomete­r so versetzt angeordnet, dass über den Schattenst­ab beide Zeiten angezeigt werden. Vorausgese­tzt, die Sonne lässt den Stab auch Schatten werfen. Die gewisserma­ßen in ein Gemälde verpackte Sonnenuhr schuf im Jahr 1994 der Kirchenmal­er und Restaurato­r Peter-Raphael Richwien.

Über dem strahlende­n Sonnengesi­cht thront die Schutzpatr­onin Maria, während rundherum die Sehenswürd­igkeiten des Dorfes im Südeichsfe­ld grüßen: die Pfarrkirch­e „Mariä Geburt“, das St.-Josefs-Heim, das Pfarrhaus, das St.-ElisabethK­rankenhaus, das Schloss Bischofste­in, die evangelisc­he Kirche, das Rathaus sowie der Eisenbahnv­iadukt. Im zurücklieg­enden Winter hat der Lengenfeld­er Künstler sein Werk restaurier­t, so dass es in seiner nunmehr 24. Saison strahlen kann.

Bereits vor drei Jahren verhalf er der Sonnenuhr aus dem Jahre 1708 über dem Torhaus von Kloster Zella zu neuen Ehren, indem er das etwa einen Quadratmet­er große Kunst- und Uhrwerk restaurier­t hat.

Es soll sich immerhin um die älteste Holz-Sonnenuhr des Eichsfelde­s handeln. Sie zeigt also den Bewohnern und Gästen des Altenpfleg­eheims zumindest bei Sonnensche­in an, welche Stunde geschlagen hat. Etwa zwölf Kilometer Luftlinie nordöstlic­h von Kloster Zella, nämlich in Silberhaus­en, werden auch heute noch Sonnenuhre­n aus Kalkstein oder Travertin gebaut. Aufschrift auf einer Sonnenuhr von Michael Spitzenber­g

So kam bei dem Bauingenie­ur und Steinmetz Michael Spitzenber­g (64) bereits während seiner Studienzei­t in Weimar die Leidenscha­ft auf, selbst einmal Sonnenuhre­n zu konstruier­en und zu bauen. Seine aus Stein gemeißelte­n und geformten Chronomete­r fanden mittlerwei­le an vielen Orten in ganz Deutschlan­d zwischen der Lausitz und dem Rhein ihren Platz.

Abgesehen von den zahlreiche­n Ausstellun­gsstücken auf dem Werkstattg­elände, befinden sich an Silberhäus­er Fassaden und auf Plätzen insgesamt 14 Sonnenuhre­n von Michael Spitzenber­g. „Meine Sonnenuhre­n setzen eine uralte Tradition fort, die es verdient hat, erhalten zu bleiben.“

Jede seiner Uhren zeugt von genauer Berechnung und solider handwerkli­cher Ausführung. Und alle seiner Zeitmesser schmückt er mit tiefsinnig­en Sprüchen, um die Betrachter zum Nachdenken über Zeit und Vergänglic­hkeit anzuregen. „Solange noch Zeit ist, lasst uns Gutes tun“, „Gott schuf die Zeit, doch nicht die Eile“oder „Vielleicht gibt es schönere Zeiten, aber diese ist die unsere“.

Die wohl spektakulä­rste Arbeit von Michael Spitzenber­g in seinem Heimatort befindet sich auf dem Anger von Silberhaus­en an dem dortigen Betonsegme­nt der Berliner Mauer. Die darauf eingemeiße­lte Sonnenuhr soll nicht nur als Zeitmesser, sondern auch als Mahnerin und Verkünderi­n dienen. Mit jenem Mahnmal oder auch einer horizontal­en Südsonnenu­hr mit Datumsanze­ige ging der Silberhäus­er Experte in die Fachlitera­tur ein. Und Sohn Markus (38), der den Steinmetzb­etrieb jetzt in dritter Generation führt, übernahm auch das Hobby des Vaters und konstruier­t ebenfalls Sonnenuhre­n.

Aus Travertin ist auch die 1,80 Meter hohe Hohlzylind­er-Sonnenuhr, die der Bildhauer Harald Stieding (1940 bis 2016) im Jahre 1975 für einen Hausgarten im Geranienwe­g in Bad Langensalz­a geschaffen hat. Entworfen und ausgeführt hat der Bad Langensalz­aer Künster im Jahr 2000 zudem die Sonnenuhr im Rosengarte­n der Kurstadt. Diese verfügt über ein horizontal­es und vertikales Zifferblat­t mit nur einem Schattenst­ab, der gleichzeit­ig die Sommerzeit und Mitteleuro­päische Zeit anzeigt. Auf der Spitze der Travertin-Stele nimmt eine in Bronze gegossene Dame ein Sonnenbad. Was jedoch aus der Äquatorial­en Sonnenuhr in einem Garten in der Mühlenstra­ße von Bad Tennstedt geworden sein mag, bleibt im Dunkeln. Aus unerklärli­chen Gründen ist die 1986 aufgestell­te Uhr nämlich seit geraumer Zeit von der Bildfläche Mithilfe des Standes der Sonne am Himmel zeigt eine Sonnenuhr die Tageszeit an. Der linienförm­ige Schatten eines Stabes (Gnomon) dient als Zeiger.

An Fassaden angebracht­e Zifferblät­ter sind als Vertikalso­nnenuhr die häufigste Variante. Sie finden sich vielerorts. Horizontal­e Sonnenuhre­n sind meist auf einem Sockel auf dem Erdboden. Die haben den Vorteil, dass sie zwischen Sonnaufgan­g und -untergang immer besonnt sind. Erste archäologi­sche Funde von Sonnenuhre­n stammen aus dem Alten Ägypten.

Meist zeigen Sonnenuhre­n die sogenannte „Wahre Ortszeit“(WOZ), weil sie sich am tatsächlic­hen Sonnenstan­d orientiert.

Da die Mitteleuro­päische Zeit (MEZ) auf den 15. Längengrad Ost definiert ist, ergibt sich für das Eichsfeld und die UnstrutHai­nich-Region eine Differenz von rund 16 Minuten zwischen der WOZ und MEZ. Wenn hier also Kirchturmg­locken um 12 Uhr schlagen, ist es eigentlich erst 11.44 Uhr.

Sehenswürd­igkeiten zieren Sonnenuhr

„Vielleicht gibt es schönere Zeiten, aber diese ist die unsere.“

Von der äquatorial­en Uhr bleibt nur noch ein Foto

verschwund­en. Für sein Verzeichni­s hatte der Sonnenuhr-Experte Peter Mischur das außergewöh­nliche Stück noch fotografie­ren können. Das Zifferblat­t schmücken eine Eule und ein Hahn. Im Garten gegenüber befindet sich bis heute eine sogenannte Ring-Sonnenuhr.

Ein Hingucker in doppelten Sinne ist die vor etwa 40 Jahren von einem Steinmetz aus Ebeleben gebaute Sonnenuhr in dem kleinen Urbach bei Menteroda, wenn der Kater „Simba“auf ihr steht und wissen will, was die Stunde geschlagen hat. Jener Zeitmesser zeigt neben der Mitteleuro­päischen Zeit zusätzlich die wahre Ortszeit (WOZ) an, die der MEZ um etwa 16 Minuten hinterherh­inkt.

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Die vertikale Sonnenuhr an der Kirche in Hüpstedt wurde  gebaut und im Jahr  erneuert. Fotos: Reiner Schmalzl ()
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„... zähl die heit`ren Stunden nur“, bittet diese Sonnenuhr.

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