Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)
„Ich werde das letzte Jahr nicht absitzen“
Bad Langensalzas Bürgermeister Bernhard Schönau im Interview über finale Projekte, seine Nachfolge und den würdigen Abschied
Gert Becke, Chef der Agrargenossenschaft Kirchheilingen, über widersprüchliche Vorgaben in der Landwirtschaft Bad Langensalza. Am 1. Juli beginnt das letzte Amtsjahr für Bürgermeister Bernhard Schönau (67). Der 30. Juni 2018 wird 24 Dienstjahre beschließen. Im Gespräch mit unserer Zeitung berichtet er, was er in diesen 365 Tagen erreichen will.
Herr Schönau, wird man den nahenden Abschied Ihrer Agenda anmerken – wird es ein Sprint bis zum Schluss oder ein lockeres Auslaufen?
Dann wäre ich zu mir selbst unehrlich. Ich möchte nicht, dass es zum Schluss heißt, das letzte Jahr hat er abgesessen. Dann würde es mir keinen Spaß machen, an die Arbeit zu gehen. Auch im letzten Jahr will ich mir treu bleiben. Ich habe klare Ziele, wobei es nicht darum geht, ob ich die noch selbst verwirklichen kann.
Welche Ziele sind das?
Drei Dinge. Meine große Hoffnung ist, dass wir nach dem Abschluss der Dorferneuerung in Nägelstedt im November mit der Dorfregion AscharaEckardtsleben-Illeben in das Förderprogramm kommen. Die Vorarbeit dazu ist geleistet. Der Zeitraum ist mit sieben Jahren recht lang. Für die Projekte müssen die Eigenmittel im Haushalt dargestellt werden.
Ziel Nummer 2 betrifft das nördliche Gewerbegebiet. Es ist kein Geheimnis, dass wir dort oben zu 100 Prozent ausgelastet sind. Wir haben keine Parzellen mehr frei. Das ist einerseits schön, andererseits aber ein Problem, wenn wir über Neuansiedlungen reden.
Dazu wurden Vorgespräche mit der Landesentwicklungsgesellschaft geführt. Hier will ich gemeinsam mit der LEG einen Vertrag abstimmen, dass wir gemeinsam neue Gewerbeflächen erschließen. Aber in Größenordnungen, die beherrschbar sind, also etappenweise.
Hinzu kommt das Hotel-Projekt Barfüßerkloster. Es braucht eine vertragliche Vereinbarung mit der österreichischen Investorfirma. Wir müssen abstimmen, was die Stadt einzubringen hat, um das Konzept zu verwirklichen.
Das ist alles?
Wenn Sie mich so fragen, nein. Wir müssen uns auch intensiv damit beschäftigten, welche Gebiete in der Stadt wir für eine Wohnbebauung ausweisen. Wenn ich hochgehe zum Neubaugebiet „Vor den Rosenfeldern“– das ist so gut wie erledigt. Über die Auslastung der Garnison mache ich mir keine Gedanken mehr. Die Erschließung von zehn Parzellen in der Gutbierstraße ist durch, dort wird gebaut. Es gibt also Bedarf. Die Stadtentwicklung können wir nicht einfach liegen lassen. Der Homburger Weg wurde im Bauausschuss von Bad Langensalza als eine Möglichkeit genannt.
Richtig, wobei wir vorsichtig sein sollten, auf Anhieb 40 bis 50 neue Bauflächen auszuweisen. Zumal sich das mit dem Stadtentwicklungsplan beißt, den wir auf Veranlassung des Landesverwaltungsamtes Weimar erarbeiten. Andererseits, wenn Leute in Bad Langensalza bauen wollen, werde ich nicht erst Weimar fragen.
Damit sind alle Aufgaben beschrieben? Eines habe ich vergessen. Zum Thema Stiftung für das Hufeland-Klinikum stehe ich weiter.
Gibt es Aufgaben, vor denen Ihnen „graut“?
Nein.
Anders gefragt: Bei welchem Thema sind Sie froh, dass Sie sich nicht mehr damit herumschlagen müssen?
Die Bürokratie und die Finanzausstattung der Kommunen. Beides macht mir Sorgen. In Thüringen wird das hohe Gut der kommunalen Selbstverwaltung immer mehr beschnitten. Immer mehr Leute wollen mitreden. Jede Regierung verspricht, die bürokratischen Hindernisse abzubauen. Das ist einfach nicht wahr. Der Finanzausgleich ist in keinster Weise so überarbeitet worden, wie es nötig wäre.
Was ist größte Herausforderung für Ihren Nachfolger?
Der kommende Bürgermeister oder die kommende Bürgermeisterin wird daran gemessen werden, das Aufgebaute zu erhalten. Diese Aufgabe ist groß genug. Daher habe ich damals entschieden, den städtischen Bauhof selbst zu führen.
Nach 24 Jahren im Amt – weshalb investieren Sie nicht persönlich in einen Nachfolger? Vor der Wahl 2012 habe ich dieses Thema mit den tragenden Kräften im Stadtrat besprochen. Meine Idee war, ein Jahr vor dem Wahltermin 2018 die Hauptsatzung zu ändern und einen hauptamtlichen Beigeordneten einzustellen. Dieser hätte ein Jahr mitlaufen können. Bei so einem Verfahren hätten wir festlegen können, was so ein Kandidat an Fähigkeiten mitbringen soll. So hätten wir manches nicht dem Zufall überlassen. Damals wurde mir signalisiert, dass wir darüber reden können. Deswegen trat ich 2012 noch einmal an. Denn es war nicht unbedingt meine Lebensplanung, fast bis zum 69. Lebensjahr im Rathaus zu sein.
Für diese Idee gibt es aber keine Mehrheit. Das bedauere ich, kann es aber nicht ändern.
Halten Sie sich aus der Wahl wirklich völlig raus – nach mehr als zwei Jahrzehnten im Amt?
Ich will‘s so sagen: Ich werde niemanden überreden, diesen Job zu machen. Den Vorwurf, ihn oder sie da hineingeritten zu haben, will ich mir ersparen. Was ich aber tun werde: Wenn sich die richtige Person stellt, zu der ich Vertrauen aufbauen kann und von der ich überzeugt bin, dann werde ich sie im Wahlkampf unterstützen – mit den Möglichkeiten, die ich habe.
Kennen Sie schon Namen?
Es wird viel gemunkelt. Mal ist die Kandidatenliste mit fünf Personen besetzt, mal nur mit dreien. ▶ ▶ Zum Ende des Jahres werden wir schlauer sein, wer seinen Hut in den Ring wirft.
Wie stellen Sie sich den Übergang nach Ihrem Ausscheiden vor?
Bestimmte Dinge können Sie nicht weitergeben, die müssen erarbeitet werden. Es genügt nicht, hier im Haus präsent zu sein. Neudeutsch heißt das: Netzwerke pflegen.
Sie müssen sich selbst einen Stand erarbeiten gegenüber den Ministerien, den Ausschüssen in denen Sie mitarbeiten. Sicherlich können Sie sechs Jahre hier am Schreibtisch absitzen, aber das hilft der Stadt Bad Langensalza in keiner Weise.
Werden Sie der Verwaltung und der Stadt nach Ihrem Ausscheiden erhalten bleiben?
Ich denke, dass ich die Verwaltung gut aufgestellt an meinen Nachfolger übergeben werde. Eines wird es mit mir nicht geben: Dass ich als Bürgermeister a.D. herumlaufe und Visitenkarten verteile. Wenn ich um Rat gebeten werde, werde ich das nicht verneinen. Aber ich werde mich nicht aufdrängen. Ich komme gerne mal vorbei auf eine Tasse Tee, aber wenn ich die Schlüssel zum Rathaus abgebe, ist das Kapitel beendet. Wenn es meine Gesundheit zulässt, werde ich mich sicherlich ehrenamtlich engagieren. Der Thüringer HC wird ein Thema für mich bleiben.
Wie sieht es mit einem Sitz im Stadtrat aus?
Das halte ich für unfair. Wenn da vorne jemand Neues steht. Und dann komme ich mit meinem Wissen der vielen Jahre herein, setze mich hin und spiele den Besserwisser. Das hat was mit Ehre und Anstand zu tun. Ich habe meine Zeit gehabt und irgendwann ist Schluss. Da sollte man konsequent sein.