Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)
Thüringer Kliniken müssen auf viele Honorarärzte verzichten
Krankenhausgesellschaft erwartet vorerst keine Einschränkungen bei Operationen. Zeitarbeiter sollen Lücken schließen
Nach dem Urteil des Bundessozialgerichtes (BSG) zu Beschränkungen beim Einsatz von Honorarärzten sind die Auswirkungen für Thüringen weiter unklar. Weder das Gesundheitsministerium noch die Kassenärztliche Vereinigung oder die Landeskrankenhausgesellschaft (LKG) erfassen statistisch, wie viele Freiberufler hierzulande tätig sind. „Die Zahl dieser Ärzte variiert sehr stark. Wir gehen aber nicht davon aus, dass nach dem Urteil Patienten in Thüringer Kliniken länger auf Operationen oder notwendige Behandlungen warten bzw. weitere Wege in Kauf nehmen müssen“, sagte LKG-Geschäftsführer Rainer Poniewaß.
Nach dem Urteil aus Kassel dürfen Ärzte nur noch im Ausnahmefall auf Honorarbasis beschäftigt werden. Die Rentenversicherung hatte beanstandet, viele würden nicht als Freiberufler, sondern wie abhängige Beschäftigte geführt. Für die Tätigkeit müssen Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden. Laut Bundesverband der Honorarärzte (BVH) gibt es zwischen 1500 und 6000 freiberufliche Mediziner in Deutschland, die Zahlen beruhten jedoch lediglich auf Schätzungen und Hochrechnungen. Derzeit arbeite jede zweite deutsche Klinik mit Freien. Die Versorgungsprobleme besonders im ländlichen Raum würden aber nicht kleiner, damit blieben Honorarärzte gefragt. Zu rechnen sei aber mit Personalverschiebung zu Zeitarbeit und Arbeitnehmerüberlassungen (ANÜ). Firmen dieser Branche seien nun die Gewinner.
Lars Huning, Geschäftsführer von „Hire a Doctor“, einer Personalvermittlung für Ärzte sowie Pflege- und Rettungskräfte, widerspricht dem nicht. Seine Firmenkartei umfasse 15.000 Namen, wie viele davon als Honorarärzte oder als Zeitarbeiter tätig sind, wollte Huning nicht verraten. Das Verhältnis werde sich nun ändern. Zwar gebe es bereits Ausnahmen für Notärzte, weitere könnten hinzukommen. „Reine Honorararzttätigkeit wird aber seltener, ANÜ häufiger werden“, sagte Huning.
Marcel John, Geschäftsführer der Ilm-Kreis-Kliniken Arnstadt und Ilmenau, bestätigte den Einsatz freier Mediziner. „Personelle Engpässe bei Krankheits- oder Schwangerschaftsausfällen lassen sich so ausgleichen“, sagte John. Seit einigen Jahren arbeite man vermehrt mit Leasing-Ärzten, die von Agenturen wie Hire a Doctor vermittelt würden. „Die Abgabepflicht liegt da bei den Vermittler-Firmen“, so John.
Das Helios-Klinikum Erfurt erklärte, man habe die juristische Problematik der Honorarärzte früh erkannt. „Deshalb setzen wir seit dem Jahreswechsel 2015/2016 keine Honorarärzte mehr ein. Einige dieser Kollegen wurden in Teilanstellung übernommen“, sagte Klinik-Sprecherin Sylvia Kreyßel-Minar.
Wegen fehlender Kinderärzte hatte die Kinderklinik Parchim (Mecklenburg-Vorpommern) in dieser Woche einen Aufnahmestopp für Notfallpatienten verhängt und erklärt, man suche mit Hochdruck nach Honorarärzten. Vergleichbare Notstände aus Thüringen sind bisher nicht bekannt.