Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)
Immer mehr Asylbewerber reisen regulär ohne Visum nach Europa ein
EU-Kommission droht Herkunftsstaaten mit Aussetzung der Visafreiheit. Flüchtlingskommissar Avramopoulos: Konsequenzen, wenn Missbrauch nicht verhindert wird
Weil immer mehr Asylbewerber in der EU visafrei und auf legalem Weg einreisen, droht die EU-Kommission den Herkunftsstaaten vor allem in Lateinamerika und auf dem Westbalkan mit Konsequenzen: Setzt sich die Entwicklung fort, könnte die EU die Visafreiheit für einzelne Staaten aussetzen. EU-Flüchtlingskommissar Dimitris Avramopoulos sagte unserer Redaktion: „Wir haben eine klare Botschaft an die Staaten, deren Bürger visafrei in die EU reisen dürfen – es liegt in ihrer Verantwortung, dieses Privileg zu schützen.“Die Staaten müssten für die Einhaltung der vereinbarten Regeln sorgen. Wenn ein Land in Zukunft seine Verpflichtungen nicht einhalte und den Missbrauch der Visafreiheit nicht verhindere, werde die EU einen „speziellen Mechanismus auslösen“. Dieser Mechanismus sieht vor, dass die EU bei einem erheblichen Anstieg unbegründeter Asylanträge die Visafreiheit aussetzt.
Nach Zahlen des EU-Asylbüros EASO stammte in den ersten vier Monaten dieses Jahres bereits etwa jeder vierte Asylantrag in der EU von Staatsangehörigen eines Landes, dessen Bürger ohne Visum in die EU-Schengenzone einreisen dürfen. So erhöhte sich die Zahl der visafrei eingereisten Asylbewerber aus Venezuela im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 121 Prozent auf 14.257, die aus Kolumbien um 156 Prozent auf 8097, aus Albanien um 30 Prozent auf 7138. Die Anerkennungsquoten von visafrei eingereisten Asylbewerbern sind in den EU-Staaten in der Regel aber minimal; selbst bei Bürgern aus dem krisengeschüttelten Venezuela wurden im April nur 15 Prozent der Anträge positiv beschieden. Vor allem wegen der visafreien Einreisen sind die Asylbewerberzahlen in der EU seit Jahresanfang gestiegen, zwischen Januar und April um 15 Prozent im Vorjahresvergleich.
Avramopoulos betonte, die Zahl der Asylbewerber in der EU sei insgesamt auf dem niedrigem Niveau des Jahres 2014 vor der Flüchtlingskrise. Er verwies zugleich darauf, dass die illegalen Ankünfte von Migranten 2019 weiter zurückgehen: In den ersten fünf Monaten sank die Zahl im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 31 Prozent auf rund 32.400.
„Unsere Maßnahmen zeigen Erfolg: Der Schutz der EUAußengrenzen wurde ausgebaut und verbessert, die Zusammenarbeit mit Nachbarstaaten verstärkt“, sagte Avramopoulos. Auf eine neue Flüchtlingskrise sei die EU heute viel besser vorbereitet als vor fünf Jahren. „Darauf bin ich stolz“, sagte Avramopoulos.