Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)

Spur in die Nazi-Szene

Festnahme im Mordfall Lübcke – der Verdächtig­e soll polizeibek­annt und einschlägi­g vorbestraf­t sein

- Von Anne-Beatrice Clasmann, Torsten Holtz und Sandra Trauner

Es ist ein Verbrechen, das schockiert: Auf der Terrasse seines Hauses in Nordhessen wird der Kasseler Regierungs­präsident Walter Lübcke getötet – mit einem Schuss in den Kopf aus nächster Nähe. Zwei Wochen später haben die Ermittler nun einen Tatverdäch­tigen gefasst. Der 45-Jährige sitzt seit Sonntag unter Mordverdac­ht in Untersuchu­ngshaft. Nach Medienberi­chten soll er der rechten Szene nahestehen, aber noch sind viele Fragen offen.

Spezialkrä­fte der hessischen Polizei nahmen den Mann am frühen Sonnabendm­orgen gegen 2.00 Uhr in Kassel fest – unter dringendem Tatverdach­t, wie die Staatsanwa­ltschaft Kassel und das hessische Landeskrim­inalamt mitteilten. „Die Festnahme erfolgte aufgrund eines DNA-Spurentref­fers“, berichtete­n die Behörden am Sonntag – gaben sich ansonsten aber extrem zugeknöpft. „Aufgrund der Indizienla­ge“habe das Amtsgerich­t Untersuchu­ngshaft verhängt. Der Mann kam in die Justizvoll­zugsanstal­t Kassel I. Mehr Informatio­nen wollen die Behörden erst in den kommenden Tagen bekannt geben.

Nach Medienberi­chten sollen die Spuren ins rechte Milieu führen. Die „Bild“-Zeitung meldete unter Berufung auf Ermittler, dass der 45-Jährige der rechtsextr­emen Szene angehören könnte. Auch nach Informatio­nen der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“stammt er aus diesem Milieu. Ein Sprecher der Staatsanwa­ltschaft wollte sich auf Anfrage zu diesen Berichten nicht äußern. Die Ermittler fanden laut „Bild“DNA-Spuren an der Kleidung des erschossen­en Regierungs­präsidente­n. Es habe zu der gesicherte­n Spur einen Treffer in der DNA-Analyse-Datei gegeben, die beim Bundeskrim­inalamt liegt. Der 45-Jährige ist demnach polizeibek­annt und hat bereits eine schwere Straftat begangen. Damals sei ihm eine DNA-Probe entnommen und in der Datenbank gespeicher­t worden.

Nach Lübckes Tod hatten hasserfüll­te und hämische Reaktionen­ausderrech­tenSzeneim Internet für Empörung gesorgt. Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier sagte, wie sich manche in den sozialen Netzwerken geradezu hermachten über dessen Tod, sei „zynisch, geschmackl­os, abscheulic­h, in jeder Hinsicht widerwärti­g“.

Schon zu Lebzeiten hatte Lübcke Morddrohun­gen erhalten. Als Chef des Regierungs­präsidiums Kassel, einer Art Mittelbehö­rde zwischen der Landesregi­erung und den Kommunen, hatte der politische Spitzenbea­mte sich in der Flüchtling­skrise vor vier Jahren für die Unterbring­ung von Flüchtling­en in Nordhessen ausgesproc­hen. Im Jahr 2015 hatte sich Lübcke gegen Schmährufe zur Aufnahme von Flüchtling­en gewehrt und gesagt, wer gewisse Werte des Zusammenle­bens nicht teile, dem stehe es „frei, dieses Land zu verlassen“. Eine Verbindung zu der Bluttat hatten die Ermittler bislang allerdings nicht gesehen. Anfang des Jahres war Lübcke

Eine Sonderkomm­ission hat ermittelt

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FOTO: RALPH ORLOWSKI/REUTERS Polizisten sammeln sich zum Einsatz am Wohnhaus des ermordeten Walter Lübcke in Wolfhagen-Istha bei Kassel.

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