Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)
Kemmerichs Absage an den Bundesrat stößt auf Kritik
SPD, Grüne und Linke befürchten Nachteile für Thüringen. AFD spricht Ministerpräsidenten Legitimation ab
Wenn heute um 9.30 Uhr der Bundesrat in Berlin zusammentritt, fehlen für Thüringen die stimmberechtigten Vertreter. Denn der geschäftsführende Ministerpräsident Thomas Kemmerich (FDP) hat am Mittwoch nach einer Beratung in der Staatskanzlei erklären lassen, nicht an der 985. Beratung der Länderkammer in Berlin teilzunehmen. Das sei das Ergebnis einer Sicherheitseinschätzung, sagte ein Sprecher dieser Zeitung. Thüringen ist damit ohne Stimmrecht nur auf der Arbeitsebene vertreten.
Deutliche Kritik am Fernbleiben des amtierenden Regierungschefs kommt am Donnerstag von Rot
Rot-grün. Als unverantwortlich bezeichnet Grünen-fraktionschef Dirk Adams diesen Schritt. Es sei unverständlich, diese Wahl zum Regierungschef anzunehmen, um sich danach der Verantwortung zu entziehen. Kritisch sieht der Grünenpolitiker auch die Begründung für das Fernbleiben. Es könne in Deutschland nicht sein, dass ein Verfassungsorgan nicht in der Lage ist, die beratenden Politiker ausreichend zu schützen.
Problematisch findet das Fernbleiben des Fdp-politikers auch Spd-fraktionsvize Lutz Liebscher. Denn das bedeute, dass sich im Moment niemand für den Freistaat im Bundesrat einsetze. Dabei werde am Freitag unter anderem die Strabundes, ßenverkehrsnovelle, der Abschuss von Wölfen und die Finanzierung des Bahn-regionalverkehrs beraten. Gerade beim letzten Beispiel gehe es auch um Fördermittel des
auf die Thüringen als kleines Land angewiesen sei. Doch nun fehle eine starke Stimme.
Ähnlich bewertet Linke-fraktionschefin Susanne Hennig-wellsow, die Situation. Auch sie befürchtet große Nachteile, „weil die Belange der Menschen in Thüringen nicht aktiv unterstützt und befördert werden können“. Deshalb seien alle demokratischen Abgeordneten und Fraktionen aufgerufen, im Landtag mit der Wiederwahl von Bodo Ramelow als Ministerpräsidenten geordnete Verhältnisse herzustellen, fügt sie an.
Ganz anders die Afd-fraktion. Dort wird die Entscheidung Kemmerichs begrüßt, angesichts der derzeitigen politischen Lage auf eine
Teilnahme an der Bundesratssitzung zu verzichten. Als Repräsentant einer Regierung, die nur aus einer Person bestehe, sei Kemmerich derzeit nicht legitimiert, für das gesamte Land zu sprechen, erklärt der parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Torben Braga.
Die Cdu-landtagsfraktion äußerte sich am Donnerstag auf Nachfrage nicht.
Die 985. Bundesratssitzung beschäftigt sich neben den von der Spd-fraktion benannten Themen auch noch mit der Stärkung der Bereitschaft für Organspenden, einer effektiveren Verfolgung von Hasskriminalität oder einer möglichen Registrierungspflicht in sozialen Netzwerken.