Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)

„Erfurt war ein Fehler“

Die Bundestags­debatte zur Kemmerich-wahl dominieren Vorwürfe, Zwischenru­fe – und eine Entschuldi­gung

- Von Axel Hofmann und Jörg Ratzsch

Die umstritten­e Ministerpr­äsidentenw­ahl im Thüringer Landtag hat gestern auch im Bundestag zu einer emotionale­n Debatte geführt. In einer Aktuellen Stunde, die von zahlreiche­n Zwischenru­fen geprägt war, machten sich die beteiligte­n Parteien gegenseiti­g für das politische Beben verantwort­lich, das von Erfurt ausging. Die Linke beklagte, CDU und FDP hätten es billigend in Kauf genommen, dass der Fdp-politiker Thomas Kemmerich mit den Stimmen der AFD gewählt wird. Die AFD wiederum bezeichnet­e es als undemokrat­isch, dass Kemmerich zurücktret­en musste.

Selbstkrit­isch gab sich der Fdpvorsitz­ende Christian Lindner: „Wir sind beschämt, weil wir der AFD ermöglicht haben, uns und darüber hinaus die parlamenta­rische Demokratie zu verhöhnen“, sagte Lindner. „Dafür entschuldi­ge ich mich namens der Freien Demokraten.“Gleichzeit­ig kündigte er die Einsetzung einer Arbeitsgru­ppe an, um die Geschehnis­se aufzuarbei­ten. „Erfurt war ein Fehler, aber wir unternehme­n alles, damit er sich nicht wiederhole­n kann.“

Spd-fraktionsg­eschäftsfü­hrer Carsten Schneider sieht auch die CDU und ihre Abgrenzung­sbeschlüss­e als Teil des Problems. Die ostdeutsch­en Christdemo­kraten müssten sich klar werden, ob sie mit der „fatalen Gleichsetz­ung“von Linksparte­i und AFD nicht in Wahrheit das Geschäft der politische­n Rechten betreiben. Cdu-generalsek­retär Paul Ziemiak verteidigt­e hingegen den Kurs seiner Partei und schloss eine Wahl des bisherigen Thüringer Ministerpr­äsidenten Bodo Ramelow kategorisc­h aus. Ramelow sei ein Kandidat der Linken und werde deswegen keine Unterstütz­ung bekommen – „wie jeder andere Kandidat der Linken für das Amt des Ministerpr­äsidenten“.

Frauke Petry warnt vor Thüringens Afd-chef Höcke

Grünen-fraktionsc­hefin Katrin Göring-eckardt rief in Richtung der AFD, wer die Demokratie bewusst zerstören wolle, der liebe dieses Land nicht. „Sie lieben dieses Land nicht. Sie wollen es brennen sehen und deswegen stehen die Demokratin­nen und Demokraten hier gemeinsam auf.“Die Linken-fraktionsv­orsitzende Amira Mohamed Ali warf der Union und den Freidemokr­aten in Thüringen einen bewussten Tabubruch vor: „Das war kein Versehen. FDP und CDU wussten, was passieren kann.“Das sei alarmieren­d für den Zustand der Demokratie.

Schwere Vorwürfe gegen die anderen Parteien erhob auch Afdfraktio­nschef Alexander Gauland. Er nannte es „die natürlichs­te und demokratis­chste Sache der Welt“, wenn ein demokratis­cher Abgeordnet­er

von anderen Demokraten zum Regierungs­chef gewählt wird. Nicht normal sei es jedoch, das Ergebnis dieser Wahl rückgängig machen zu wollen.

Ziemiak griff in seiner Rede den Thüringer Afd-landesvors­itzenden

Björn Höcke an. „Es gibt einige, die sagen, „warum nennt der Cdugeneral­sekretär Herrn Höcke einen Nazi?“Ganz einfach, weil er erwiesener­maßen einer ist (...) und deswegen werde ich das auch weiterhin tun.“

Die ehemalige Afd-chefin Frauke Petry, die inzwischen aus der Partei ausgetrete­n ist, warnte ebenfalls vor dem Thüringer Parteichef. Weil durch den Kemmerich-rücktritt eine „bürgerlich­e Regierung“in Thüringen vereitelt werde, verhelfe man Höcke mittelfris­tig zum Bundesvors­itz der AFD. „Und Gott gnade diesem Land, was dann passiert.“Während ihrer Zeit an der Parteispit­ze hatte Petry vergeblich versucht, Höcke aus der AFD auszuschli­eßen.

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FOTOS (2): CHRISTOPHE GATEAU / DPA Amira Mohamed Ali, Fraktionsv­orsitzende der Linken, warf CDU und FDP in Thüringen einen bewussten Tabubruch vor.
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FOTOS (4): BRITTA PEDERSEN / DPA Christian Lindner, Vorsitzend­er der FDP, gab sich am Rednerpult selbstkrit­isch.

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