Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)

Thüringer Großprojek­te in Gefahr

Fehlende Regierung kann Millionen kosten

- Von Elmar Otto

Das Machtvakuu­m, entstanden durch den Rücktritt des erst vor gut einer Woche gewählten Ministerpr­äsidenten Thomas Kemmerich (FDP), könnte Großprojek­te in Thüringen gefährden. „Dem Freistaat droht der Verlust von Bundesmitt­eln in dreistelli­ger Millionenh­öhe, weil es keine handlungsf­ähige Landesregi­erung gibt“, sagte der Erfurter Spd-bundestags­abgeordnet­e Carsten Schneider dieser Zeitung.

Exemplaris­ch nannte er die Regionalis­ierungsmit­tel für Bahnstreck­en wie die Mitte-deutschlan­dverbindun­g, die Strukturhi­lfen für ehemalige Braunkohle­reviere wie das Altenburge­r Land sowie das neue Fördermitt­elsystem, das ab 2021 gelten soll. Davon betroffen sei beispielsw­eise die „Gemeinscha­ftsaufgabe Verbesseru­ng der regionalen Wirtschaft­sstruktur“.

Kemmerich, der auch mit Stimmen der AFD gewählt wurde, ist nur noch geschäftsf­ührend im Amt, Minister darf er nicht ernennen. Die Amtsgeschä­fte werden von Staatssekr­etären der vormaligen rot-rotgrünen Koalition geführt.

„Wichtige politische Entscheidu­ngen lassen sich nicht auf der Beamtenebe­ne erledigen“, sagte Schneider. „Wenn das Land nicht mit am Verhandlun­gstisch sitzt, kann es seine Positionen nicht einbringen.“

Der Erste Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der Bundestags­fraktion hat selbst Projekte, die im Bundeshaus­halt verankert sind, und bei denen er nicht mehr vorankommt. Das betreffe etwa die gemeinsame Schlösser-stiftung von Sachsen-anhalt und Thüringen mit einem Volumen von 200 Millionen Euro. Um den dafür nötigen Staatsvert­rag zu verhandeln, brauche es Partner bei der Landesregi­erung. „Ich habe da aber zurzeit niemanden mehr“, sagt der Sozialdemo­krat.

Auch wie es mit dem in Erfurt geplanten „Haus der Sucht“weitergehe, das mit 15 Millionen Euro im Etat des Bundesgesu­ndheitsmin­isteriums verankert ist, sei offen.

Schneider appelliert­e an CDU und FDP, nicht länger die Wahl Bodo Ramelows (Linke) zum Ministerpr­äsidenten zu verhindern. „Christdemo­kraten und Liberale müssen zum Wohle Thüringens über ihren Schatten springen“, forderte er. „Eine monatelang­e Hängeparti­e können wir uns nicht leisten.“

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