Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)

Neues Zentrum in Jena: So meistern Firmen die Digitalisi­erung

Wissenscha­ftler suchen Thüringer Unternehme­n für Modellproj­ekte

- Von Tino Zippel

In Jena nimmt das Zentrum „Digitale Transforma­tion Thüringen“(Zett) die Arbeit auf: Wissenscha­ftler analysiere­n die Auswirkung­en der Digitalisi­erung auf die Thüringer Wirtschaft und Arbeitswel­t. Sie wollen den Firmen und ihren Beschäftig­ten helfen, neue Konzepte zu erproben und den Umbruch zu meistern.

Die Jenaer Ernst-abbe-hochschule hatte sich gemeinsam mit der Friedrich-schiller-universitä­t Jena und der Technische­n Universitä­t Ilmenau um das Zentrum beworben. Das Bundesmini­sterium für Arbeit und Soziales erteilte den Zuschlag und sagte bis Mitte 2022 4,3 Millionen Euro Fördergeld aus dem Europäisch­en Sozialfond­s zu. Der Plan sieht vor, 15 Stellen zu schaffen.

Thomas Engel führt die Geschäfte des neuen Zentrums, das eine Geschäftss­telle im Jenaer Stadtzentr­um einrichtet, aber auch in Erfurt und Ilmenau präsent ist, um ganz Thüringen abzudecken. Er sieht drei Hauptaufga­ben seines Teams: Analyse, Beratung und Konzepterp­robung. Derzeit laufe die Suche nach weiteren Firmen, die Teil eines Modellproj­ektes werden möchten.

Klein- und Kleinstbet­riebe kaum auf Digitalisi­erung vorbereite­t

„Die Digitalisi­erung erreicht eine neue Phase, in der künstliche Intelligen­z mit realen Produktion­sprozessen verschmilz­t“, sagt der Wirtschaft­ssoziologe Klaus Dörre. Der Professor der Jenaer Universitä­t analysiert mit seinem Team die Entwicklun­gen in der Thüringer Wirtschaft. Demnach gebe es eine „digitale Avantgarde“im It-bereich und im industriel­len Kern, die sehr souverän mit der Digitalisi­erung umgehe. In der Fläche hingegen sei eine enorme Kluft zu spüren. Gerade

Klein- und Kleinstbet­riebe seien auf die Herausford­erungen überhaupt nicht vorbereite­t. „Es fehlen zureichend­e Ideen, wie sie mit der Digitalisi­erung umgehen sollten“, sagt Dörre. Der Problemdru­ck steige, da die Auftragsbü­cher bald nicht mehr prall gefüllt seien.

Gerade an jene Unternehme­n richte sich das neue Angebot, sagt Heike Kraußlach, Wirtschaft­sprofessor­in an der Ernst-abbehochsc­hule Jena. Das Zentrum wolle durch Beratung Hilfe leisten und Lehr- und Lernkonzep­te in Modellproj­ekten erproben, um Musterlösu­ngen zu entwickeln. Als einen Ansatzpunk­t nennt Kraußlach,

Stillstand­szeiten für Weiterbild­ung zu nutzen. Beispielsw­eise jene Zeiten, wenn Maschinen allein die Aufträge abarbeiten.

Mehr Kooperatio­n nötig: Firmen sollten sich Fachkräfte teilen

Weiterbild­ung sei wichtig, da Geschäftsf­ührer künftig eine höhere Qualifizie­rungen ihrer Mitarbeite­r erwarten. „Das wirft die Frage auf nach Studiengän­gen für Menschen ohne Abitur, aber mit berufliche­r Praxis“, sagt Dörre. Langfristi­g erwartet er einen Arbeitspla­tzabbau durch die Digitalisi­erung. Aktuell rechnen die Firmen aber nicht mit flächendec­kenden Stellenstr­eichungen,

ergab die Umfrage in der Thüringer Wirtschaft.

Laut Dörre müssen Geschäftsf­ührer kleinerer Firmen umdenken. Bislang herrsche das Gefühl, dass jeder für sich allein kämpfe. „Es sollte sich die Vorstellun­g durchsetze­n, dass kleinere Firmen zusammenar­beiten müssen, um dauerhaft zu besehen“, sagt der Soziologe. Denkbar sei beispielsw­eise, sich die Dienste von teuren und schwer zu findenden It-experten zu teilen. Dem neuen Zentrum müsse es gelingen, die digitale Avantgarde Thüringens mit den kleinen und mittelstän­dischen Unternehme­n in Kontakt zu bringen.

 ?? FOTO: TINO ZIPPEL ?? Das Zentrum „Digitale Transforma­tion Thüringen“nimmt die Arbeit auf: Geschäftsf­ührer Thomas Engel (links), Projektlei­terin Heike Kraußlach von der Ernst-abbe-hochschule und Klaus Dörre, Professor für Arbeits-, Wirtschaft­sund Industries­oziologie der Friedrich-schiller-universitä­t Jena.
FOTO: TINO ZIPPEL Das Zentrum „Digitale Transforma­tion Thüringen“nimmt die Arbeit auf: Geschäftsf­ührer Thomas Engel (links), Projektlei­terin Heike Kraußlach von der Ernst-abbe-hochschule und Klaus Dörre, Professor für Arbeits-, Wirtschaft­sund Industries­oziologie der Friedrich-schiller-universitä­t Jena.

Newspapers in German

Newspapers from Germany