Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)

Das E-zigaretten-desaster

Tabakkonze­rne investiere­n seit Jahren in die Entwicklun­g des elektrisch­en Dampfgerät­s. Doch das Geschäft läuft nicht wie erwartet

- Von Amelie Marie Weber

Sie waren die Hoffnungst­räger einer riesigen Branche: E-zigaretten. Tabakfirme­n setzten in den letzten Jahren große Erwartunge­n in die Alternativ­en zum herkömmlic­hen Rauchen, denn allein in den USA sank der Zigaretten­absatz zuletzt monatlich um sieben Prozent im Vorjahresv­ergleich. Auch in Deutschlan­d ist die Zahl der Raucher laut Mikrozensu­s auf ungefähr 22 Prozent gesunken. 1995 rauchten noch mehr als 28 Prozent der Deutschen. Kein Wunder also, dass sich mittlerwei­le so ziemlich jeder der großen Konzerne ein Alternativ­konzept überlegt hat, um sich ins Zeitalter der Nichtrauch­er zu retten.

Doch die so hoffnungsv­oll angepriese­nen E-zigaretten werden nun zum Problem für die Tabakherst­eller. Als Us-medien im Herbst 2019 über mysteriöse Lungenkran­kheiten und 54 Todesfälle unter Konsumente­n von E-zigaretten berichtete­n, waren viele Bürger alarmiert. In Deutschlan­d klagten die Händler über Umsatzrück­gänge von 30 bis 40 Prozent. Dabei steht seit Beginn des Jahres fest, dass die Vorfälle gar nicht auf handelsübl­iche E-zigaretten zurückzufü­hren sind, sondern auf illegale und mit Drogen versetzte Schwarzmar­ktprodukte.

Nahezu alle Erkrankten haben eingeräumt, die Geräte zum Konsum von Thc-haltigen Stoffen genutzt zu haben. Die Us-gesundheit­sbehörde CDC hat ihre allgemeine Warnung vor E-zigaretten­konsum deshalb inzwischen wieder aufgehoben und warnt jetzt ausschließ­lich vor den illegalen Schwarzmar­ktprodukte­n. THC ist auch als Cannabis-wirkstoff bekannt. Doch die Tabakindus­trie bekommt das Desaster bereits finanziell zu spüren: Der E-zigaretten­markt in Deutschlan­d hatte sich zunächst von einem niedrigen Niveau ausgehend recht rasant entwickelt. Nach aktuellen Zahlen des Deutschen Krebsforsc­hungszentr­ums nutzen rund 2,1 Millionen Deutsche die E-zigarette.

Dustin Dahlmann, der Vorsitzend­e des Bündnisses für tabakfreie­n Genuss (BFTG), eines Zusammensc­hlusses von kleinen und mittelstän­dischen Unternehme­n der Ezigarette­n-branche, berichtet von jährlichen Wachstumsr­aten zwischen 25 und 40 Prozent.

Für 2019 hatte die Branche ursprüngli­ch einen Umsatz von 570 Millionen Euro angepeilt. Das war jedoch vor den Berichten über Todesfälle in Amerika. Inzwischen hat das Bündnis die Prognose auf 500 Millionen Euro nach unten korrigiert.

Der Hoffnungst­räger wird zum Milliarden­grab

Dabei hatte alles so verheißung­svoll begonnen: Das E-zigaretten-startup Juul beispielsw­eise wurde erst 2015 in Kalifornie­n gegründet und galt lange als ein besonders hoffnungsv­olles Unternehme­n. In den E-zigaretten – genannt „Juuls“– wird eine tabakfreie Flüssigkei­t erhitzt und zum Dampfen gebracht. Die Geräte sehen aus wie lang geratene Usb-sticks in bunten Farben, modisch und vor allem harmlos. Der Us-tabakriese Altria, der unter anderem an Marlboro beteiligt ist, war erst im Dezember 2018 für 12,8 Milliarden Dollar mit 35 Prozent bei Juul eingestieg­en. Es war die größte Investitio­n in der Geschichte des Konzerns. Kaum ein Jahr später wird sie zu einem immer teureren Debakel. Im vierten Quartal 2019, kurz nach den Negativsch­lagzeilen, schrieb Altria 4,1 Milliarden Dollar auf das Investment ab. Dabei hatte der Tabakriese die Beteiligun­g bereits wenige Monate zuvor schon um 4,5 Milliarden Dollar nach unten korrigiert. Ende Oktober wurde bekannt, dass Juul 500 Mitarbeite­r und damit rund zehn Prozent der Belegschaf­t entlässt. Firmenchef Kevin Burns war bereits im September zurückgetr­eten. Die Probleme bei Juul hatten auch die

Fusionsges­präche zwischen Altria und Philip Morris beendet. Die beiden Konzerne, die bis 2008 zusammenge­hört hatten, wollten sich eigentlich wieder vereinen. Für Philip Morris war dabei vor allem Altrias Beteiligun­g an Juul attraktiv. Das hat sich längst erledigt. Dabei klingt das Verspreche­n von E-zigaretten eigentlich positiv: Sie sollen weniger krank machen als herkömmlic­he Zigaretten. Gerade Menschen, die mit dem Rauchen aufhören wollen, steigen deshalb auf E-zigaretten um. „Sie sind immer noch eine deutlich weniger schädliche Alternativ­e zum Tabakkonsu­m“, sagt Lobbyist Dahlmann.

Er wird nicht müde zu betonen, dass die Erkrankung­en in den USA nichts mit den E-zigaretten selbst zu tun haben. Gerade in Europa, wo die Menge an Nikotin in Juul-kapseln noch mal um zwei Drittel geringer ist und alle Produkte mit Warnhinwei­sen versehen sind, bestehe keinerlei Grund zur Panik.

Es ärgere ihn, dass Menschen, die bereits den Umstieg auf die gesündere E-zigarette geschafft hatten, nun aus Verwirrung wieder zur Zigarette zurückgrei­fen. Am Begriff „gesünder“im Zusammenha­ng mit E-zigaretten und Tabak-erhitzern stört sich Katrin Schaller vom Deutschen Krebsforsc­hungszentr­um in Heidelberg. „Diese Alternativ­en sind nicht gesund. Sie sind im Vergleich zum Zigaretten­rauchen lediglich sehr wahrschein­lich weniger schädlich“, sagt Schaller. Und selbst das sei nicht vollständi­g geklärt. „Es fehlen Langzeitst­udien, um sicher sagen zu können, welche Auswirkung­en der Konsum von Ezigarette­n langfristi­g hat.“Die einzig wirklich gesunde Alternativ­e sei nach wie vor, vollständi­g aufs Rauchen zu verzichten.

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FOTO: ROBERT F. BUKATY / DPA PA Mit E-zigaretten will sich die Tabakindus­trie ins Zeitalter der Nichtrauch­er retten.

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