Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)
Die letzte Zeugin
Ex-verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bedauert im Untersuchungsausschuss zur Berateraffäre Regelverstöße: „Es hat Defizite gegeben“
Die Frau im magentafarbenen Blazer betritt den Raum in letzter Minute, als die Fotografen schon hinausgebeten werden. Die Aufmerksamkeit ist groß, der Auftritt im Saal 3.101 im Marie-elisabethlüders-haus ist eine Premiere. Erstmals wird eine Eu-kommissionspräsidentin von einem Untersuchungsausschuss des Bundestages vernommen. Ursula von der Leyen ist die letzte Zeugin zur Berateraffäre im Verteidigungsministerium. Im Juli 2019 schied die Cdu-politikerin als Ministerin aus – doch die Affäre verfolgte sie bis nach Brüssel.
„Es ist viel Gutes geleistet worden, aber in der beachtlichen Aufbauleistung sind auch Fehler passiert.“Ursula von der Leyen (CDU), Ex-verteidigungsministerin
Von der Leyen stützte sich schon zu Beginn ihrer Amtszeit, Ende 2013, auf externe Kräfte, vorneweg auf eine Staatssekretärin, die sie von der Wirtschaftsberatungsfirma Mckinsey holte: Katrin Suder. Auf die lässt sie bis heute nichts kommen. Die Managerin habe eine „hervorragende Arbeit“geleistet.
Ein Berater holt den nächsten nach, dabei kommt es in der Folge vielfach zu Verstößen gegen das Vergabe- und Haushaltsrecht, die der Bundesrechnungshof beanstandet. Mal werden Aufträge ohne Ausschreibung vergeben, mal Mittel falsch eingesetzt, mal bleibt die Wirtschaftlichkeit ungeprüft. „Da hat es Defizite gegeben“, sagt von der Leyen über die Steuerung der Berater. „Es ist viel Gutes geleistet worden, aber in der beachtlichen Aufbauleistung sind auch Fehler passiert.“Dies sei „umso bedauerlicher“, als der Modernisierungsprozess dringend erforderlich gewesen sei.
Von der Leyen beweist ein gutes Erinnerungsvermögen
Ein Jahr lang haben die Abgeordneten die Beraterverträge untersucht, 4000 Akten studiert und über 30 Zeugen angehört. Anfangs hieß es im Ministerium, es sei kein Schaden entstanden, allenfalls in Höhe von einer Million Euro. Heute ist klar: Allein bei der Privatisierung der Panzerwerkstätten gab das Ministerium für Berater, Gutachter, juristische Expertise gut 20 Millionen Euro aus. Für eine Privatisierung, wohlgemerkt, die nie zustande kam und die Ministerin Annegret
Kramp-karrenbauer (CDU) inzwischen abgeschrieben hat.
Anfangs hat das Ministerium auch keine Verantwortlichen genannt. Heute laufen drei Disziplinarverfahren – vermutlich ins Leere. Ein General wurde entgegen der Planung nicht befördert. Viel mehr Konsequenzen hatte die Affäre nicht, am wenigstens für von der Leyen. Sie trägt zwar die Verantwortung, ist indes aber längst in Brüssel.
Zu den Regelverstößen, mit denen der Ausschussvorsitzende Wolfgang Hellmich (SPD) sie konfrontiert, sagt von der Leyen, die Auftragsvergabe sei „weit unter meiner Ebene“gelaufen. Der Verweis auf die untere Ebene ist eine Antwort, die den Abgeordneten bekannt vorkommt. Sie haben sie oft im Ausschuss gehört. Es war das Muster bei vielen Zeugen aus der Führungsetage: Das Fehlverhalten wurde immer im Unterbau verortet.
Wenige Tage vor ihrem Auftritt hatte von der Leyen erklärt, dass sie ihr früheres Diensthandy gelöscht habe und dass darin keine SMS mit Bezug zur Berateraffäre waren. Jetzt erzählt sie, dass die Kommunikation im Ministerium sehr stark über schriftliche Vorlagen lief, „das ist manchmal sperrig“. In Brüssel sei es anders, erzählt von der Leyen entspannt. Sie sitzt kerzengerade und antwortet ruhig und konzentriert. Sie wird im Laufe der stundenlangen Anhörung auch ein gutes Erinnerungsvermögen beweisen; ganz anders als Suder und mehrere andere Zeugen, die sich auffällig oft nicht erinnern konnten.
Nicht nur die Gedanken sind gut sortiert. Auf dem Tisch liegen ihre Lesebrille und ein Handy, einer blauen Mappe entnimmt von der Leyen ein Blatt Papier mit ein paar Stichworten. Mehr braucht sie nicht. Sie redet frei. Ihr sei es wichtig, sagt sie den Abgeordneten, „den Kontext darzustellen“.
Als sie 2013 ins Amt kommt, liegt eine jahrelange Rosskur hinter der Bundeswehr. Material wird nicht gekauft, der Haushalt zurückgefahren, für die zivile Verwaltung gilt seit Jahren Besetzungsstopp. Gleichzeitig schickt sich die Nato an, das Bündnis schlagkräftiger zu machen. Die Bundeswehr ist darauf schlecht vorbereitet. Von der Leyen legt los, „die Sicherheitslage hat das Tempo diktiert“.
Nachfolgerin AKK setzt auf internen Sachverstand
Die neue Ministerin nimmt sich nicht nur vor, mehr Geld für die Truppe zu mobilisieren und die Ausrüstung schneller und günstiger zu beschaffen. Sie will auf Augenhöhe mit der Wirtschaft verhandeln. Knallharte Verträge und kompromissloses Qualitätsstreben – deshalb der Griff zu externen Beratern.
Von der Leyen kann jetzt beruhigt nach Brüssel zurückfliegen. Der Ausschuss wird einen Abschlussbericht schreiben und über Konsequenzen beraten. Nachfolgerin Kramp-karrenbauer hat schon Lehren gezogen: Sie will sich weniger auf externe Berater und mehr auf den Sachverstand des Ministeriums verlassen.