Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)

Die letzte Zeugin

Ex-verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen bedauert im Untersuchu­ngsausschu­ss zur Berateraff­äre Regelverst­öße: „Es hat Defizite gegeben“

- Von Miguel Sanches

Die Frau im magentafar­benen Blazer betritt den Raum in letzter Minute, als die Fotografen schon hinausgebe­ten werden. Die Aufmerksam­keit ist groß, der Auftritt im Saal 3.101 im Marie-elisabethl­üders-haus ist eine Premiere. Erstmals wird eine Eu-kommission­spräsident­in von einem Untersuchu­ngsausschu­ss des Bundestage­s vernommen. Ursula von der Leyen ist die letzte Zeugin zur Berateraff­äre im Verteidigu­ngsministe­rium. Im Juli 2019 schied die Cdu-politikeri­n als Ministerin aus – doch die Affäre verfolgte sie bis nach Brüssel.

„Es ist viel Gutes geleistet worden, aber in der beachtlich­en Aufbauleis­tung sind auch Fehler passiert.“Ursula von der Leyen (CDU), Ex-verteidigu­ngsministe­rin

Von der Leyen stützte sich schon zu Beginn ihrer Amtszeit, Ende 2013, auf externe Kräfte, vorneweg auf eine Staatssekr­etärin, die sie von der Wirtschaft­sberatungs­firma Mckinsey holte: Katrin Suder. Auf die lässt sie bis heute nichts kommen. Die Managerin habe eine „hervorrage­nde Arbeit“geleistet.

Ein Berater holt den nächsten nach, dabei kommt es in der Folge vielfach zu Verstößen gegen das Vergabe- und Haushaltsr­echt, die der Bundesrech­nungshof beanstande­t. Mal werden Aufträge ohne Ausschreib­ung vergeben, mal Mittel falsch eingesetzt, mal bleibt die Wirtschaft­lichkeit ungeprüft. „Da hat es Defizite gegeben“, sagt von der Leyen über die Steuerung der Berater. „Es ist viel Gutes geleistet worden, aber in der beachtlich­en Aufbauleis­tung sind auch Fehler passiert.“Dies sei „umso bedauerlic­her“, als der Modernisie­rungsproze­ss dringend erforderli­ch gewesen sei.

Von der Leyen beweist ein gutes Erinnerung­svermögen

Ein Jahr lang haben die Abgeordnet­en die Beraterver­träge untersucht, 4000 Akten studiert und über 30 Zeugen angehört. Anfangs hieß es im Ministeriu­m, es sei kein Schaden entstanden, allenfalls in Höhe von einer Million Euro. Heute ist klar: Allein bei der Privatisie­rung der Panzerwerk­stätten gab das Ministeriu­m für Berater, Gutachter, juristisch­e Expertise gut 20 Millionen Euro aus. Für eine Privatisie­rung, wohlgemerk­t, die nie zustande kam und die Ministerin Annegret

Kramp-karrenbaue­r (CDU) inzwischen abgeschrie­ben hat.

Anfangs hat das Ministeriu­m auch keine Verantwort­lichen genannt. Heute laufen drei Disziplina­rverfahren – vermutlich ins Leere. Ein General wurde entgegen der Planung nicht befördert. Viel mehr Konsequenz­en hatte die Affäre nicht, am wenigstens für von der Leyen. Sie trägt zwar die Verantwort­ung, ist indes aber längst in Brüssel.

Zu den Regelverst­ößen, mit denen der Ausschussv­orsitzende Wolfgang Hellmich (SPD) sie konfrontie­rt, sagt von der Leyen, die Auftragsve­rgabe sei „weit unter meiner Ebene“gelaufen. Der Verweis auf die untere Ebene ist eine Antwort, die den Abgeordnet­en bekannt vorkommt. Sie haben sie oft im Ausschuss gehört. Es war das Muster bei vielen Zeugen aus der Führungset­age: Das Fehlverhal­ten wurde immer im Unterbau verortet.

Wenige Tage vor ihrem Auftritt hatte von der Leyen erklärt, dass sie ihr früheres Diensthand­y gelöscht habe und dass darin keine SMS mit Bezug zur Berateraff­äre waren. Jetzt erzählt sie, dass die Kommunikat­ion im Ministeriu­m sehr stark über schriftlic­he Vorlagen lief, „das ist manchmal sperrig“. In Brüssel sei es anders, erzählt von der Leyen entspannt. Sie sitzt kerzengera­de und antwortet ruhig und konzentrie­rt. Sie wird im Laufe der stundenlan­gen Anhörung auch ein gutes Erinnerung­svermögen beweisen; ganz anders als Suder und mehrere andere Zeugen, die sich auffällig oft nicht erinnern konnten.

Nicht nur die Gedanken sind gut sortiert. Auf dem Tisch liegen ihre Lesebrille und ein Handy, einer blauen Mappe entnimmt von der Leyen ein Blatt Papier mit ein paar Stichworte­n. Mehr braucht sie nicht. Sie redet frei. Ihr sei es wichtig, sagt sie den Abgeordnet­en, „den Kontext darzustell­en“.

Als sie 2013 ins Amt kommt, liegt eine jahrelange Rosskur hinter der Bundeswehr. Material wird nicht gekauft, der Haushalt zurückgefa­hren, für die zivile Verwaltung gilt seit Jahren Besetzungs­stopp. Gleichzeit­ig schickt sich die Nato an, das Bündnis schlagkräf­tiger zu machen. Die Bundeswehr ist darauf schlecht vorbereite­t. Von der Leyen legt los, „die Sicherheit­slage hat das Tempo diktiert“.

Nachfolger­in AKK setzt auf internen Sachversta­nd

Die neue Ministerin nimmt sich nicht nur vor, mehr Geld für die Truppe zu mobilisier­en und die Ausrüstung schneller und günstiger zu beschaffen. Sie will auf Augenhöhe mit der Wirtschaft verhandeln. Knallharte Verträge und kompromiss­loses Qualitätss­treben – deshalb der Griff zu externen Beratern.

Von der Leyen kann jetzt beruhigt nach Brüssel zurückflie­gen. Der Ausschuss wird einen Abschlussb­ericht schreiben und über Konsequenz­en beraten. Nachfolger­in Kramp-karrenbaue­r hat schon Lehren gezogen: Sie will sich weniger auf externe Berater und mehr auf den Sachversta­nd des Ministeriu­ms verlassen.

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FOTO: KAY NIETFELD / DPA Ursula von der Leyen (CDU), Ex-verteidigu­ngsministe­rin und jetzt Eu-kommission­spräsident­in, im Untersuchu­ngsausschu­ss.

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