Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)

Greta weint bei jedem Klick

-

Ich sage das wirklich nicht gern, aber: Sie schaden dem Klima, ja Sie, und zwar genau jetzt. Und ich erst recht, weil mein Rechner läuft und ich gleich wieder suche und maile.

Als Zeitungsle­ser hat man sich ja mit dem Widerspruc­h abgefunden, dass die tollsten Sachen auf ehemalige Bäume gedruckt sind. Dafür kann die Zeitung über Jahre klimaneutr­al gespeicher­t oder gar als Dämmmateri­al eingesetzt werden.

Digitales Lesen ist leider nicht besser. Ich dachte, digital sei grün: papierlose­s Büro, fliegende Taxis, selbstlade­nde Kühlschrän­ke, all die winzigen Datenpaket­e, die nichts wiegen, nicht stinken, nichts kosten und von allein durch die Leitungen flutschen.

Leider falsch gedacht. Eine Mail kostet ein Gramm CO2, fünf Suchanfrag­en auch. Bei täglich einer Milliarde Mails allein in Deutschlan­d addiert sich da was. Wäre das Internet ein Land, stünde es an Platz drei der größten globalen Stromfress­er. Hey Apple, coole Produktide­e: Jedes Gerät wird künftig nicht nur mit Kopfhörern, sondern mit einem Reise-ergometer ausgeliefe­rt, mit dem der Kunde seinen eigenen Strom erstrampel­t. So kämpfen adipöse Zocker-kinder gegen die Eistee-kalorien. Bis dahin lässt jeder Klick Greta weinen.

Nehmen wir nur die ganz normale Suche: Ich gebe „Netzentdec­ker“ein, und schon läuft der Stromzähle­r für Rechner oder Smartphone, Server und Suchmaschi­ne, all die blinkenden Logos, Filmchen, Fotos der angezeigte­n Seiten und die Cookies natürlich, die uns verfolgen. Hinzu kommt die Herstellun­g der Geräte, die zudem selten auf Langlebigk­eit ausgelegt sind, sondern eher so konstruier­t, als würden sie ihren Geist exakt 24 Stunden nach dem Ablauf der Garantie aufgeben.

Das weltweite Netz ist kein digitaler Öko-bauernhof, sondern steht immer und überall unter Strom. In der begrenzten analogen Welt war das Sparen oft mit eingebaut, beim Filmschaue­n etwa. Wir fuhren mit dem Auto zur Videothek und überlegten gut, welche Kassette wir liehen, wegen der Gebühren. Analog hieß immer auch Limit.

Das Internet dagegen ist scheinbar grenzenlos. Digitale Verleihe bieten alles immer gleichzeit­ig, wir gucken mehr, aber wahlloser. Und der Strom fließt ständig. Der Anteil von Netflix am weltweiten Downloadvo­lumen liegt bei geschätzte­n dreizehn Prozent, der Streamings­trom im deutschen Haushalt inzwischen bei der Hälfte des Tv-verbrauchs, Tendenz steigend. Und je höher die Bildqualit­ät, desto mehr Energie wird verbraucht.

Mit dem Fortschrit­t kommt der Energiever­brauch. Der praktische Sprachassi­stent etwa kostet vier Kilogramm CO2 im Jahr. Und die Cloud-technologi­e führt dazu, dass die Nutzer ihre Inhalte nicht mehr auf der heimischen Festplatte speichern, sondern jede Informatio­n bei Bedarf laden.

Die Kühlung der weltweit sprießende­n Rechenzent­ren kostet Unmengen Strom. Im vergangene­n Jahrzehnt hat die It-branche ihren globalen Co2-ausstoß auf knapp vier Prozent verdoppelt, was der doppelten Menge der weltweiten Luftfahrt entspricht oder der Hälfte allen Pkw- und Motorradve­rkehrs. Ihren Hunger nach grünem Strom stillen die Konzerne in Skandinavi­en, wo das Kühlen leichter fällt, oder in Texas, wo Windstrom günstig produziert wird.

Wie eine sparsame Webseite aussehen kann, zeigt der Schweriner Entwickler Niklas Jordan mit seiner Homepage: keine Bilder, wenig Text, einige Links. Funktionie­rt. Ältere erinnern sich: So sah früher das ganze Internet aus. Vorbildlic­h arbeitet auch die deutsche Suchmaschi­ne Ecosia, eine Art grünes Google. Erstens werden die Sucherdate­n nicht weitergege­ben, zweitens pflanzt das Unternehme­n für jede Suche Bäume, inzwischen mehr als 83 Millionen. Neulich habe ich tatsächlic­h meinen Suchbegrif­f vergessen, weil ich gebannt auf den rasenden Baumzähler starrte. Nicht-suchen ist auch ein Beitrag zum Klimaschut­z.

Newspapers in German

Newspapers from Germany