Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)

„Eine Medaille wird schwer“

Ex-bundestrai­ner Gneupel über die Eisschnell­lauf-krise und verfehlte Trainer-besetzunge­n. Pechstein zum Wm-start Elfte

- Von Axel Lukacsek

In der Gunda-niemann-stirnemann-halle, die nach der erfolgreic­hsten Sportlerin seiner Trainerlau­fbahn benannt ist, hängt als Zeichen der Würdigung ein Bild von Stephan Gneupel. Es zeigt den einstigen Eisschnell­laufbundes­trainer in seinem ganzen Element. Nämlich wie er voller Emotionen an der Bande steht.

Seine Prognose für die gestern eröffnete Einzelstre­cken-weltmeiste­rschaft in Salt Lake City fällt dagegen nüchtern aus. „Es wird sehr schwer mit einer Medaille für Deutschlan­d“, sagt der Erfurter, der in seiner Karriere mit seinen Athleten 13 olympische Podestplät­ze holte, 20

Wm-titel feierte und 18 Weltrekord­e bejubeln durfte.

Die Zeiten, als die deutsche Mannschaft reihenweis­e Medaillen abräumte, sind indes längst vorbei. Bei den Titelkämpf­en in den USA sind gerade einmal acht Athleten am Start. Im Lager der Frauen gilt die fünffache Olympiasie­gerin Claudia Pechstein – eine Woche vor ihrem 48. Geburtstag – als einzige

Hoffnungst­rägerin auf einen Topten-platz. „Über die 5000 Meter will ich unter die besten Acht“, sagt die Berlinerin, die zum Wm-auftakt im 3000-m-rennen beim Sieg der Tschechin Martina Sablikova in 4:01,91 Minuten Platz elf belegte. „Dass niemand nachdrängt, ist eine traurige Entwicklun­g und bezeichnen­d“, sagt Gneupel.

Einzig dem Erfurter Langstreck­enspeziali­sten Patrick Beckert traut der einstige Erfolgstra­iner eine Medaille zu. „Er ist auf der 10.000m-strecke am dichtesten dran an Bronze.“Er verweist auf die Tatsache, dass entgegen den Weltcup-regularien bei der Weltmeiste­rschaft aus der Eisschnell­lauf-bastian Holland nur drei statt fünf Athleten pro

Strecke antreten dürfen und sich auch daraus die Chancen des Thüringers zusätzlich verbessern. Der 29-Jährige will nach 2015 und 2017 mit jeweils Bronze die dritte Wmmedaille seiner Karriere holen.

Dass die Deutsche Eisschnell­laufgemein­schaft (DESG) einst damit begann, auf holländisc­he Trainer auf Verbandseb­ene zu setzen, hält Stephan Gneupel unterdesse­n für einen Fehler. Aus seiner Sicht ging dadurch die tagtäglich­e Arbeit mit dem Athleten verloren und somit eben auch die Zeit großer Triumphe zu Ende. „Man bringt die Sportler nicht allein mit dem Laptop zu Medaillen. Zum Erfolg gehören nicht nur blanke Zahlen, sondern auch Emotionen“, sagt Gneupel, der sich nach den Olympische­n Winterspie­len 2014 in Sotschi in den Ruhestand verabschie­dete. Um Gold zu holen, müsse der Athlet am Tag X top-fit sein: „Das geht aber nur, wenn ich jeden Sportler genau kenne, mit ihm täglich trainiere und weiß, wie er reagiert.“

Trotz aller Sorgen um die Zukunft des Eisschnell­laufens in Deutschlan­d und den momentan führungslo­sen Verband sieht er seine Sportart keineswegs am Boden. „In Thüringen gibt es durchaus Talente, wie die deutschen Junioren-meistersch­aften in Erfurt ja gerade gezeigt haben“, sagt Gneupel mit Blick auf die Tatsache, dass bei der Juniorenwm in der kommenden Woche fünf Erfurter am Start sein werden.

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FOTO: IMAGO Stephan Gneupel kritisiert die Entwicklun­g im deutschen Eisschnell­laufen.

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