Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)
Kommt es zu einer Pandemie?
In China ist die Zahl der Toten und Infizierten rasant gestiegen. Robert-koch-institut hält eine weltweite Ausbreitung des Coronavirus für möglich
Isolierte Städte, leere U-bahnen und Menschen, die sich hinter Masken verschanzen – China hat das Coronavirus längst noch nicht im Griff. Im Gegenteil: Über Nacht hatte die schwer betroffene Provinz Hubei eingeräumt, dass es doch viel mehr Infizierte gibt. Überraschend wurden am Donnerstag 15.000 Virusfälle mehr gemeldet, obwohl der Anstieg in den Tagen zuvor meist bei 2000 gelegen hatte. Grund ist eine neue Zählweise, bei der nun auch klinische und nicht nur im Labor bestätigte Diagnosen erfasst werden. Damit klettert die Zahl der Infizierten landesweit auf rund 60.000 – und mehr als 1300 Tote.
Um das Potenzial für eine Pandemie zu erkennen, sei jedoch die Lage außerhalb Chinas entscheidend, sagt der Präsident des Robert-koch-instituts (RKI), Lothar Wieler, am Donnerstagabend. Hier lauten die Fakten: 503 Fälle in 24 Ländern. Davon ein Todesfall. Damit liegt die Sterblichkeit laut RKI außerhalb Chinas bei 0,2 Prozent – in China bei zwei Prozent. Entwarnung für Deutschland bedeutet das dennoch nicht: „Wir sind nicht in der Lage, die Dynamik des Ausbruchs zu prognostizieren“, so Wieler.
Würde es zu einer Pandemie kommen, würde das zwar besonders Länder mit geringen Ressourcen im Gesundheitssystem
treffen. Aber auch das deutsche Gesundheitssystem wäre herausgefordert. „Das Ziel, das wir haben, ist, die zwei Wellen zu entkoppeln“, sagt Wieler. Er meint: eine mögliche Coronawelle und die aktuelle Grippewelle, die in Deutschland bereits 60 Tote gefordert hat. „Gerade jetzt, wo wir noch kein Problem mit Corona haben, ist es wichtig, dass jeder in Deutschland mitdenkt“, sagt der Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité. Jeder solle sich über das Virus Informationen anlesen und entsprechend handeln. Das heiße zum Beispiel: regelmäßiges Händewaschen. „Es ist besser, darauf Zeit zu verwenden, als nach
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China zu schauen und zu sagen: Da läuft alles falsch.“
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte bei einem Eu-sondertreffen, es sei nicht mehr auszuschließen, dass es zu einer weltweiten Pandemie komme, bei der auch in Regionen außerhalb Chinas die Lage unkontrollierbar werde. Eugesundheitskommissarin Stella Kyriakides forderte, zur Vorbereitung auf einen solchen Fall müssten die Anstrengungen verstärkt werden. „Es ist Wachsamkeit gefragt“, sagte sie. Auch die Direktorin der Eu-präventionsagentur, Andrea Ammon, warnte, eine weitere Verbreitung des Virus in der EU sei zu erwarten. Bislang seien erst 44 Fälle in sieben Euländern bekannt.
Kreuzfahrtschiff darf endlich in Hafen einlaufen
Die Gesundheitsminister vereinbarten unter anderem, dass Reisende aus China bei der Ankunft in der EU noch intensiver erfasst werden sollen: Geplant ist, nicht nur ihre Kontaktdaten in Europa zu registrieren, sondern auch zu erfragen, welche Kontakte sie in stark betroffenen Regionen hatten.
Der Umgang der chinesischen Behörden mit dem Virus hat derweil politische Konsequenzen: Der Parteisekretär von Hubei, Jiang Chaoliang, wurde abgesetzt. Zuvor waren bereits die beiden ranghöchsten Vertreter der Gesundheitskommission von Hubei entlassen worden.
Herausfordernd ist auch die Situation an Bord des seit etwa einer Woche unter Quarantäne stehenden Kreuzfahrtschiffes „Diamond Princess“im japanischen Yokohama. Inzwischen wurde bei weiteren 44 Menschen eine Infektion festgestellt. Damit erhöht sich die Zahl der Infizierten auf 218. An Bord des Kreuzfahrtschiffes sind auch zehn deutsche Staatsangehörige. Die Quarantäne gilt noch bis zum 19. Februar – mindestens.
Die zweiwöchige Odyssee des niederländischen Kreuzfahrtschiffes ,,Westerdam‘‘ durch das Südchinesische Meer ist dagegen beendet: Die 1455 Passagiere haben die Aussicht, das Schiff verlassen und nach Hause fliegen zu können. Kambodscha hat als erstes Land der ,,Westerdam‘‘ die Erlaubnis erteilt, im Hafen Sihanoukville anzulegen.