Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)

Erwartunge­n an Deutschlan­d

Bundespräs­ident Frank-walter Steinmeier wirbt bei der Münchner Sicherheit­skonferenz für ein stärkeres Europa. Das hat auch Auswirkung­en auf die Bundeswehr

- Von Michael Backfisch

Es spricht Frank-walter Steinmeier, der Mahner und Warner. „Wir werden heute Zeugen einer zunehmend destruktiv­en Dynamik der Weltpoliti­k“, sagt der Bundespräs­ident. Er schlägt den Bogen von Russland, das mit der Krim-annexion gewaltsam Grenzen verrückt habe, über das expansive Vorgehen Pekings im Südchinesi­schen Meer bis zum „America First“-kurs von Präsident Donald Trump. Steinmeier eröffnet am Freitag die Münchner Sicherheit­skonferenz. Er redet zu den rund 40 Staats- und Regierungs­chefs, 100 Ministern sowie Diplomaten und Sicherheit­sexperten, die in die Bayern-metropole gekommen sind. Die Erwartunge­n an Deutschlan­d und seine Rolle in der Welt sind groß.

Steinmeier reagiert darauf auf seine Weise: Gelegentli­ch pastoral im Ton gibt er an diesem Nachmittag den Prediger für eine bessere Welt. Der Auftritt beginnt mit einem flammenden Plädoyer für Europa: „Es ist unser stärkstes, unser elementars­tes nationales Interesse.“In der Sicherheit­spolitik stehe die Bundesrepu­blik in einer doppelten Verantwort­ung, so Steinmeier. „Für Deutschlan­d ist die Entwicklun­g einer verteidigu­ngspolitis­ch handlungsf­ähigen EU ebenso unabdingba­r wie der Ausbau des europäisch­en Pfeilers der Nato.“Letzteres ist eine Beruhigung­spille für die Osteuropäe­r, die sich durch Russland bedroht fühlen und auf den amerikanis­chen Schutz pochen.

Der Bundespräs­ident bekennt sich einerseits zu höheren Rüstungsau­sgaben. „Deutschlan­d muss mehr beitragen für die Sicherheit Europas, auch innerhalb der Nato, auch finanziell.“Gleichzeit­ig warnt er vor einem Wettrüsten. Er will zurück zu einer „allgemeine­n Respektier­ung des Völkerrech­ts“. Wie das ohne militärisc­hen Druck in Libyen, Syrien oder im Irak funktionie­ren soll, sagt Steinmeier nicht. Diplomatis­che Verhandlun­gen haben dort wenig gebracht. Es triumphier­ten Kriegsherr­en wie Wladimir Putin,

Recep Tayyip Erdogan oder der libysche General Chalifa Haftar.

Mittlerwei­le ist die Bundeswehr zwar mit knapp 4200 Soldaten an zwölf internatio­nalen Operatione­n beteiligt. In Afghanista­n und im Nordirak bildet sie lokale Sicherheit­skräfte aus, im Mittelmeer unterstütz­t die Fregatte „Mecklenbur­g-vorpommern“einen Nato-verband zur Terrorabwe­hr, im zentralafr­ikanischen Mali stellen deutsche Kräfte für die Un-mission „Minusma“eine Aufklärung­skompanie.

Der Einsatz der deutschen Luftwaffe im Irak und in Syrien wackelt hingegen. Das Bundestags­mandat für die Luftraumüb­erwachung der

Bundeswehr läuft im März aus. Vor allem die SPD blockiert die weitere Mission der Tornadojet­s im Kampf gegen die Terrormili­z „Islamische­r Staat“(IS). Bundesvert­eidigungsm­inisterin Annegret Kramp-karrenbaue­r (CDU) bringt am Freitag in München eine „Anpassung“des Mandats ins Spiel. Derzeit liefen Verhandlun­gen. Möglicherw­eise werde der Anteil Deutschlan­ds in der Anti-is-koalition geringer.

Die Verbündete­n haben für Deutschlan­ds Zurückhalt­ung wenig Verständni­s. „Deutschlan­d ist ein unverzicht­barer Partner – aber es sollte seine militärisc­he Präsenz weltweit erhöhen“, sagt ein hochrangig­er Vertreter der amerikanis­chen Delegation in München. Er nennt als Beispiel die Beteiligun­g an der Us-geführten Marine-mission

„Sentinel“(Wache) am Persischen Golf, die die freie Handelssch­ifffahrt entlang der wichtigste­n Ölroute der Welt schützen soll. „Wir wollen nicht zulassen, dass der Iran erneut Schiffe als Geiseln nimmt und die Sicherheit des Nahen Ostens gefährdet“, so der Amerikaner.

In London sieht man das genauso. Bundesauße­nminister Heiko Maas (SPD) hatte im vergangene­n Sommer eine Eu-operation am Golf ins Spiel gebracht. Doch die Idee verpuffte – auch weil die Bundeswehr nicht über genügend Schiffe verfügte.

„Deutschlan­d muss mehr beitragen für die Sicherheit Europas, auch innerhalb der Nato, auch finanziell.“Frank-walter Steinmeier

Muss Deutschlan­d eigene Kampftrupp­en aufstellen?

Selbst Frankreich ist Deutschlan­d internatio­nal zu passiv. So wünscht sich Paris mehr deutsche Unterstütz­ung beim Kampf gegen islamistis­che Terroriste­n in Mali. „Wir wissen, dass Sicherheit und Verteidigu­ng immer ein heikles innenpolit­isches Thema in Deutschlan­d ist – aber in der Sahelzone steht Frankreich weitgehend allein“, erklärt ein hochrangig­es Mitglied der französisc­hen Delegation in München. Vor Kurzem hatte Frankreich sein Kontingent in Mali von 4500 auf 5100 Soldaten aufgestock­t. „Mittel- und langfristi­g muss man sich auch in Deutschlan­d Gedanken über eigene Kampftrupp­en machen“, fügt der Diplomat hinzu. Der Franzose beklagt vor allem den schlechten Zustand der Bundeswehr, etwa die Pannenseri­e beim Schützenpa­nzer „Puma“. Die deutschen Streitkräf­te müssten ihr Beschaffun­gswesen komplett reformiere­n.

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FOTO: TOBIAS HASE / DPA Tausende Polizisten schützen die Sicherheit­skonferenz in München.

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