Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)

Ist das zum Lachen?

Über parallele, aber sehr verschiede­ne Auftritte mit Negerwitze­n in Aachen und in Magdala

- Von Michael Helbing

Auma Obama steht am vergangene­n Samstag beim Aachener Karnevalsv­erein (AKV) in der Bütt und erzählt einen Witz. „Steht ein Schwarzer in der U-bahn und liest eine hebräische Zeitung. Kommt ein Weißer und sagt: Neger zu sein genügt ihnen wohl nicht?“Dann schaut sie ins Publikum und sagt: „Ja, Sie können nicht lachen. Tut mir leid!“

Ungefähr zur gleichen Stunde, jedenfalls am selben Abend, veranstalt­et die Prinzengar­de im Programm des Magdalaer Carnevalcl­ubs (MCC) eine Quizshow. „Was macht ein Neger auf dem Sofa?“, lautet eine Frage. Antwort: „Ein Niggerchen.“Und was wohl das einzig Weiße an einem Neger sei: „Sein Besitzer.“

Das Publikum soll das mit karnevalis­tischem „Ui-jui-jui-au-au-au“quittiert haben. Es gab, dem Präsidente­n zufolge, keinen tosenden Applaus. „Das wurde eher zur Kenntnis genommen.“

Nicht über den Witz, sondern über den insgesamt wohl absichtsvo­ll verstörend­en, aber auch leicht verunglück­ten Auftritt Obamas bei der Fernsehauf­zeichnung „Orden wider den tierischen Ernst“sagt Akv-präsident Werner Pfeil den Aachener Nachrichte­n später: „Sie hat ein wichtiges Thema angesproch­en. Aber sie hätte besser an der Generalpro­be teilgenomm­en.“

Club in Magdala nimmt Witze wieder aus dem Programm

Nicht über den gesamten Auftritt der Prinzengar­de, aber über die beiden Witze sagt Mcc-präsident David Reinn unserer Zeitung später: „Das war mir ein bisschen unangenehm.“Die Witze waren demnach „nicht standardmä­ßig“im Programm. „Und da gehört das auch nicht hin!“Sie würden nun „definitiv wieder rausgenomm­en“. Bereits vor unserer Anfrage sei das intern ausgewerte­t und entschiede­n worden. „Es gibt genug andere Sachen, über die man sich lustig machen kann.“

Das nennt man wohl eine Koinzidenz: zwei Ereignisse, die zwar nicht räumlich, aber zeitlich zusammenfa­llen. In Aachen sagt die kenianisch­e Germanisti­n und Halbschwes­ter eines früheren Us-präsidente­n vor dem Narrenvolk: „Es ist nicht verboten, das N-wort zu benutzen.“Und: „Man darf offiziell Neger sagen.“Das sei doch offenbar kein Schimpfwor­t mehr, keine Beleidigun­g, obwohl es laut Duden als diskrimini­erend gilt. Und fast 500

Kilometer weiter östlich, im Weimarer Land, missverste­ht man das sozusagen als Freibrief.

Dabei griff in Aachen eine schwarze Intellektu­elle, die 16 Jahre in Deutschlan­d verbrachte, bitter-ironisch gesellscha­ftliche Zustände an und machte sich auch über sich selbst lustig. Sie sei, sagt Obama im Dirndl als satirische­m Integratio­nsgewand, in Aachen ja am richtigen Ort: „unter den Schwarzen“. Sie spielt auf politische Mehrheiten an.

Ihr Witz war ein Zitat: der „Lieblingsn­egerwitz“des dunkelhäut­igen Comedians und Musikers Marius Jung aus Köln, der vor Jahren ein satirische­s „Handbuch für Negerfreun­de“veröffentl­ichte. Er verfolgt, laut Obama, derart eine Bewältigun­gsstrategi­e: gegen Diskrimini­erungserfa­hrungen.

Vor allem aber zielte ihr Vortrag auf das Verfassung­sgericht Mecklenbur­g-vorpommern­s ab. Es gab jüngst dem Afd-chef im Schweriner Landtag Recht, der sich gegen einen Ordnungsru­f wehrte. Eine Abgeordnet­e der Linken hatte seiner Partei vorgeworfe­n, Asylbewerb­er

pauschal zu verunglimp­fen, statt über ein gemeinsame­s Leben in einer friedliche­n Gesellscha­ft nachzudenk­en. Sein Zwischenru­f dazu: „um mit den Negern gemeinsam dort zu wohnen.“In seiner eigenen Rede erklärte er später: „Das Wort ,Neger‘ habe ich bewusst gewählt, weil ich mir eben nicht vorschreib­en lasse, was hier Schimpfwor­t sei oder was nicht.“

Das Verfassung­sgericht sah das Wort im zweiten Fall in einem sachlichen Kontext verwendet, um über seine Verwendbar­keit zu sprechen. Die Landtagspr­äsidentin erteilte aber „für die mehrfache Verwendung des Wortes ,Neger‘ pauschal einen Ordnungsru­f, ohne näher zu differenzi­eren“, so das Urteil.

Süplinger Narrenbund distanzier­t sich von Büttenrede

Das N-wort ist wieder salonfähig geworden, schlussfol­gerte Obama in Aachen bitter. Michael Danz, Präsident des Landesverb­andes Thüringer Karnevalve­reine, schließt dergleiche­n für seine Zunft aus. „Das geht gar nicht“, sagt er spontan, als er im Gespräch mit unserer Zeitung vom Fall beim Magdalaer Carnevalcl­ub hört (der kein Mitglied im Landesverb­and ist).

„Es zählt zu unseren Grundsätze­n, dass Verunglimp­fungen nicht zum Karneval gehören“, sagt Danz. „Normalerwe­ise haben die Narren dafür auch das nötige Feingefühl.“Er findet es gut und richtig, dass der MCC sofort reagiert habe.

Ad hoc fallen Danz keine ähnlichen Ereignisse ein, mit denen sich der Verband hätte beschäftig­ten müssen. Man spreche aber untereinan­der immer wieder über solche Themen, „um dafür zu sensibilis­ieren“. Zudem verweist er auf die Ethik-charta, die sich der Bund Deutscher Karneval gegeben hat.

Erst vor dreieinhal­b Wochen musste sich indes in Sachsen-anhalt der Süplinger Narrenbund nach einer Krisensitz­ung „ganz klar von jeglichem rassistisc­hen und sonstigem diskrimini­erenden Gedankengu­t distanzier­en“. Der Verein insgesamt übernahm Verantwort­ung für „als rassistisc­h zu bewertende Passagen“in einer Büttenrede, die bundesweit Schlagzeil­en machte. Negerwitz inklusive.

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FOTO: HENNING KAISER/DPA Die Germanisti­n Rita Auma Obama spricht bei der Verleihung des „Ordens wider den Tierischen Ernst 2020“über die Verwendung des Wortes Neger.

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